Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.374/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_374/2008

Urteil vom 30. Januar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Jancar.

Parteien
S.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecherin Jacqueline Cappis, Kramgasse
25, 3000 Bern 8,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungs-gerichts des Kantons Bern,
Sozialversicherungs-rechtliche Abteilung, vom 28. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborenen S.________ wurde im Jahre 1998 ein Gehirntumor entfernt. Im
November 2000 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Mit Verfügung vom 23. August 2001 bejahte die IV-Stelle Bern den Anspruch
auf Berufsberatung und Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten.
Mit Verfügungen vom 4. Dezember 2002/6. Mai 2003 sprach sie der Versicherten ab
1. Mai 2002 eine ganze Invalidenrente (Invaliditätsgrad 75 %) zu. Mit
unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 9. Dezember 2005
verneinte sie den Anspruch der Versicherten auf eine Hilflosenentschädigung. Am
2. März 2006 wurde diese wegen eines Rezidivs des Hirntumors erneut operiert.
Mit Schreiben vom 28. April 2006 beantragte sie erneut die Zusprechung einer
Hilflosenentschädigung. Die IV-Stelle zog unter anderem Berichte des Dr. med.
R.________, Spezialarzt für Innere Medizin FMH, vom 16. Juni und 21. Juli 2006
sowie einen Abklärungsbericht Hilflosenentschädigung vom 13. März 2007 bei. Mit
Verfügung vom 23. Mai 2007 verneinte sie den Anspruch auf eine
Hilflosenentschädigung.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern mit Entscheid vom 28. März 2008 ab.

C.
Mit Beschwerde beantragt die Versicherte die Aufhebung des kantonalen
Entscheides und der Verfügung der IV-Stelle vom 23. Mai 2007; es sei ihr
spätestens ab Mai 2006 eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit
leichten Grades zuzusprechen; eventuell sei die Sache zur genaueren Abklärung
der Hilflosigkeit sowie zur Neuverfügung an die IV-Stelle zurückzuweisen.

Die IV-Stelle Bern und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten
auf eine Vernehmlassung, wobei Erstere Abweisung der Beschwerde beantragt.
Erwägungen:

1.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dies ist aufgrund der Vorbringen
in der Beschwerde zu prüfen (in SVR 2008 AlV Nr. 12 S. 35 publ. E. 1.2 und 2.2
des Urteils BGE 133 V 640).

2.
Streitig und zu prüfen ist auf Grund der Beschwerde, ob der Versicherten eine
Hilflosenentschädigung bei leichter Hilflosigkeit zusteht. In diesem Rahmen ist
einzig noch umstritten, ob sie dauernd auf lebenspraktische Begleitung
angewiesen ist.

2.1 Die Vorinstanz hat richtig erkannt, dass die am 1. Januar 2008 in Kraft
getretenen Änderungen des IVG vom 6. Oktober 2006 und der IVV vom 28. September
2007 (5. IV-Revision) nicht anwendbar sind, da die streitige Verfügung vom 23.
Mai 2007 datiert (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220). Bei den nachfolgend zitierten
Normen handelt es sich demnach um die bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassungen.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf eine
Hilflosenentschädigung und dessen Beginn (Art. 9 und 13 ATSG; Art. 42 Abs. 1
und Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 IVG), die Unterscheidung
dreier Hilflosigkeitsgrade (Art. 42 Abs. 2 IVG; Art. 37 IVV) sowie die
lebenspraktische Begleitung (Art. 42 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 37 Abs.
3 lit. e und Art. 38 Abs. 1 IVV; vgl. auch BGE 133 V 450 E. 2.2.1 ff. S. 454 f.
und 11.3 S. 471) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt zu den beim Eintreten auf
eine Neuanmeldung analog zur Rentenrevision anwendbaren Rechtsgrundsätzen (Art.
17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349, 71 E.
3.2.3. 77, 64 E. 5.2 S. 67 ff., 117 V 198). Darauf wird verwiesen.
2.2
2.2.1 Zu ergänzen ist Folgendes: Ist lediglich die psychische Gesundheit
beeinträchtigt, so muss für die Annahme einer Hilflosigkeit im Sinne von Art.
38 IVV gleichzeitig ein Anspruch auf mindestens eine Viertelsrente bestehen
(Art. 38 Abs. 2 IVV). Zu berücksichtigen ist nur diejenige lebenspraktische
Begleitung, die regelmässig und im Zusammenhang mit den in Abs. 1 erwähnten
Situationen erforderlich ist. Nicht darunter fallen insbesondere Vertretungs-
und Verwaltungstätigkeiten im Rahmen vormundschaftlicher Massnahmen nach Art.
398 bis 419 ZGB (Art. 38 Abs. 3 IVV).
2.2.2 Nach der Rechtsprechung umfasst die lebenspraktische Begleitung weder die
(direkte oder indirekte) "Dritthilfe bei den sechs alltäglichen
Lebensverrichtungen" noch die Pflege oder Überwachung (vgl. Art. 37 Abs. 1,
Abs. 2 und Abs. 3 lit. a-c IVV). Vielmehr stellt sie ein zusätzliches und
eigenständiges Institut der Hilfe dar (BGE 133 V 450; 133 V 472; vgl. auch SVR
2008 IV Nr. 26 S. 79 E. 5.2 [I 317/06]). Die lebenspraktische Begleitung ist
dabei nicht auf Menschen mit psychischen oder geistigen Behinderungen
beschränkt; auch körperlich Behinderte können grundsätzlich lebenspraktische
Begleitung beanspruchen (SVR 2008 IV Nr. 26 S. 79). Die vom BSV vorgenommene
Konkretisierung der Anwendungsfälle der lebenspraktischen Begleitung in den
Rzn. 8050-8052 des Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit in der
Invalidenversicherung [KSIH] in der bis Ende 2007 gültig gewesenen, hier
anwendbaren Fassung) ist grundsätzlich sachlich gerechtfertigt und damit
gesetzes- und verordnungskonform (BGE 133 V 450 E. 9 f. S. 466 f. [insbes. auch
betreffend direkte oder indirekte Hilfe bei Haushaltsarbeiten]; SVR 2008 IV Nr.
27 S. 83 [I 733/05], IV Nr. 17 S. 49 [I 677/05]). Dasselbe gilt bezüglich Rz.
8053 KSIH, derzufolge die lebenspraktische Begleitung im Sinne von Art. 38 Abs.
3 Satz 1 IVV "regelmässig" ist, wenn sie über eine Periode von drei Monaten
gerechnet im Durchschnitt mindestens zwei Stunden pro Woche benötigt wird (BGE
133 V 450 E. 6.2 S. 461 f. und E. 9 S. 466; SVR 2008 IV Nr. 27 S. 83 E. 5.3.1,
IV Nr. 17 S. 52 E. 4.2.1; Urteil 9C_18/2008 vom 19. Dezember 2008, E. 2.3).

3.
Frei überprüfbare Rechtsfrage ist die richtige Auslegung und Anwendung des
Rechtsbegriffs der Hilflosigkeit und dabei namentlich die Frage, welche
Tatbestandselemente erfüllt sein müssen, damit ein Bedarf an lebenspraktischer
Begleitung zu bejahen ist (vgl. auch Urteil 8C_562/2008 vom 1. Dezember 2008,
E. 3 mit Hinweisen). Rechtsfrage ist weiter u.a. die Beachtung der
bundesrechtlichen Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Berichte und
Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232 mit Hinweisen) sowie eines
Abklärungsberichts an Ort und Stelle (Art. 69 Abs. 2 IVV; BGE 133 V 450 E.
11.1.1 f. S. 468 f. mit Hinweisen), des Untersuchungsgrundsatzes und der
Pflicht zu inhaltsbezogener, umfassender, sorgfältiger und objektiver
Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) sowie der
Regeln über die antizipierte Beweiswürdigung (SVR 2001 IV Nr. 10 S. 27 E. 4 [I
362/99]; Urteil 9C_58/2008 vom 29. Oktober 2008, E. 3.2). Die auf einen
rechtsgenüglichen Abklärungsbericht an Ort und Stelle gestützten Feststellungen
einer gerichtlichen Vorinstanz über Einschränkungen in bestimmten
Lebensverrichtungen sind - analog zu den medizinischen Angaben über
gesundheitliche Beeinträchtigungen bzw. über das noch vorhandene funktionelle
Leistungsvermögen oder über Einschränkungen im Haushalt -
Sachverhaltsfeststellungen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398 f.; Urteil 8C_674/2007
vom 6. März 2008, E. 5). Die Ergebnisse der Beweiswürdigung im Allgemeinen sind
ebenfalls tatsächlicher Natur (erwähntes Urteil 9C_58/2008, E. 3.2).

4.
4.1
4.1.1 Dr. med. R.________ stellte im Bericht zu Handen der Helsana-advocare vom
16. Juni 2006 folgende Diagnosen: Operation eines Rezidiv-Meningeoms
parafalxial (Erstoperation 1998, neuropsychologische Defizite:
Hirnleistungsschwäche [Konzentration, Aufmerksamkeit, exekutive Funktion],
Persönlichkeitsveränderungen [Frontalhirnschädigung]: Störungen im Sozial- und
Kommunikationsverhalten). Auf Grund der in der Diagnoseliste erwähnten
Problematik sei die Versicherte den alltagspraktischen Anforderungen nicht
gewachsen. Sie sei auf regelmässige Hilfe angewiesen (Mahlzeitendienst und
regelmässiges Putzen durch die Spitex, Unterstützung durch die Sozialarbeiterin
sowie durch eine Beraterin der Krebshilfe). Insgesamt liege eine Hilflosigkeit
leichten Grades vor.
4.1.2 Im Bericht zu Handen der IV-Stelle vom 21. Juli 2006 bestätigte Dr. med.
R.________ seine Diagnose vom 16. Juni 2006, wobei die zweite Operation am 2.
März 2006 erfolgt sei. Weiter führte er aus, die Versicherte klage über eine
verminderte physische und psychische Leistungsfähigkeit; sie ermüde sehr rasch,
habe wenig Kraft und Energie, könne sich nicht konzentrieren, sei auch in den
Alltagstätigkeiten rasch überfordert. Es falle eine ängstlich-depressive
Verstimmung auf; die Versicherte wirke erschöpft, unkonzentriert; das Denken
kreise um die durchgemachten Operationen. Die psychiatrische Begleitung werde
von Frau Dr. C.________ durchgeführt; es erfolge analgetische Behandlung bei
Kopfschmerzen und Unterstützung in der Alltagsbewältigung. Die Versicherte sei
bei der Pflege gesellschaftlicher Kontakte regelmässig in erheblicher Weise auf
die Hilfe Dritter angewiesen. Zudem brauche sie Hilfe in administrativen
Belangen.
4.2
4.2.1 Im Abklärungsbericht Hilflosenentschädigung vom 13. März 2007 - der
gestützt auf ein Gespräch mit der Versicherten in den Räumlichkeiten der
IV-Stelle vom 6. März 2007 erstellt wurde - führte die Abklärungsperson Frau
T.________ aus, Frau C.________ sei ihre Psychiaterin. Die Versicherte
versuche, sich mit der Bürokratie durchzuschlagen. Lesen strenge sie an,
wodurch sie Kopfweh bekomme. Sie habe Ängste gehabt, Treppen zu überwinden,
Lifte zu benutzen oder in den Wald zu gehen. Es habe ihr niemand geholfen, sie
habe sich "durchgewurstelt". Sie müsse betteln, dass ihr jemand vom
Bekanntenkreis helfe, da die meisten arbeiten müssten. Sie habe sich nun besser
im Griff, raste nicht mehr gleich aus. Wenn sie viel zu tun habe, fange sie an
zu stottern oder es werde ihr schlecht. Sie habe ein Durcheinander im Kopf. Sie
zittere auch beim Schreiben. Wenn sie überlastet sei, könne sie sich an nichts
erinnern. Wenn Aussergewöhnliches passiere, vergesse sie alles. Sie könne etwas
versorgen und finde es dann nicht mehr. Es schalte nicht mehr, sie steigere
sich dann in etwas hinein. In der Rubrik "Fortbewegung/Pflege
gesellschaftlicher Kontakte" führte die Abklärungsperson aus, die Versicherte
brauche vor allem im administrativen Bereich Hilfe; sie habe niemanden, der ihr
beim Schriftlichen helfe; sie sollte den Kopf frei bekommen, damit sie die
Ereignisse seit der ersten Operation aufarbeiten könne; ausser den Kindern habe
sie ihre ganze Familie verloren. Eine Hilfsbedürftigkeit im Bereich der
lebenspraktischen Begleitung (Hilfeleistungen, ohne die das selbstständige
Wohnen nicht möglich wäre; Begleitung durch Dritte bei ausserhäuslichen
Verrichtungen und Kontakten; regelmässige Anwesenheit einer Drittperson zur
Verhinderung einer dauernden Isolation von der Aussenwelt) verneinte die
Abklärungsperson.
4.2.2 In der Stellungnahme vom 15. Mai 2007 führte der IV-Abklärungsdienst aus,
die Versicherte sei auf Grund ihrer Krankheit im Alltag und teilweise in den
Lebensverrichtungen eingeschränkt. Eine gelegentliche Vernachlässigung der
Körperpflege und Tage, an denen sie wie gelähmt sei und auch die einfachsten
Alltags- und Haushaltsaufgaben nicht mehr auszuführen vermöge, erfüllten jedoch
das notwendige Kriterium der Regelmässigkeit nicht. Die Schwierigkeiten im
Alltag liessen sich nicht auf Anfälle im Sinne von Rz. 8025 KSIH übertragen.
Eine blosse Erschwerung oder Verlangsamung bei der Vornahme von
Lebensverrichtungen begründe keine Hilflosigkeit; es sei auf den tatsächlichen
Bedarf an lebenspraktischer Begleitung abzustellen. Auf die Beurteilung des Dr.
med. R.________ vom 21. Juli 2006 könne demnach nicht abgestellt werden. Die
Versicherte sei in administrativen Belangen überfordert; diese Tatsache sowie
vormund- und beistandschaftliche Massnahmen nach Art. 398-419 ZGB begründeten
keinen Anspruch auf lebenspraktische Begleitung.

5.
5.1 Erstellt ist, dass sich die gesundheitliche Situation der Versicherten im
Vergleich zur leistungsablehnenden Verfügung betreffend Hilflosenentschädigung
vom 9. Dezember 2005 verschlechtert hat, da sie am 2. März 2006 erneut operiert
werden musste (E. 4.1 hievor). Streitig und zu prüfen ist, ob bis zum
massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses am 23. Mai 2007 (E. 2.1 hievor)
ein Anspruch auf Hilfslosenentschädigung entstanden ist.

5.2 Die Vorinstanz hat unter anderem erwogen, die Versicherte erhalte keine
Hilfeleistungen von Dritten mehr. Die nach der zweiten Operation vom März 2006
erbrachten Hilfeleistungen (Mahlzeitendienst und Putzen durch die Spitex,
Unterstützung durch die Sozialarbeiterin und durch eine Beraterin der
Krebshilfe) seien nur vorübergehend erforderlich gewesen. Dem ist - wie die
Versicherte zu Recht vorbringt - entgegenzuhalten, dass die
Hilflosenentschädigung eine Geldleistung ist, welche nach Massgabe der im
konkreten Fall bestehenden objektiven Hilfs- und Überwachungsbedürftigkeit
bemessen, jedoch unabhängig von den effektiv entstehenden Kosten und der
tatsächlichen Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter ausgerichtet wird.
Die Leistung wird dem Anspruchsberechtigten ausbezahlt und steht diesem
grundsätzlich zur freien Verfügung (BGE 125 V 297 E. 5a S. 304; Urteil 8C_674/
2008 vom 6. März 2008, E. 4). Hievon abgesehen macht die Versicherte - wie
schon vorinstanzlich - geltend, ihre finanziellen Mittel reichten für die
Inanspruchnahme der notwendigen Dienstleistungen Dritter nicht aus. Zudem habe
sie auf Grund ihrer Defizite im Sozial- und Kommunikationsverhalten keine
Bezugsperson und habe sich deswegen auch mit den Gemeindebehörden überworfen.
Sie sei finanziell auf eine Hilflosenentschädigung angewiesen, damit sie eine
Person ihres Vertrauens anstellen könne.

6.
6.1 Gemäss den Berichten des Dr. med. R.________ vom 16. Juni und 21. Juli 2006
ist die Versicherte - wie sie geltend macht - in den alltagspraktischen und
administrativen Belangen hilfsbedürftig (E. 4.1 hievor). Eine
Hilfsbedürftigkeit im administrativen Bereich wird auch im Abklärungsbericht
Hilflosenentschädigung vom 13. März 2007 und in der Stellungnahme des
IV-Abklärungsdienstes vom 15. Mai 2007 angegeben. In der Letzteren wird zudem
angeführt, die Versicherte vernachlässige gelegentlich die Körperpflege und es
gebe Tage, an denen sie wie gelähmt sei und die einfachsten Alltags- und
Haushaltsaufgaben nicht mehr auszuführen vermöge (E. 4.2 hievor). Weiter bringt
die Versicherte vor, sie habe Sozial- sowie Kommunikationsprobleme, leide an
einer enormen zusätzlichen psychischen Belastung und drohe zu vereinsamen. Laut
Dr. med. R.________ fällt bei ihr eine ängstlich-depressive Verstimmung auf; er
bejahte die regelmässige und erhebliche Hilfsbedürftigkeit der Versicherten bei
der Pflege gesellschaftlicher Kontakte (E. 4.1.2 hievor). In diesem Lichte
kommen alle Tatbestände der lebenspraktischen Begleitung in Frage (vgl. Art. 38
Abs. 1 IVV; E. 2.2.2 hievor und Rz. 8050-8052 KSIH). Die bisherigen Abklärungen
zum Ausmass der Hilfsbedürftigkeit sind indessen nicht rechtsgenüglich.

Festzuhalten ist, dass das Beiblatt der IV-Stelle vom 29. Juni 2006, worauf Dr.
med. R.________ seine Angaben vom 21. Juli 2006 machte, ausdrücklich nur Fragen
betreffend die sechs alltäglichen Lebensverrichtungen, die dauernde Pflege und
die persönliche Überwachung, aber keine Fragen zum Tatbestand der
lebenspraktischen Begleitung enthält (vgl. E. 2.2.2 hievor). Soweit Dr. med.
R.________ mithin die im Beiblatt enthaltene Rubrik "Pflege gesellschaftlicher
Kontakte" ohne weitere Begründung lediglich durch Ankreuzen bejahte, ist dies
im Hinblick auf die Beurteilung des Anspruchs auf lebenspraktische Begleitung
nicht hinreichend; Gleiches gilt für seine blosse Zusatz-Angabe, die
Versicherte "braucht Hilfe in administrativen Belangen" (vgl. Rz. 8050-8052
KSIH). Auf seinen Bericht vom 16. Juni 2006 kann für sich allein ebenfalls
nicht abgestellt werden. Denn zu beachten ist weiter, dass die Versicherte auch
von der Psychiaterin Frau Dr. med. C.________ betreut wurde (E. 4.1.2 und 4.2.1
hievor). Dr. med. R.________ fehlt in psychiatrischer Hinsicht die
Fachkompetenz. Eine psychiatrische Abklärung hat die IV-Stelle indessen nicht
durchgeführt. Ihr Vorgehen genügt mithin nicht der Anforderung, wonach eine
Rückfrage bei der medizinischen Fachperson notwendig ist (vgl. BGE 133 V 450 E.
11.1.1 S. 468; Urteil 8C_321/2007 vom 6. Mai 2008, E. 6.1.1 und 6.3).

Unbestritten ist, dass die Abklärung vom 6. März 2007 (E. 4.2.1 hievor) nicht
an Ort und Stelle bzw. bei der Versicherten zu Hause, sondern in den Räumen der
IV-Stelle durchgeführt wurde; dies bemängelt Erstere zu Recht. Zu beanstanden
ist auch, dass der entsprechende Abklärungsbericht vom 13. März 2007 nicht vom
regionalen ärztlichen Dienst (RAD) visiert wurde und keine Berichte der
spezialisierten Dienste, welche sich bereits mit der Versicherten befasst
haben, eingeholt wurden (E. 4.1.1 und 5.2 hievor; vgl. Rz. 8144 KSIH; AHI 2003
S. 329; BGE 133 V 450 E. 11.1.2 und 11.3 S. 469 ff.). In diesen Punkten ist die
Abklärung der IV-Stelle ebenfalls nicht rechtskonform.

6.2 Insgesamt wendet die Versicherte zu Recht ein, dass IV-Stelle und
Vorinstanz den Untersuchungsrundsatz als eine wesentliche Verfahrensvorschrift
missachtet haben (E. 3 hievor; vgl. auch Urteil 8C_559/2008 vom 15. Dezember
2008, E. 1.2). Demnach ist die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie
einen ergänzenden Bericht des Dr. med. R.________ einholt. Zudem hat sie einen
Bericht der behandelnden Psychiaterin Frau Dr. med. C.________ beizuziehen, die
anzugeben hat, ob und bejahendenfalls in welchem Ausmass die Versicherte im
Hinblick auf die Frage der lebenspraktischen Begleitung in ihren psychischen
oder geistigen Funktionen eingeschränkt ist. Weiter hat die IV-Stelle Berichte
der spezialisierten Dienste, welche sich bereits mit der Versicherten befasst
haben, einzuholen. Zudem ist eine Abklärung bei der Versicherten zu Hause
durchzuführen; die Angaben des entsprechenden Abklärungsberichts sind vom RAD
zu visieren. Erforderlichenfalls ist eine weitere medizinische Abklärung
vorzunehmen. Danach wird die IV-Stelle über die Hilflosenentschädigung neu
befinden und zum Beginn eines allfälligen Leistungsanspruchs Stellung nehmen
(vgl. Art. 42 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 IVG; vgl. auch BGE
133 V 450 E. 11.3 S. 470 f.; SVR 2008 IV Nr. 27 S. 83 E. 7.2.3). Die
Versicherte verlangt die Zusprechung der Hilflosenentschädigung ab Mai 2006;
ihr Anspruch bestehe ab Kenntnis der fehlerhaften Leistungsablehnung, d.h. ab
der erneuten Gesuchseinreichung vom 28. April 2006. Sie beruft sich
diesbezüglich auf Art. 53 ATSG sowie Art. 77 AHVV in Verbindung mit Art. 85
Abs. 1 IVV (hiezu vgl. BGE 129 V 433 ff.). Auch zu diesem Punkt wird die
IV-Stelle Stellung zu nehmen haben, falls der Anspruch auf
Hilflosenentschädigung zu bejahen ist.

7.
Die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu erneuter Abklärung (mit noch
offenem Ausgang) gilt als volles Obsiegen der Versicherten im Sinne von Art. 66
Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG (BGE 132 V 215 E. 6.1 S. 235; Urteil
8C_671/2007 vom 13. Juni 2008, E. 4.1). Demnach hat die IV-Stelle die
Gerichtskosten zu tragen und der Versicherten eine Parteientschädigung zu
entrichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 28. März 2008 und die Verfügung der
IV-Stelle Bern vom 23. Mai 2007 werden aufgehoben. Die Sache wird an die
IV-Stelle Bern zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der
Erwägungen, über den Anspruch auf Hilflosenentschädigung neu verfüge. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle Bern auferlegt.

3.
Die IV-Stelle Bern hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Januar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Jancar