Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.362/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_362/2008

Urteil vom 17. November 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Widmer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Polla.

Parteien
J.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Kristina Herenda,
Löwenstrasse 21, Postfach 130, 8953 Dietikon,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 14. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1961 geborene, zuletzt von 1996 bis Februar 2004 als Verkäuferin und
Kassiererin bei der Firma X.________ tätig gewesene J.________ meldete sich am
21. April 2004 unter Hinweis auf eine Fibromyalgie, Rheuma und Rückenschmerzen
bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf die
medizinischen und beruflichen Abklärungen bejahte die IV-Stelle Zürich mit
Verfügung vom 23. November 2006 den Anspruch auf eine ab 1. Juni bis 31.
Dezember 2004 befristete Viertelsrente. Über diesen Zeitpunkt hinaus verneinte
sie einen Rentenanspruch.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 14. März 2008).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt J.________
beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vom 14. März 2008 sei
ihr rückwirkend auf den 1. Juni 2004 eine ganze Rente der Invaldenversicherung
zuzusprechen; eventualiter sei der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
vom 14. März 2008 aufzuheben und es sei ihr rückwirkend ab 1. Juni 2004 eine
Teilinvalidenrente zuzusprechen. Im Übrigen wird die unentgeltliche
Rechtspflege beantragt.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Verfügung vom 20. August 2008 wies das Schweizerische Bundesgericht das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde
ab.
Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführerin ab 1. Juni 2004 eine
höhere als eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zusteht und ob über
Ende 2004 hinaus ein Rentenanspruch besteht.
Vorinstanz und IV-Stelle haben die gesetzlichen Bestimmungen und von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über den Umfang
des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2007 gültig gewesenen
Fassung), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten
nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG [in
der bis Ende bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung] und Art. 16 ATSG; BGE 130
V 343 E. 3.4 S. 348; 128 V 29 E. 1 S. 30; 104 V 135 E. 2a und b S. 136) sowie
zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE
125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis), richtig dargelegt. Richtig ist auch, dass
bei rückwirkender Zusprechung einer abgestuften oder befristeten Invalidenrente
die für die Rentenrevision geltenden Bestimmungen analog anzuwenden sind (Art.
17 ATSG; BGE 131 V 164 E. 2.2 S. 165). Hierauf wird verwiesen.

3.
3.1 Aufgrund der vorinstanzlich vollständig dargelegten medizinischen Aktenlage
steht fest, dass mit Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit zum einen ein
krankheitswertiges psychisches Leiden als Ursache einer leistungsbegründenden
Invalidität in Betracht fällt und im somatischen Bereich ein ubiquitäres
Schmerzsyndrom (ohne einem rheumatischen Krankheitsbild zu entsprechen) mit
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit besteht. Zum Gesundheitszustand hat die
Vorinstanz weiter ausgeführt, die Beschwerdeführerin leide an einer
fachärztlich (im Rahmen eines anerkannten Klassifikationssystems)
diagnostizierten, rezidivierenden depressiven Störung. Für die IV-rechtliche
Leistungsprüfung nicht von entscheidender Bedeutung sei sodann die exakte
diagnostische Einordnung der Schmerzproblematik als anhaltende somatoforme
Schmerzstörung oder als Fibromyalgie (so Berichte des Dr. med. V.________, FMH
prakt. Medizin, vom 5. Mai 2004, des Universitätsspitals Y.________,
Rheumaklinik und Institut für Physikalische Medizin, vom 28. August 2003, der
Frau Dr. med. R.________, FMH Physikalische Medizin, vom 7. Juni 2004 und des
Dr. med. F.________, Spezialarzt Psychiatrie, vom 4. September 2004).

3.2 Hinsichtlich der Auswirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigungen auf die
erwerblich verwertbare Arbeitsfähigkeit hat das kantonale Gericht dem Gutachten
des Zentrums W.________, vom 11. April 2006 vollen Beweiswert beigemessen und
gestützt darauf - in Übereinstimmung mit der Verwaltung - festgestellt, die
Ausübung der angestammten Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin sei der
Versicherten ab Juni 2003 bis Dezember 2004 im Ausmass von 60 % zumutbar
gewesen und ab Januar 2005 sei aufgrund eines verbesserten psychischen
Gesundheitszustands in der bisherigen Tätigkeit von einer 70%-igen
Arbeitsfähigkeit auszugehen.
3.2.1 Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die vorinstanzliche
Tatsachenfeststellung (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398) einer erwerblich
verwertbaren Restarbeitsfähigkeit von 60 bzw. 70 % sei offensichtlich unrichtig
und in willkürlicher, einseitiger Beweiswürdigung ergangen (zu den Grundsätze
der freien Beweiswürdigung: Art. 61 lit. c ATSG; BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400),
ist die Beschwerde unbegründet. Das kantonale Gericht hat unter
Berücksichtigung der rechtserheblichen medizinischen Aktenlage und in
rechtsgenüglicher Auseinandersetzung mit den Vorbringen der Versicherten
pflichtgemäss (vgl. BGE 132 V 393 E. 2.1 S. 396) die Gründe angegeben, weshalb
es das Gutachten des Zentrums W.________ vom 11. April 2006 als beweiskräftig
erachtet und hinsichtlich der Frage der Restarbeitsfähigkeit darauf abgestellt
hat sowie dargelegt, weshalb die abweichenden fachärztlichen Einschätzungen die
Schlussfolgerungen der Gutachter des Zentrums W.________ nicht ernsthaft in
Zweifel zu ziehen vermögen. Angesichts der beweisrechtlich bedeutsamen
Verschiedenheit von Behandlungs-/Therapieauftrag einerseits und
Begutachtungsauftrag andererseits (vgl. BGE 124 I 170 E. 4 S. 175; s. auch
Urteile 8C_286/2007 vom 3. Januar 2008, E. 4; I 844/06 vom 24. September 2007,
E. 2.3.2; I 828/06 vom 5. September 2007, E. 4.3; I 701/05 vom 5. Januar 2007,
E. 2 in fine, mit zahlreichen Hinweisen) nicht stichhaltig ist namentlich der
letztinstanzlich erneut vorgebrachte Einwand der Versicherten, die
Feststellungen des kantonalen Gerichts stünden in (unlösbarem) Widerspruch zu
den Berichten der behandelnden Ärzte (Berichte der Dres. med. V.________ vom 5.
Mai 2004 und 9. August 2006, F.________ vom 4. September 2004 sowie R.________
vom 7. Juni 2004 und 14. August 2006). Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern
die Vorinstanz ihre aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches
Gehör fliessende Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt haben soll,
hat sie sich doch - wie bereits ausgeführt - eingehend mit allen vorliegenden
medizinischen Akten auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb sie sich
hinsichtlich Einschätzung der verbliebenen Arbeitsfähigkeit auf die Expertise
des Zentrums W.________ vom 11. April 2006 stützte und die von den behandelnden
Ärzten Dres. med. R.________ und F.________ attestierte 100%-ige
Arbeitsunfähigkeit in der bisher ausgeübten Tätigkeit als Verkäuferin/
Kassiererin als nicht nachvollziehbar und überzeugend erachtet hat.
3.2.2 Wenn die Beschwerdeführerin schliesslich aus der von den behandelnden
Ärzten diagnostizierten Fibromyalgie eine weitergehende Leistungseinschränkung
als die vorinstanzlich festgestellte 60 und 70%-ige Arbeitsfähigkeit ableiten
will, verkennt sie, wie bereits das kantonale Gericht ausführte, dass nach der
Rechtsprechung die somatoformen Schmerzstörungen wie auch die - in ihrer
Symptomatik verwandten (vgl. im einzelnen BGE 132 V 65 E. 3 und 4 S. 67 ff.) -
Fibromyalgien und sonstige vergleichbare, pathogenetisch (ätiologisch) unklare
syndromale Zustände allein grundsätzlich keine invalidisierende
Arbeitsunfähigkeit im Rechtssinne zu begründen vermögen. Praxisgemäss gilt nur
dann - ausnahmsweise - etwas Abweichendes, wenn eine psychische Komorbidität
von erheblicher Schwere, Ausprägung und Dauer vorliegt und/oder zusätzliche
Beeinträchtigungen/Umstände gegeben sind, welche eine adäquate
Schmerzbewältigung objektiv konstant und intensiv behindern und - aus
rechtlicher Sicht (Urteil I 683/06 vom 29. August 2007, E. 2.2) - gesamthaft
den Schluss auf eine nicht mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbare
Schmerzstörung und somit auf eine invalidisierende Gesundheitsschädigung
gestatten (s. im Einzelnen: BGE 132 V 65 E. 4 S. 70 ff.; 131 V 49 E. 1.2 S. 50
f.; 130 V 352 ff. und 396 ff.). Im Lichte dieser Rechtsprechung ist den die
ubiquitären Schmerzen begleitenden, krankheitswertigen psychischen
Beeinträchtigungen im Sinne der diagnostizierten rezidivierenden depressiven
Episoden leichten und mittleren Grades mit der vorinstanzlichen Feststellung
einer bloss 60 bzw. 70%-igen Restarbeitsfähigkeit (gemäss Gutachten des
Zentrums W.________) jedenfalls hinreichend Rechnung getragen und nicht zu
beanstanden.
3.2.3 Hält die vorinstanzliche Feststellung einer im Zeitraum von Juni 2003 bis
Dezember 2004 bestehenden 60%-igen und ab Januar 2005 geschätzten
Restarbeitsfähigkeit im Umfang von 70 % unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs.
2 BGG stand, gibt auch der im kantonalen Entscheid für die Zeit von Juni bis
Dezember 2004 festgestellte Invaliditätsgrad von 40 % und ab 1. Januar 2005
ermittelte Invaliditätsgrad von 30 % nach Lage der Akten und den
Parteivorbringen zu keinen Korrekturen Anlass. Damit hat es beim kantonalen
Gerichtsentscheid sein Bewenden.

4.
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse Promea und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. November 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

i.V. Leuzinger Polla