Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.357/2008
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

8C_357/2008
{T 0/2}

Urteil vom 8. Januar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

Parteien
R.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Thomas Biedermann, Wiesenstrasse
1, 4902 Langenthal,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 25. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1957 geborene R.________ hat nach der Gipserlehre als Gerüstmonteur/Gipser
und später als Gerüstmonteur gearbeitet, zuletzt ab 12. August 2002 in der
Firma X.________ GmbH. Am 17. Februar 2004 sprach die Arbeitgeberin die
Kündigung auf den 30. April 2004 aus. Im Juni 2004 meldete sich R.________
unter Hinweis auf unfall- und krankheitsbedingte gesundheitliche Beschwerden
bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern holte
Arbeitgeber- und Arztberichte sowie einen Auszug aus dem individuellen Konto
ein und zog die Akten des Unfallversicherers bei. Sie gewährte sodann
Berufsberatung und veranlasste eine dreimonatige berufliche Abklärung in der
Eingliederungsstätte Y.________. Mit Verfügung vom 23. März 2006 verneinte die
IV-Stelle einen Anspruch auf eine Invalidenrente mangels eines genügenden
Invaliditätsgrades. Daran hielt sie auf Einsprache des Versicherten hin fest
(Einspracheentscheid vom 22. September 2006).

B.
Die von R.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 25. März 2008 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt R.________
beantragen, es sei der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben und der
Invaliditätsgrad auf 43 % festzusetzen.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten je auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist auf Grund der Vorbringen in
der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale
Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und
beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale
verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a-c BGG), einschliesslich
einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1,
Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des BGG eine freie
Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids in tatsächlicher Hinsicht zu
unterbleiben, ausser wenn sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die
Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder
Unfallversicherung richtet (Art. 97 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente.

Im angefochtenen Entscheid sind die Bestimmungen über die Begriffe
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und Invalidität (Art. 8 ATSG), über die
Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten mittels
Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG) sowie über die Voraussetzungen und den
Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in den bis Ende 2003 sowie von
Anfang 2004 bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassungen) zutreffend dargelegt.
Gleiches gilt für die Rechtsprechung über die Aufgabe des Arztes bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 132 V 93 E. 4 S. 99 f.; 125 V 256 E. 4 S. 261, je
mit Hinweisen) und über die Anforderungen an beweiskräftige ärztliche Berichte
und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis; vgl. auch BGE 134 V 231
E. 5.1 S. 232). Richtig ist auch, dass die mit der 5. IV-Revision auf den 1.
Januar 2008 erfolgten Rechtsänderungen intertemporalrechtlich nicht anwendbar
sind. Auf die entsprechenden Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid wird
verwiesen.

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat folgenden Einkommensvergleich für das
Vergleichsjahr 2005 vorgenommen:

Das mutmassliche Einkommen ohne Gesundheitsschädigung (Valideneinkommen) setzte
es gestützt auf die Angaben der Arbeitgeberin für das Jahr 2004 und unter
Berücksichtigung der statistischen Lohnentwicklung aufs Jahr 2005 auf Fr.
66'293.- fest.

Bei der Bestimmung des trotz invalidisierender Gesundheitsschädigung
zumutbarerweise noch erzielbaren Einkommens (Invalideneinkommen) erwog die
Vorinstanz, es sei entgegen der vom Versicherten vertretenen Auffassung nicht
auf das als Chauffeur bei der Eingliederungsstätte Y.________ erzielten
Einkommens abzustellen. Vielmehr seien Tabellenlöhne gemäss der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung (LSE) heranzuziehen. Das kantonale Gericht ging hiebei vom
monatlichen Bruttolohn (Zentralwert bei einer standardisierten Arbeitszeit von
40 Wochenstunden) der mit einfachen und repetitiven Tätigkeiten
(Anforderungsniveau 4) im gesamten privaten Sektor beschäftigten Männer im Jahr
2004 von Fr. 4588.- (gemäss LSE 2004 Tabelle TA1 S. 53) aus, den es der
betriebsüblichen Wochenarbeitszeit von 41.6 Stunden (gemäss Die
Volkswirtschaft, Heft 12/2006, Tabelle B.9.2 S. 82) und der
Nominallohnentwicklung bei Männern aufs Jahr 2005 von 0.9 % (gemäss
Lohnentwicklung 2006 Tabelle T1.1.93 S. 30) anpasste. Den auf ein Jahr (x 12)
resultierenden Lohn von Fr. 57'774.- rechnete das Gericht nach Massgabe eines
zumutbaren Arbeitspensums von 90 % um und nahm von den sich ergebenden Fr.
51'996.- einen leidensbedingten Abzug von 15 % vor. Dies führt zu einem
Invalideneinkommen von Fr. 44'197.- und in Gegenüberstellung mit dem
Valideneinkommen von Fr. 66'293.- zu einem Invaliditätsgrad, der mit gerundet
33 % unter den für einen Rentenanspruch mindestens erforderlichen 40 % (Art. 28
Abs. 1 in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung) liegt.

3.2 In der Beschwerde wird eingewendet, das kantonale Gericht habe nicht
begründet, weshalb es im Bereich der leichten Tätigkeiten von einer
Arbeitsfähigkeit von 90 % ausgehe. Es treffe denn auch nicht zu, dass jede
leichte Arbeit in gleichem Umfang ausgeübt werden könne Die berufliche
Abklärung habe eine Leistungsfähigkeit im Bereich der Montage von 70 % sowie im
Bereich Transport und Logistik von 40 % ergeben; als Chauffeur sei eine
Steigerung bis auf 80 %, allenfalls sogar bis auf 100 % denkbar, sofern der
Arbeitgeber gewisse Einschränkungen akzeptiere. Aufgrund der gesundheitlichen
Einschränkungen könne der Versicherte aber auf dem freien Markt keine Stelle
finden, welche entsprechend einem statistischen Tabellenlohn entlöhnt würde.
Die geeignetste Tätigkeit sei die eines Chauffeurs im Bereich Kleintransport.
Der bei der Ausübung dieser Tätigkeit bei der Eingliederungsstätte Y.________
erzielte Lohn von Fr. 38'098.50 im Jahr entspreche exakt dem Leistungsvermögen
des Beschwerdeführers und sei daher als Invalideneinkommen anzurechnen. Der
Vergleich mit dem Valideneinkommen von Fr. 66'293.- ergebe einen
rentenbegründenden Invaliditätsgrad von 43 %. Sollte dieser Betrachtungsweise
nicht gefolgt werden, könnte der Rentenanspruch nicht ohne ergänzende
medizinische Abklärungen beurteilt werden.

3.3 Umstritten ist mithin das Invalideneinkommen und hiebei zunächst die Frage,
ob auf den bei der Eingliederungsstätte Y.________ erzielten Lohn oder auf
Tabellenlöhne abzustellen ist. Ist von letzterem auszugehen, gilt es die
Einwände betreffend Art und Pensum des noch zumutbaren Arbeitseinsatzes zu
prüfen.
3.3.1 Nach Art. 16 ATSG ist beim Einkommensvergleich als Invalideneinkommen
dasjenige Erwerbseinkommen einzusetzen, welches der Versicherte nach Eintritt
der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und
allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei
ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte. Wie das Bundesgericht
wiederholt betont hat, bildet der von invaliden Versicherten tatsächlich
erzielte Verdienst für sich allein betrachtet grundsätzlich kein genügendes
Kriterium für die Bestimmung der Erwerbsunfähigkeit, das heisst des
Invaliditätsgrades. Das Mass der tatsächlichen Erwerbseinbusse stimmt mit dem
Umfang der Invalidität vielmehr nur dann überein, wenn - kumulativ - besonders
stabile Arbeitsverhältnisse eine Bezugnahme auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
praktisch erübrigen, wenn die versicherte Person eine Tätigkeit ausübt, bei der
anzunehmen ist, dass sie die ihr verbliebene Arbeitsfähigkeit in zumutbarer
Weise voll ausschöpft, und wenn das Einkommen aus der Arbeitsleistung als
angemessen und nicht als Soziallohn erscheint (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475;
117 V 8 S. 18 mit Hinweisen).

In dem am 22. Juni 2006 mit der Eingliederungsstätte Y.________ abgeschlossenen
Arbeitsvertrag wird die Tätigkeit des Beschwerdeführers mit Chauffeur
angegeben. Der Vertrag ist aber ausdrücklich auf die drei Monate Juni bis
August 2006 befristet. Es wird weder geltend gemacht noch belegt, dass er
verlängert oder erneuert worden wäre. Zudem erfolgte der Einsatz des
Versicherten gemäss vertraglicher Regelung nicht mit einem fixen Pensum,
sondern auf Abruf. Gemäss den aufgelegten Abrechnungen war der erzielte Lohn
denn auch von Monat zu Monat sehr unterschiedlich. Von besonders stabilen
Arbeitsverhältnissen kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Es ist daher
nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht nicht auf den erzielten Lohn
abgestellt hat. Da keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, welche die
Restarbeitsfähigkeit im zumutbaren Rahmen ausschöpft, hat es richtigerweise
Tabellenlöhne verwendet (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475; 126 V 75 E. 3b/bb S. 76
f. mit Hinweisen).
Bezüglich des zumutbaren Arbeitseinsatzes ergibt sich Folgendes:

Der Versicherte hat sich bereits vorinstanzlich auf die gemäss beruflicher
Abklärung gegebene Restarbeitsfähigkeit in den Bereichen Montage (70 %),
Transport und Logistik (40 %) sowie Chauffeur (bei angepasster Tätigkeit 80 -
100 %; vgl. E. 3.2 hievor) berufen. Das kantonale Gericht hat sich damit
auseinandergesetzt und erwogen, zwar habe sich bei der beruflichen Abklärung
eine Tätigkeit im Bereich Kleintransport mit Kleinlasten, für welchen eine
Arbeitsfähigkeit von 80 - 100 % bestätigt wurde, als am besten geeignet
erwiesen. Die Einsatzmöglichkeiten in diesem Umfang seien indessen nicht auf
die Tätigkeit eines Chauffeurs beschränkt, auch wenn eine solche offenbar den
Neigungen des Versicherten am ehesten entspreche. Das massgebende
Zumutbarkeitsprofil, für welches medizinische und berufliche Aspekte zu
berücksichtigen seien, lasse eine Palette an geeigneten Tätigkeiten offen. Es
sei daher auch nicht zu beanstanden, wenn die Verwaltung bei den Tabellenlöhnen
die bereichsübergreifenden Werte im gesamten privaten Sektor und nicht die
Löhne in einem spezifischen Tätigkeitsbereich verwendet habe. Ein
Rentenanspruch ergebe sich im Übrigen selbst dann nicht, wenn die Tabellenlöhne
im Transportgewerbe herangezogen würden. Denn diese seien höher als der
Totalwert, womit sich sogar ein niedrigerer Invaliditätsgrad ergäbe.

Aus den vorinstanzlichen Erwägungen ergibt sich, dass das kantonale Gericht bei
der angenommenen Restarbeitsfähigkeit von 90 % für angepasste Tätigkeiten vom
Durchschnitt der gemäss beruflicher Abklärung für angepasste
Chauffeurtätigkeiten geltenden Spanne von 80 - 100 % ausgegangen ist. Es hat
geschlossen, diese Einschätzung des Leistungsvermögen gelte auch für andere
angepasste körperlich leichte Arbeiten. Diese Feststellung ist weder
offensichtlich unrichtig noch rechtsfehlerhaft. Sie widerspricht namentlich
auch nicht den fachärztlichen Beurteilungen gemäss dem undatierten, am 10.
Februar 2005 bei der Verwaltung eingegangenen Bericht des orthopädischen
Chirurgen Dr. med. R.________ sowie dem kreisärztlichen Untersuchungsbericht
vom 1. Juni 2005.

Ergänzender ärztlicher Abklärungen bedarf es entgegen der eventualiter
vorgebrachten Begründung in der Beschwerde nicht. Die vorhandenen Akten
gestatten die zuverlässige Beurteilung des medizinischen Sachverhaltes.

3.3.2 Was den weiteren Einwand betrifft, es liessen sich auf dem freien
Arbeitsmarkt keine geeigneten Stellen finden, ist festzuhalten, dass es bei der
Bestimmung des Invalideneinkommens auf den ausgeglichenen Arbeitsmarkt ankommt
(Art. 16 ATSG). Dieser ist gekennzeichnet durch ein gewisses Gleichgewicht
zwischen Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften und weist einen Fächer
verschiedenster Tätigkeiten auf und zwar sowohl bezüglich der dafür verlangten
beruflichen und intellektuellen Voraussetzungen wie auch hinsichtlich des
körperlichen Einsatzes (BGE 110 V 273 E. 4b S. 276 und seitherige Entscheide;
aus jüngster Zeit: Urteil 9C_442/2008 vom 28. November 2008 E. 4.1). Wenn das
kantonale Gericht davon ausgegangen ist, der allgemeine Arbeitsmarkt biete
Stellen, welche dem zumutbaren Einsatzprofil des Versicherten entsprechen, ist
dies ebenfalls nicht zu beanstanden.

3.4 Der von der Vorinstanz vorgenommene Einkommensvergleich ist im Übrigen
nicht umstritten und gibt zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Es bleibt
damit bei der Verneinung eines Rentenanspruchs.

4.
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des
Schweizerischen Gewerbes und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 8. Januar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Lanz