Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.319/2008
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_319/2008

Urteil vom 3. September 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.

Parteien
H.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Häberli,
Langstrasse 4, 8004 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
12. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
A.a Der 1958 geborene H.________ meldete sich am 24. Januar 2005 unter Hinweis
auf ein seit anfangs März 2004 bestehendes psychisches Leiden bei der
Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau
klärte die Verhältnisse in medizinischer sowie beruflich-erwerblicher Hinsicht
ab und sprach dem Versicherten mit Verfügung vom 26. Oktober 2005 eine ganze
Rente rückwirkend ab 1. März 2005 zu.
A.b Anlässlich des im August 2006 eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die
Verwaltung weitere ärztliche Berichte ein; ferner informierte sie H.________
mit Schreiben vom 24. November 2006 darüber, dass zur Überprüfung des
Leistungsanspruchs eine ergänzende medizinische Abklärung erforderlich sei,
welche ambulant im Institut X.________ durchgeführt werde. Dem Anliegen des
Versicherten, die entsprechende Untersuchung durch die Psychiatrischen Dienste
Y.________ vornehmen zu lassen, wurde zunächst nicht entsprochen (Mitteilung
vom 8. Januar 2007). Nachdem der behandelnde Arzt sich ebenfalls gegen die
vorgesehene Abklärungsmassnahme ausgesprochen hatte, teilte die IV-Stelle
H.________ am 7. März 2007 - auf Empfehlung ihres Regionalen Ärztlichen
Dienstes - mit, dass infolge des veränderten Gesundheitszustandes nunmehr durch
die Psychiatrischen Dienste Y.________ in stationärem Rahmen zu erfolgende
medizinische Abklärungen indiziert seien. Auf Wunsch des Versicherten erliess
die Verwaltung am 21. März 2007 eine Verfügung gleichen Inhalts.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau ab (Entscheid vom 12. Februar 2008).

C.
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und das Rechtsbegehren stellen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids
sei die Verwaltung anzuweisen, die beabsichtigten gutachterlichen Vorkehren
ambulant vornehmen zu lassen.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, beantragt das
Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), auf die Beschwerde sei - unter
Aufhebung des angefochtenen Entscheids - nicht einzutreten, eventualiter sei
das Rechtsmittel abzuweisen.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
12. Februar 2008. Mit diesem ist die Vorinstanz auf die Eingabe des
Versicherten vom 4. Mai 2007 eingetreten und hat diese als gegen die Verfügung
der IV-Stelle vom 21. März 2007 gerichtete Beschwerde materiell behandelt.
Dabei ist sie in Abweisung der Rechtsvorkehr zum Schluss gelangt, dass die von
der IV-Stelle vorgesehene stationäre Begutachtung durch die Psychiatrischen
Dienste Y.________ auf Grund der gesundheitlichen Verhältnisse medizinisch
begründet und dem Versicherten zumutbar sei.

2.
Muss der Versicherungsträger zur Abklärung des Sachverhaltes ein Gutachten
eines unabhängigen Sachverständigen einholen, so gibt er gemäss Art. 44 ATSG
der Partei dessen Namen bekannt. Diese kann den Gutachter aus triftigen Gründen
ablehnen und Gegenvorschläge machen.

2.1 In BGE 132 V 93 (E. 5 S. 100 ff.; bestätigt u.a. in BGE 133 V 446 E. 7.4 S.
449 und Urteil 8C_777/2007 vom 28. April 2008, E. 2.1 und 2.2), hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass der Anordnung einer
Begutachtung durch den Sozialversicherer - entsprechend der bis vor
In-Kraft-Treten des ATSG auf den 1. Januar 2003 gültig gewesenen Rechtsordnung
(BGE 125 V 401) - kein Verfügungscharakter im Sinne von Art. 49 Abs. 1 ATSG
zukommt. Einwendungen einer Partei nach Art. 44 ATSG gegen Sachverständige sind
in Form einer selbstständig anfechtbaren Zwischenverfügung zu behandeln, sofern
substanziiert gesetzliche Ausstandsgründe (Art. 10 VwVG und Art. 36 Abs. 1
ATSG) geltend gemacht werden. Nach Art. 36 Abs. 1 ATSG haben Personen, die
Entscheidungen über Rechte und Pflichten zu treffen oder vorzubereiten haben,
in Ausstand zu treten, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse haben
oder aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnten. Geht es
demgegenüber nicht um derartige Einwendungen formeller Natur, sondern um Rügen,
welche über die gesetzlichen Ausstandsgründe hinausgehen, ist ihnen, da die
Beurteilung des Falles in materieller Hinsicht betreffend, im Rahmen der
Beweiswürdigung Rechnung zu tragen (BGE 132 V 93 E. 6 S. 106 ff.).
2.2
2.2.1 Der Mitteilung der Beschwerdegegnerin vom 24. November 2006, es sei eine
ambulante medizinische Abklärung im Institut X.________ notwendig, hatte der
Beschwerdeführer sich insoweit widersetzt, als er die Durchführung einer
solchen durch die Psychiatrischen Dienste Y.________ forderte. Diesem Anliegen
entsprach die Verwaltung in ihrem Schreiben vom 7. März 2007 grundsätzlich,
erachtete zwischenzeitlich indessen eine stationäre Begutachtung als
erforderlich und ordnete eine solche gleichenorts an. Daran wurde auf Verlangen
des Versicherten mit Verfügung vom 21. März 2007 festgehalten. Mit Eingabe an
die Beschwerdegegnerin vom 20. April 2007 und Beschwerde an die Vorinstanz
kritisierte der Beschwerdeführer einzig den Umstand, dass die entsprechenden
gutachterlichen Untersuchungen in stationärem Rahmen erfolgen sollten.
2.2.2 Wie das BSV in seiner letztinstanzlichen Vernehmlassung vom 14. August
2008 zutreffend erkannt hat, beschlägt der vom Beschwerdeführer vorgebrachte
Einwand unbestrittenermassen nicht die Thematik der gesetzlichen Ausstands-
oder Ablehnungsgründe im hievor genannten Sinne, zumal dieser erstmals am 20.
April 2007 geäussert wurde und demnach nicht Anlass für die am 21. März 2007
erlassene "Verfügung" bilden konnte. Der Anordnung der Beschwerdegegnerin vom
21. März 2007 wurde mithin zu Unrecht (Zwischen-)Verfügungscharakter zuerkannt.
Die Vorinstanz hätte diese daher auf Beschwerde des Versicherten hin aufheben,
das Rechtsmittel insoweit gutheissen und die Sache zur weiteren Behandlung an
die Verwaltung zurückweisen sollen. Dem ist im Rechtsmittelverfahren von Amtes
wegen Rechnung zu tragen.

3.
In Bezug auf das weitere Vorgehen durch die Beschwerdegegnerin bleibt
anzufügen, dass nach Art. 43 Abs. 1 ATSG der Versicherungsträger die
notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vornimmt und die erforderlichen
Auskünfte einholt. Soweit ärztliche oder fachliche Untersuchungen für die
Beurteilung notwendig und zumutbar sind, hat sich die versicherte Person diesen
zu unterziehen (Art. 43 Abs. 2 ATSG). Kommt sie den Auskunfts- oder
Mitwirkungspflichten in unentschuldbarer Weise nicht nach, so kann der
Versicherungsträger auf Grund der Akten verfügen oder die Erhebungen einstellen
und Nichteintreten beschliessen. Er muss die versicherte Person vorher
schriftlich mahnen und auf die Rechtsfolgen hinweisen; dabei ist ihr eine
angemessene Bedenkzeit einzuräumen (Art. 43 Abs. 3 ATSG; vgl. auch Art. 73
IVV).

4.
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdegegnerin als der unterliegenden Partei
aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem
obsiegenden, anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer steht sodann eine
Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 12. Februar 2008 und die als
"Verfügung" bezeichnete Anordnung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 21. März
2007 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Aargau
zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. September 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Fleischanderl