Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.346/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_346/2008

Urteil vom 11. November 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Parteien
K.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Fidel Cavelti, Bahnhofstrasse 10, 9100 Herisau,

gegen

Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft, Bundesgasse 35, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell
Ausserrhoden
vom 12. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1950 geborene K.________ arbeitete als geschäftsführender Teilhaber bei der
X.________ GmbH und war bei der Schweizerischen Mobiliar
Versicherungsgesellschaft (kurz: Mobiliar) obligatorisch gegen die Folgen von
Unfällen versichert. Am 4. November 2004 meldete er der Versicherung, er habe
sich am 12. Mai 2001 verletzt, als ihm beim Aufstehen eine 20 kg schwere
Multipress-Stange in den Nacken gefallen sei. Er habe in der Folge während vier
Tagen mit der Arbeit aussetzen müssen. Später wurde der Unfallhergang
dahingehend präzisiert, dass der Versicherte bei einer Demonstration an der
Multipresse eine Schnellkraftübung gezeigt habe. Beim schnellen Hochziehen der
im Nacken liegenden Gewichtsstange aus der Kniebeuge sei diese im oberen
Drittel der Führungsstange blockiert worden, sodass es zu einem abrupten Stopp
gekommen sei.
Dr. U.________, Chiropraktor SCG, berichtete, er habe den Patienten erstmals am
15. Juni 2001 untersucht und behandelt. Die Diagnose lautete auf
Cervikocephales Syndrom bei/mit Dysfunktion des Bewegungs-Segmentes C2/C3.
Radiologisch habe eine Aufnahme der Hausarztpraxis G.________ vom 7. Juni 2001
eine deutliche Streckhaltung der HWS im Sinne eines cervikalen Syndroms und
Chondrosen C4/C5 und C5/C6 sowie eine Osteochondrose C6/C7 mit reaktiver
Spondylose dorsal, einer Spondylarthrose und einer Uncovertebralarthrose
gezeigt. Weiter führte er aus, anamnestisch bestehe eine Trigeminus-neuralgie
links und es werde seit drei Monaten von HWS-Schmerzen mit Kopfschmerzen,
Schwindelgefühlen und inkonstanten Kribbelparästhesien an der
Oberschenkel-Hinterseite und an beiden Armen berichtet. Gemäss Arztzeugnis des
Dr. med. B.________, Facharzt für Neurochirurgie FMH, vom 9. November 2004
leidet der Versicherte an einer cervikalen Diskushernie C6/7. Diese wurde am
14. November 2004 notfallmässig operiert. Die Unfallversicherung holte
verschiedene medizinische Akten ein und liess K.________ durch Dr. med.
Z.________, Facharzt für Neurochirurgie, begutachten (Expertise vom 26. März
2005). Mit Verfügung vom 11. Juli 2006 teilte die Mobiliar dem Versicherten
mit, dass er ab 19. November 2002 keinen Anspruch auf Leistungen der
Unfallversicherung mehr habe, da ab diesem Zeitpunkt der Status quo sine
eingetreten sei. Daran hielt sie auch auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 6.
Februar 2007).

B.
Das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden wies eine gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 12. Dezember 2007 ab.

C.
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, es seien ihm in Aufhebung des Einspracheentscheides und des
vorinstanzlichen Entscheides nach Durchführung einer medizinischen Begutachtung
eine Rente sowie eine Integritätsentschädigung in angemessener Höhe
zuzusprechen; eventualiter sei die Sache an die Mobiliar zurückzuweisen.
Die Mobiliar schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Im Beschwerdeverfahren um die
Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder
Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer aus dem Unfall vom 12. Mai
2001 über den 19. November 2002 hinaus Anspruch auf Leistungen der
obligatorischen Unfallversicherung hat. Im Vordergrund steht dabei die Frage,
ob die nach diesem Zeitpunkt noch bestehenden Beschwerden und die im Herbst
2004 aufgetretene Diskushernie in einem natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhang zum Unfall stehen. Während der Versicherte dies bejaht,
verneinen Unfallversicherer und Vorinstanz den natürlichen Kausalzusammenhang.

3.
3.1 Im Einspracheentscheid vom 6. Februar 2007 werden die Rechtsgrundlagen
bezüglich des Unfallbegriffs (Art. 4 ATSG) und die Bestimmungen über den
Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung im Allgemeinen
(Art. 6 Abs. 1 UVG) sowie die Grundsätze zu dem für die Leistungspflicht des
Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem
Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 119 V
335 E. 1 S. 337; neueren Datums: BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181; 123 V 43 E. 2a S.
45, je mit Hinweisen) im Besonderen zutreffend dargelegt. Gleiches gilt in
Bezug auf die Ausführungen zum Wegfall des ursächlichen Zusammenhangs und damit
des Leistungsanspruchs der versicherten Person bei Erreichen des Status quo
sine vel ante und zu den sich dabei stellenden Beweisfragen (RKUV 1994 Nr. U
206 S. 328, U 180/93; siehe ebenso BGE 117 V 261 E. 3b in fine S. 264; RKUV
2000 Nr. U 363 S. 45, U 355/98). Darauf wird verwiesen. Hinzuweisen bleibt auf
die praxisgemässen Grundsätze zum Beweiswert und zur Würdigung medizinischer
Berichte und Stellungnahmen (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; 122 V 157 E. 1c S. 160
mit Hinweisen).

3.2 Ergänzend sind nähere Ausführungen zu im Anschluss an einen Unfall
auftretende Rückenbeschwerden bei vorbestehenden Bandscheibenveränderungen
angezeigt.
3.2.1 Es entspricht einer medizinischen Erfahrungstatsache im Bereich des
Unfallversicherungsrechts, dass praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen
degenerativer Bandscheibenveränderungen entstehen und ein Unfallereignis nur
ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in
Betracht fällt. Als weitgehend unfallbedingt kann eine Diskushernie betrachtet
werden, wenn das Unfallereignis von besonderer Schwere und geeignet war, eine
Schädigung der Bandscheibe herbeizuführen, und die Symptome der Diskushernie
(vertebrales oder radikuläres Syndrom) unverzüglich und mit sofortiger
Arbeitsunfähigkeit auftreten. In solchen Fällen hat die Unfallversicherung
praxisgemäss auch für Rezidive und allfällige Operationen aufzukommen (RKUV
2000 Nr. U 379 S. 192 E. 2a, U 138/99, mit Hinweis auf das nicht
veröffentlichte Urteil U 159/95 vom 26. August 1996, E. 1b, und medizinische
Literatur; aus jüngster Zeit etwa: Urteile 8C_344/2008 vom 13. Oktober 2008,
8C_637/2007 vom 11. August 2008, E. 2.2, 8C_239/2007 vom 7. August 2008, E.
5.3, und 8C_614/2007 vom 10. Juli 2008, E. 4.1.1).
3.2.2 Ist indessen die Diskushernie bei degenerativem Vorzustand durch den
Unfall nur aktiviert, nicht aber verursacht worden, so hat die
Unfallversicherung nur Leistungen für das unmittelbar im Zusammenhang mit dem
Unfall stehende Schmerzsyndrom zu erbringen (a.a.O.). Solange der Status quo
sine vel ante noch nicht wieder erreicht ist, hat der Unfallversicherer
diesfalls gestützt auf Art. 36 Abs. 1 UVG in aller Regel neben den Taggeldern
auch Pflegeleistungen und Kostenvergütungen zu übernehmen, worunter auch die
Heilbehandlungskosten nach Art. 10 UVG fallen. Demnach hat die versicherte
Person auch Anspruch auf eine, operative Eingriffe mit einschliessende
zweckgemässe Behandlung (vgl. Urteile U 351/04 vom 14. Februar 2006, publ. in:
ASS 2006 2 S. 14; U 266/99 vom 14. März 2000).
3.2.3 Nach derzeitigem medizinischen Wissensstand kann das Erreichen des Status
quo sine bei posttraumatischen Lumbalgien und Lumboischialgien nach drei bis
vier Monaten erwartet werden, wogegen eine allfällige richtunggebende
Verschlimmerung röntgenologisch ausgewiesen sein und sich von der
altersüblichen Progression abheben muss; eine traumatische Verschlimmerung
eines klinisch stummen degenerativen Vorzustandes an der Wirbelsäule ist in der
Regel nach sechs bis neun Monaten, spätestens aber nach einem Jahr als
abgeschlossen zu betrachten (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 354/04
vom 11. April 2005, E. 2.2, mit Hinweisen auch auf die medizinische Literatur;
vgl. diesbezüglich auch neuere Urteile 8C_326/2008 vom 24. Juni 2008, 8C_677/
2007 vom 4. Juli 2008, 8C_637/2007 vom 11. August 2008).

4.
Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers ist aufgrund der medizinischen
Akten davon auszugehen, dass der Unfall vom 12. Mai 2001 eine bereits erheblich
vorgeschädigte Wirbelsäule betroffen hat. Das ergibt sich insbesondere aus dem
Bericht des Chiropraktors Dr. U.________ vom 9. Januar 2005, worin dieser seine
Diagnosen und Notizen vom 15. Juni 2001 wiedergibt. Aus dem Umstand, dass die
darin erwähnten Röntgenbilder nicht mehr vorhanden sind, obwohl sie damals dem
Beschwerdeführer ausgehändigt wurden, kann dieser nicht ableiten, der Bericht
sei zu knapp und ungenau. Im Gegenteil beweisen die vom Chiropraktor auf den -
nur drei Wochen nach dem Ereignis angefertigten - Bildern gefundenen
Chondrosen, Osteochondrosen, Spondylosen und Spondylarthrosen, dass ein
erheblicher degenerativer Vorzustand mit Bandscheibenschädigung vorlag. Dazu
kommt, dass der Unfall vom 12. Mai 2001 nicht geeignet war, eine gesunde
Bandscheibe zu schädigen und dass gemäss Diagnose des Dr. U.________ nicht nur
eine einzige Bandscheibe betroffen war, sondern die ganze untere
Halswirbelsäule in den Segmenten C4/C5, C5/C6 und C6/C7 degenerative
Veränderungen vorwies, was ebenfalls gegen eine traumatisch verursachte
Bandscheibenschädigung spricht.

5.
Hauptsächlich wendet der Beschwerdeführer ein, da die Mobiliar den Unfall vom
12. Mai 2001 als solchen anerkannt und Leistungen erbracht habe, müsse sie mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit beweisen, dass zwischen den andauernden
Beschwerden und dem Unfall kein Kausalzusammenhang mehr bestehe. Dem
widerspricht die Mobiliar zu Recht. Zwar hat sie den Unfall anerkannt. Indessen
hat sie die im November 2004, also rund dreieinhalb Jahre nach dem Ereignis
diagnostizierte und operierte Diskushernie nie als Unfallfolge anerkannt. Wie
Dr. med. Z.________ in seinem Gutachten vom 26. März 2005 überzeugend dargelegt
hat, dauerte die Behandlung der durch den Unfall ausgelösten Schmerzen im
Nacken höchstens bis im November 2002. Eine Arbeitsunfähigkeit wurde in diesem
Zeitraum weder von den erstbehandelnden Ärzten, noch vom im November 2002
konsultierten pract. med. F.________ attestiert, obwohl der Beschwerdeführer
auch über eine Krankentaggeldversicherung verfügte. Es liegen somit keine
Anhaltspunkte dafür vor, dass vorliegend - entgegen der allgemeinen
medizinischen Erfahrungstatsache - der Schlag in den Nacken vom 12. Mai 2001
eine über den November 2002 hinaus andauernde Schädigung verursacht hätte. Die
anderslautenden Ausführungen des Beschwerdeführers, der insbesondere eine
röntgenologisch nachgewiesene Vorschädigung seiner Halswirbelsäule verneint,
können nicht überzeugen. Auch eine beantragte gutachterliche Untersuchung
könnte zu keinen neuen Erkenntnissen führen, da der Gesundheitszustand im
Unfallzeitpunkt und die nachfolgende Entwicklung bis November 2002 zu
beurteilen ist, was heute nur anhand von Akten geschehen könnte. Eine solche
Beurteilung liegt in Form des Gutachtens des Dr. med. Z.________ bereits vor.

6.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem
unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. November 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Schüpfer