Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.324/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_324/2008

Urteil vom 3. Dezember 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Parteien
Amt für Wirtschaft und Arbeit,
Abteilung Arbeitslosenkasse,
Zürcherstrasse 285, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdeführerin,

gegen

M.________, Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
4. März 2008.

Sachverhalt:

A.
M.________, geboren 1964, war ab 8. April 1980 bei der Firma X.________
angestellt. Am 26. Juli 2006 wurde ihm auf den 31. Oktober 2006 gekündigt, da
der Betriebsinhaber infolge Erreichen des Pensionsalters das Geschäft aufgab.
M.________ war von November 2006 bis Mai 2007 für dessen Nachfolger W.________
im Stundenlohn tätig. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau (nachfolgend:
Arbeitslosenkasse) rechnete ihm dies als Zwischenverdienst an und leistete
Kompensationszahlungen. Auf den 1. Juni 2007 trat M.________ eine Stelle bei
der Stadt Y.________ an. Mit Verfügung vom 24. August 2007, bestätigt mit
Einspracheentscheid vom 17. Oktober 2007, forderte die Arbeitslosenkasse zu
Unrecht bezahlte Arbeitslosenentschädigung im Betrag von Fr. 1147.45 zurück, da
gemäss den Angaben des Arbeitgebers im Zwischenverdienst eine
Ferienentschädigung enthalten gewesen, diese jedoch auf Veranlassung von
M.________ vom Arbeitgeber nachbezahlt worden sei.

B.
Mit Entscheid vom 4. März 2008 hob das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
in Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde die Verfügung vom 27. (recte:
24.) August 2007 und den Einspracheentscheid vom 17. Oktober 2007 auf.

C.
Die Arbeitslosenkasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben.
M.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Staatssekretariat für
Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann die Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin
überprüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur
die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Es ist unbestritten, dass der Versicherte den in den Lohnabrechnungen der
Monate Dezember 2006 bis Mai 2007 mit "Auszahlung" vermerkten Betrag,
einschliesslich der in den Monaten März und Mai 2007 zusätzlich aufgeführten
Beträge, ebenso wie die Zahlung für den Juli 2007, als er bereits nicht mehr im
Zwischenverdienst tätig war, erhalten hat und dass die Arbeitslosenkasse jeden
Monat vom Bruttobetrag des vom Arbeitgeber gemeldeten Stundenlohnes einen Abzug
in der Höhe von 8.33 % vorgenommen hat. Streitig ist jedoch, ob die
Arbeitslosenkasse zu Recht eine Rückforderung geltend gemacht hat.

3.
Die Arbeitslosenkasse hat die Bestimmungen und Grundsätze über den
Zwischenverdienst (Art. 24 AVIG; Kreisschreiben über die
Arbeitslosenentschädigung [KS ALE], Januar 2007, Rz. C 149; vgl. auch Urteil C
256/99 vom 16. März 2000, E. 4, und ARV 2006 S. 216, je mit Hinweisen) sowie
die Rückforderung von Leistungen (Art. 95 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 25
ATSG) im Einspracheentscheid vom 17. Oktober 2007 zutreffend dargelegt. Darauf
wird verwiesen.

4.
Gemäss den vom Versicherten als Originale bezeichneten Lohnabrechnungen lag den
Zahlungen im November 2006 ein Stundenlohn brutto von Fr. 4807.85, im Dezember
2006 von Fr. 3166.35, im Januar 2007 von Fr. 1791.50, im Februar 2007 von Fr.
1933.15, im März 2007 von Fr. 4491.20, im April 2007 von Fr. 4199.60, im Mai
2007 von Fr. 274.95 und im Juli 2007 von 263.75 zugrunde. In der Abrechnung für
den März 2007 ist ein Betrag von Fr. 684.40 brutto mit dem Vermerk
"Gratifikation (Stundenlöhner)" und in jener für den Mai 2007 ein Betrag von
Fr. 400.50 brutto mit dem Vermerk "Korrekturleistungen Dritter" sowie von Fr.
374.20 brutto für "13. Monatslohn" enthalten. Die Lohnabrechnung für den Juli
2007, als er unbestrittenermassen nicht mehr für die Firma Weber tätig war, hat
der Versicherte mit dem Zusatz "Nachzahlung!! Dezember 2006" versehen.
Die Arbeitslosenkasse hat ihren Berechnungen der Kompensationszahlungen für
November 2006 einen Zwischenverdienst von brutto Fr. 4438.15, für Dezember 2006
von brutto Fr. 2922.85, für Januar 2007 von brutto Fr. 1653.75, für Februar
2007 von brutto Fr. 1784.50, für März 2007 von brutto Fr. 4145.85, für April
2007 von brutto Fr. 3876.65 und für Mai 2007 von brutto Fr. 253.80
berücksichtigt.
Der Arbeitgeber hat in den Bescheinigungen über den Zwischenverdienst für
November und Dezember 2006 angegeben, der AHV-pflichtige Lohn enthalte nebst
dem Grundlohn auch eine Feiertags- und eine Ferienentschädigung sowie
anteilsmässig 13. Monatslohn/Gratifikation. Nach Angabe des Arbeitgebers
enthielt der AHV-pflichtige Lohn ab Januar 2007 nebst dem Grundlohn nur noch
eine Feiertags- und eine Ferienentschädigung, nicht aber einen Anteil 13.
Monatslohn/Gratifikation.

5.
Aus den Lohnabrechnungen, den Bescheinigungen über den Zwischenverdienst und
den Abrechnungen der Arbeitslosenkasse ergibt sich, dass die Arbeitslosenkasse
Abzüge vom Bruttobetrag des Stundenlohnes in der Höhe von 8.33 % gemacht hat.
Diese hat die Vorinstanz zu Recht als Abzug für Ferienentschädigung
qualifiziert, da eine solche stets Bestandteil des Stundenlohnes war. Ebenfalls
richtig ist, dass sie die zusätzlichen Zahlungen von März, Mai und Juli 2007
als Gratifikationsanteile qualifizierte. Denn ein solcher Anteil war ab Januar
2007 nicht mehr im Stundenlohn enthalten und die zusätzlichen Zahlungen im März
und Mai 2007 wurden auch als "Gratifikation (Stundenlöhner)" resp. "13.
Monatslohn" bezeichnet. Allerdings wurden diese unbestrittenermassen
ausbezahlten weiteren Beträge nie als Zwischenverdienst angerechnet, obwohl
auch der anteilsmässige 13. Monatslohn resp. Gratifikationen gemäss Art. 24
Abs. 1 AVIG beim Zwischenverdienst zu berücksichtigen sind.
Nach dem Gesagten hat die Arbeitslosenkasse ihren Berechnungen einen geringeren
Zwischenverdienst zugrunde gelegt als jener, welcher anzurechnen gewesen wäre.
Wie sie in ihrer Beschwerde zu Recht ausführt, spielt es keine Rolle, ob es
sich dabei um Ferienentschädigung oder Gratifikationen handelt. Denn insgesamt
hat der Versicherte mehr als den ihm zustehenden Betrag an
Arbeitslosenentschädigungen erhalten, so dass die Voraussetzungen der
Rückforderung nach Art. 25 ATSG gegeben sind. Im Ergebnis ist somit die
Rückforderung der Arbeitslosenkasse nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz hat
demzufolge den Einspracheentscheid vom 17. Oktober 2007 zu Unrecht aufgehoben.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Als unterliegende Partei hat der Versicherte
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Hingegen kann auf eine
Rückweisung an die Vorinstanz zur Festsetzung der Gerichtskosten und
Parteientschädigung im kantonalen Verfahren verzichtet werden, da dieses nicht
kostenpflichtig ist (Art. 61 lit. a ATSG) und die Arbeitslosenkasse keinen
Anspruch auf eine Parteientschädigung hat (Art. 61 lit. g ATSG e contrario;
vgl. auch KIESER, ATSG-Kommentar, Zürich 2003, N 97 zu Art. 61).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau vom 4. März 2008 aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Dezember 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Riedi Hunold