Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.341/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_341/2008

Urteil vom 25. September 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Parteien
S.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Basler Versicherungs-Gesellschaft, Aeschengraben 21, 4051 Basel,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat Dr. Willy Fraefel, Pelikanweg 2,
4054 Basel.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
12. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1957 geborene S.________ war als Mitarbeiter bei der Firma J.________ AG
tätig und in dieser Eigenschaft bei der Basler Versicherungs-Gesellschaft
(Basler) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Bei
der gleichen Versicherung bestand für S.________ auch eine Taggeldversicherung
im Krankheitsfall. Dieser wurde am 7. Januar 2004 gemeldet, der Versicherte sei
seit dem 11. August 2003 wegen Klaustrophobie und Panikattacken vollständig
arbeitsunfähig. Es wurden die entsprechenden Versicherungsleistungen
ausgerichtet. Am 8. Dezember 2005 meldete S.________ der Basler, er habe am 7.
Februar 2003 nachts auf der Autobahn einen Unfall erlitten. Beim Überholen
eines Camions habe er einen auf der Fahrbahn liegenden Pneu überfahren. Seither
leide er unter Panikattacken. Dr. med. E.________, Fachärztin für Psychiatrie
und Psychotherapie, attestierte dem Versicherten mit Zeugnis vom 13. März 2006
eine schwere Agoraphobie mit Panikattacken (ICD-10:F.40.1) im Anschluss an ein
traumatisierendes Ereignis auf der Autobahn. Mit Verfügung vom 28. August 2006
informierte die Basler S.________ darüber, dass sie für das gemeldete Ereignis
keine Leistungen erbringe, da ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen
diesem und den geklagten Beschwerden eher verneint werden müsse, eine Adäquanz
aber nicht gegeben sei. Daran hielt die Unfallversicherung auch auf Einsprache
hin fest (Entscheid vom 2. März 2007).

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies eine gegen den
Einspracheentscheid gerichtete Beschwerde mit Entscheid vom 12. März 2008 ab.

C.
S.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
sinngemässen Antrag, die Basler habe für das Ereignis vom 7. Februar 2003
Leistungen gemäss UVG zu erbringen.

Die Basler-Versicherungsgesellschaft schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Im Beschwerdeverfahren um die
Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder
Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
2.1 Nach Art. 6 Abs. 1 UVG werden die Leistungen der Unfallversicherung bei
Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt, soweit das
Gesetz nichts anderes bestimmt. Als Unfall gilt laut Art. 9 Abs. 1 UVV die
plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen
äusseren Faktors auf den menschlichen Körper. Rechtsprechung und Lehre haben
schreckbedingte plötzliche Einflüsse auf die Psyche seit jeher als Einwirkung
auf den menschlichen Körper (im Sinne des geltenden Unfallbegriffes) anerkannt
und für ihre unfallversicherungsrechtliche Behandlung besondere Regeln
entwickelt. Danach setzt die Annahme eines Unfalles voraus, dass es sich um ein
aussergewöhnliches Schreckereignis, verbunden mit einem entsprechenden
psychischen Schock, handelt; die seelische Einwirkung muss durch einen
gewaltsamen, in der unmittelbaren Gegenwart des Versicherten sich abspielenden
Vorfall ausgelöst werden und in ihrer überraschenden Heftigkeit geeignet sein,
auch bei einem gesunden Menschen durch Störung des seelischen Gleichgewichts
typische Angst- und Schreckwirkungen (wie Lähmungen, Herzschlag etc.)
hervorzurufen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat diese Rechtsprechung
wiederholt bestätigt und dahingehend präzisiert, dass auch bei
Schreckereignissen nicht nur die Reaktion eines (psychisch) gesunden Menschen
als Vergleichsgrösse dienen kann, sondern in diesem Zusammenhang ebenfalls auf
eine "weite Bandbreite" von Versicherten abzustellen ist. Zugleich hat es dabei
relativierend, unter Bezugnahme auf den massgeblichen Unfallbegriff (BGE 118 V
59 E. 2b S. 61 und 283 E. 2a; ferner BGE 122 V 230 E. 1 S. 232 mit Hinweisen),
betont, dass sich das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit definitionsgemäss
nicht auf die Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selber
bezieht, weshalb nicht von Belang sein könne, wenn der äussere Faktor
allenfalls schwerwiegende, unerwartete Folgen nach sich zog (BGE 129 V 177 E.
2.1 S. 179; SVR 2008 UV Nr. 7 S. 22 E. 2.2).

2.2 Die Adäquanz zwischen einem Schreckereignis ohne körperliche Verletzung und
den nachfolgend aufgetretenen psychischen Störungen ist nach der allgemeinen
Formel (gewöhnlicher Lauf der Dinge und allgemeine Lebenserfahrung) zu
beurteilen. Diese Rechtsprechung trägt der Tatsache Rechnung, dass bei
Schreckereignissen - anders als im Rahmen üblicher Unfälle - die psychische
Stresssituation im Vordergrund steht, wogegen dem somatischen Geschehen keine
(entscheidende) Bedeutung beigemessen werden kann. Aus diesem Grund ist die
(analoge) Anwendung der in BGE 115 V 133 entwickelten Adäquanzkriterien ebenso
ungeeignet wie diejenige der so genannten Schleudertraumapraxis (BGE 134 V 109,
117 V 359; vgl. BGE 129 V 177 E. 4.2 S. 184; SVR 2008 UV Nr. 7 S. 22 E. 2.4 mit
Hinweisen).

2.3 An den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Schreckereignissen und
nachfolgenden psychischen Beschwerden werden hohe Anforderungen gestellt.
Andererseits ist der Versicherungsschutz einer weiten Bandbreite von
Versicherten zu gewähren (BGE 129 V 177 E. 3.3 S. 181 mit Hinweis auf 115 V 133
E. 4b S. 135, 125 V 456 E. 5c S. 462). Damit sind die strengen Anforderungen
insbesondere an den Beweis der Tatsachen, die das Schreckereignis ausgelöst
haben, und an die Aussergewöhnlichkeit dieses Ereignisses sowie den
entsprechenden psychischen Schock zu stellen. Nach der Rechtsprechung besteht
die übliche und einigermassen typische Reaktion auf solche Ereignisse
erfahrungsgemäss darin, dass zwar eine Traumatisierung stattfindet, diese aber
vom Opfer in aller Regel innert einiger Wochen oder Monate überwunden wird (BGE
129 V 177, SVR 2008 UV Nr. 7 S. 22 E. 2.5, je mit Hinweisen).

3.
Die Vorinstanz erachtete es als nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
erwiesen, dass sich am 7. Februar 2003 ein Unfall im Rechtssinne ereignete.
Auch der Versicherte selbst hat seine Beschwerden ursprünglich nicht auf das
später geschilderte Ereignis zurückgeführt, sondern seine ab Sommer 2003
aufgetretenen Panikattacken als Krankheit angesehen.

3.1 Unbestritten ist, dass sich der Beschwerdeführer bei dem von ihm
geschilderten Ereignis am 7. Februar 2003 keine körperlichen Verletzungen
zugezogen hat. Von einem Unfall im Rechtssinne könnte daher nur ausgegangen
werden, wenn es die in Erwägung 2.1 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt.

3.2 Ausgehend von der Darstellung des Beschwerdeführers fuhr dieser als Lenker
eines Personenwagens nachts auf der Autobahn. Als er am Überholen eines Camions
war, sah er auf der Fahrbahn vor ihm einen Lastwagenreifen. Da die Fahrspur
links mit Betonpfeilern begrenzt war, konnte er nicht ausweichen und überfuhr
den Reifen. Er kam dabei weder ins Schleudern, noch touchierte er die
Betonbegrenzung oder den rechts fahrenden Camion. Auch sein Wagen wurde nur
gering beschädigt. Gemäss Reparaturrechnung mussten Teile am Stossfänger im
Wert von Fr. 575.- ersetzt sowie leichte Spengler- und Lackarbeiten
durchgeführt werden. Damit steht fest, dass es sich nicht um ein
aussergewöhnliches Schreckereignis, verbunden mit einem entsprechenden
psychischen Schock, handelte, welcher definitionsgemäss Voraussetzung ist,
damit ein Schreckereignis als Unfall anerkannt werden kann. Es kam nicht zu
einem gewaltsamen Vorfall und das Ereignis war in seiner überraschenden
Heftigkeit nicht geeignet, auch bei einem gesunden Menschen durch Störung des
seelischen Gleichgewichts typische Angst- und Schreckwirkungen (wie Lähmungen,
Herzschlag etc.) hervorzurufen (vgl. E. 2.1). Das ausschliessliche Überfahren
eines Gegenstandes auf der Autobahn - ohne irgendwelche weiteren Konsequenzen
wie Schleudern etc. - ist zudem nicht geeignet, einen psychischen Schock mit
der Folge einer Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit auszulösen. Damit ist
auch der adäquate Kausalzusammenhang zwischen Ereignis und Beschwerden zu
verneinen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer einige Wochen und Monate nach
dem zu beurteilenden Ereignis im Februar 2003 vor Tunneleinfahrten
verschiedentlich Panikattacken erlitten haben soll und schliesslich für seine
Arbeit in einer Lagerhalle gänzlich arbeitsunfähig erachtet wurde, macht das
Überfahren des Pneus noch nicht zu einem Schreckereignis. Die Basler hat ihre
Leistungspflicht als Unfallversicherer daher zu Recht abgelehnt.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Dem
Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. September 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Schüpfer