Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.283/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_283/2008

Urteil vom 27. August 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer,
nebenamtlicher Bundesrichter Bühler,
Gerichtsschreiberin Polla.

Parteien
M.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. André Largier, Sonneggstrasse 55, 8006 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 31. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
A.a Der 1950 geborene M.________ war bei der Firma X.________, einer von ihm
und seiner Lebenspartnerin als einzelzeichnungsberechtigte Geschäftsführerin am
1. November 1995 gegründeten und am 16. November 1998 in Konkurs gefallenen
Gesellschaft, als Parkettverleger tätig. Gestützt auf dieses Arbeitsverhältnis
war er bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die
Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen obligatorisch versichert. Am 13.
Januar 1997 stürzte er bei der Arbeit auf einer Treppe und zog sich eine
Rissquetschwunde an der Stirne links sowie eine rechtsseitige
Patellatrümmerfraktur zu, die gleichentags im Spital T.________ mittels
Zuggurtungsosteosynthese operativ behandelt wurde. Die SUVA übernahm die
Heilbehandlungskosten und erbrachte Taggeldleistungen. Mit Verfügung vom 3. Mai
1999 sprach sie mit Wirkung ab 1. März 1998 eine Invalidenrente von 15 % auf
der Grundlage eines versicherten Verdienstes von Fr. 52'549.--, einem
Valideneinkommen von Fr. 62'870.-- und einem Invalideneinkommen von Fr.
54'275.-- zu. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Einspracheentscheid
vom 22. September 1999 ab.
A.b M.________ liess hiegegen Beschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es sei
die SUVA zu verpflichten, die Kosten für die ärztlichen Behandlungen und
medizinischen Abklärungen zu übernehmen, allfällige erforderliche weitere
medizinische Abklärungen seien gerichtlich anzuordnen und es seien ihm eine
"angemessene" Rente, ein "volles" Taggeld ab 13. November 1997 bis zum "Beginn
der Rente" sowie eine "angemessene" Integritätsentschädigung zuzusprechen. Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde mit
Entscheid vom 31. Oktober 2001 in dem Sinne teilweise gut, dass es den
Einspracheentscheid vom 22. September 1999 aufhob und die Sache an die SUVA zur
ergänzenden Abklärung des Rentenanspruches ab 1. März 1998 im Sinne der
Erwägungen zurückwies. In den Erwägungen hielt das Sozialversicherungsgericht
fest, lediglich die Höhe des versicherten Verdienstes und des im Zeitpunkt des
Rentenbeginns massgebenden Valideneinkommens bedürfe ergänzender Abklärung.
A.c Die SUVA führte hierauf weitere erwerbliche Abklärungen durch, liess die
vom Versicherten edierten Urkunden durch den Leiter interne Revision
überprüfen, zog weitere Unterlagen des Kantonalen Steueramtes Zürich bei und
unterbreitete dem Versicherten am 5. Dezember 2002 einen Vergleichsvorschlag,
den sein damaliger Rechtsvertreter ablehnte. Mit Verfügung vom 19. August 2003
sprach sie M.________ ab 1. März 1998 eine Invalidenrente von 34 % zu, wobei
sie unter Hinweis auf ihren Vergleichsvorschlag von einem versicherten
Verdienst von Fr. 54'088.-- und einem Valideneinkommen von Fr. 81'758.--
ausging. M.________ liess dagegen Einsprache erheben, worauf die SUVA seinem
neuen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 28. Juli 2004 mitteilte, sie werde im
Einspracheverfahren den Invaliditätsgrad auf 15 %, den versicherten Verdienst
auf Fr. 52'549.-- und das Valideneinkommen auf Fr. 62'850.-- herabsetzen und
gab ihm Gelegenheit zum Einspracherückzug. Nachdem die SUVA Kenntnis von dem
beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zwischen dem Versicherten
und der Unia Arbeitslosenkasse (vormals Arbeitslosenkasse GBI) hängigen
Beschwerdeverfahrens erhalten hatte, sistierte sie das Einspracheverfahren bis
zur Erledigung jenes Verfahrens. Mit Urteil vom 23. Januar 2006 (C 16/05) wies
das Eidgenössische Versicherungsgericht (heute: Bundesgericht) die von
M.________ gegen die Rückforderung der Unia Arbeitslosenkasse in der Höhe von
Fr. 4'353.95 erhobene Beschwerde letztinstanzlich ab, worauf auch die SUVA die
Einsprache mit Einspracheentscheid vom 11. April 2006 abwies. Zugleich änderte
sie die Verfügung vom 19. August 2003 dahingehend ab, dass sie den
Invaliditätsgrad auf 15 % und den versicherten Verdienst auf Fr. 52'549.--
herabsetzte.

B.
M.________ liess Beschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es sei ihm ab 1.
März 1998 eine "angemessene" Invalidenrente auf der Basis eines
Invaliditätsgrades von mindestens 54 % sowie eines versicherten Verdienstes von
Fr. 97'200.-- zuzusprechen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 31. Januar 2008).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt M.________ sein
vorinstanzliches Rechtsbegehren erneuern. Ausserdem ersucht er um Gewährung der
unentgeltlichen Verbeiständung.

SUVA und Bundesamt für Gesundheit haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
2.1 Streitgegenstand bildet der Anspruch auf eine Invalidenrente ab 1. März
1998, wobei nur noch die Teilelemente des versicherten Verdienstes einerseits
und des Valideneinkommens anderseits im Streit liegen.

2.2 Das kantonale Gericht hat zutreffend festgehalten, dass der versicherte
Verdienst nach Art. 15 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 UVV zu
bemessen ist und intertemporalrechtlich für die Ermittlung des
Valideneinkommens noch die bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) am 1. Januar 2003 gültig
gewesene Bestimmung von Art. 18 Abs. 2 UVG massgebend ist, wobei die dazu von
der Rechtsprechung für die Invaliditätsbemessung entwickelten Rechtsgrundsätze
(vgl. BGE 128 V 29 E. 1 S. 30 f., 114 V 310 E. 3b S. 313 f.) mit Art. 16 ATSG
keine Änderung erfahren haben (BGE 130 V 343 E. 3.4.1 und 3.4.2 S. 349).

2.3 Die SUVA hat den versicherten Verdienst im angefochtenen
Einspracheentscheid gleich wie in ihrer Verfügung vom 3. Mai 1999 und im (vom
kantonalen Gericht mit Rückweisungsentscheid vom 31. Oktober 2001 aufgehobenen)
Einspracheentscheid vom 22. September 1999 auf Fr. 52'549.-- festgesetzt, weil
sie den vom Beschwerdeführer erstmals mit seiner Einsprache vom 3. Juni 1999
aufgelegten und mit Eingaben vom 4. Juli 2002 und 16. März 2006 ergänzten
Unterlagen, wonach ihm die Firma X.________ in den Jahren 1996 und 1997 je eine
"Provision" von Fr. 50'000.-- ausgerichtet habe, nicht die erforderliche
Beweiskraft beimass. Dementsprechend hat sie auch das im Jahre 1998 vom
Versicherten ohne Invalidität zumutbarerweise erzielbare Valideneinkommen
gemäss dem damals für Parkettverleger in der Region Zürich verbindlichen,
gesamtarbeitsvertraglichen Jahreslohn ebenfalls gleich wie in der Verfügung vom
3. Mai 1999 und im Einspracheentscheid vom 22. September 1999 auf Fr. 62'850.--
(2'190h à Fr. 26.50 + 13. Monatslohn) geschätzt.

2.4 Die Vorinstanz hat die verschiedenen vom Beschwerdeführer im Laufe des
vorliegenden Verfahrens gegenüber der AHV-Ausgleichskasse, der IV-Stelle, der
Arbeitslosenkasse und in den Steuererklärungen für die Jahre 1996 und 1997
gemachten Lohnangaben im Einzelnen festgehalten. Mit Bezug auf die erstmals mit
Eingabe vom 3. Juni 1999 und mit zwei Quittungen vom 24. Juli 1996 und 30.
September 1997 belegten Provisionszahlungen der Firma X.________ von je Fr.
50'000.-- in den Geschäftsjahren 1995/1996 (1. Januar 1995 - 30. September
1996) und 1996/1997 (1. Oktober 1996 - 30. September 1997) hat sie auf die
entsprechende Beweiswürdigung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in
seinem Urteil vom 23. Juni 2006 verwiesen, in welchem die Frage zu beurteilen
war, ob es sich bei diesen Zahlungen im Betrage von Fr. 100'000.-- um
massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG und damit um versicherten
Verdienst gemäss Art. 23 Abs. 1 AVIG handelt. Die Vorinstanz kam zum Schluss,
weder mit den vom Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren vorgebrachten
Argumenten noch mit seinen erwerblichen Angaben in den Akten der SUVA sei die
Beweiswürdigung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts - kein massgebender
Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG - ernsthaft in Frage gestellt worden.

3.
3.1 Beschwerdeweise wird im Wesentlichen gerügt, es stehe fest, dass die Firma
X.________ dem Versicherten am 24. Juli 1996 Fr. 100'000.-- überwiesen habe.
Der Umstand, dass diese Zahlung weder gegenüber der AHV, noch in der
Unfallmeldung, noch in der Lohndeklaration für die definitiven
Unfallversicherungsprämien 1996 (und auch nicht gegenüber der IV-Stelle im
Arbeitgeberbericht vom 10. Mai 1998 sowie im Lohnausweis 1996 für die
Steuererklärung 1997 deklariert worden ist), sei auf die Rechtsunkenntnis des
Beschwerdeführers und seiner Arbeitgeberin zurückzuführen. Sie hätten
"anfänglich" nicht gewusst, dass Provisionszahlungen ebenfalls der
AHV-Beitragspflicht unterstünden. Ferner wird die beitragsrechtliche
Qualifikation der "Zuwendung" von Fr. 100'000.-- als "nicht beitragspflichtige
Dividendenzahlung" gerügt.

3.2 Damit wird übersehen, dass die entscheidwesentliche Frage nicht die
handelsrechtliche Qualifikation der Zahlung von Fr. 100'000.-- als Dividende
oder Gewinnausschüttung betrifft, sondern dahin geht, ob es sich dabei um
massgebenden Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG und somit um versicherten Verdienst
im Sinne von Art. 15 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 UVV handelt.
Für die Beurteilung dieser Frage standen dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht im Urteil vom 23. Januar 2006 dieselben, vom Versicherten
erst rund drei Jahre nach der behaupteten Zahlung von Fr. 100'000.-- am 24.
Juli 1996 mit seiner Einsprache vom 3. Juni 1999 eingereichten Akten zur
Verfügung wie im vorliegenden Prozess. Dass das Eidgenössische
Versicherungsgericht damals in seiner Beweiswürdigung vor allem auf die
zeitlichen und formalen Unstimmigkeiten jener Dokumente zielte, ist damit zu
erklären, dass die dazugehörenden Bankbelege noch nicht vorlagen. Diese hat der
Beschwerdeführer erst in diesem Verfahren mit seiner Eingabe vom 4. Februar
2002 eingereicht. Aus dem Auszug vom 1. Juli bis 30. September 1996 des
Kontokorrent-Kontos 440.121.01H der Firma X.________ bei der Bank Y.________
ergibt sich zwar, dass am 24. Juli 1996 tatsächlich eine Vergütung gemäss
"Auftrag 24.07.96" geleistet wurde. Aus der entsprechenden Belastungsanzeige
der Bank geht aber unmissverständlich hervor, dass dieser Überweisung an den
Beschwerdeführer effektiv eine Vergütung der "Banca R.________" an die Firma
X.________ zugrunde lag. Die Firma X.________ hat somit nur dem Rechtsschein
nach am 24. Juli 1996 Fr. 100'000.-- an den Beschwerdeführer geleistet. Die
wirkliche Leistungserbringerin war die Banca R.________. Der Rechtsgrund der
von dieser Bank an die Firma X.________ überwiesenen Geldleistung liegt völlig
im Dunkeln. Der Versicherte hat ihn in allen bisherigen Verfahren nie
offengelegt. Die von ihm nachträglich zu dieser Zahlung vorgelegten Dokumente
erscheinen daher als zu Prozesszwecken erstellt und der erneut behauptete
Rechtsgrund, es habe sich um eine Provisionszahlung gehandelt, ist als blosse
Simulation zu qualifizieren, die sogar strafrechtlich relevant sein könnte.

Vorinstanz und SUVA haben daher die am 24. Juli 1996 von der Firma X.________
geleistete Zahlung von Fr. 100'000.-- zu Recht im Teilbetrag von Fr. 50'000.-
als nicht im Jahre 1996 tatsächlich erzielten massgebenden Lohn und damit als
versicherten Verdienst im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG in Verbindung mit Art.
15 Abs. 2 UVG und Art. 22 Abs. 2 UVV anerkannt.

3.3 Kann aber schon für das Jahr 1996 nicht von einem um Fr. 50'000.-- höheren
als dem gegenüber allen Sozialversicherungsträgern und dem Fiskus deklarierten
Erwerbseinkommen ausgegangen werden, kann dies umso weniger für das mutmasslich
im Jahre 1998, das heisst im Zeitpunkt des Rentenbeginns erzielbare
Valideneinkommen gelten, zumal die zweite Hälfte der am 24. Juli 1996 erfolgten
Zahlung von Fr. 100'000.-- selbst nach der eigenen Sachdarstellung des
Beschwerdeführers für das Geschäftsjahr 1996/1997 und nicht für das
Kalenderjahr 1998 bestimmt gewesen ist.

4.
Die unentgeltliche Rechtspflege setzt voraus, dass eine Partei bedürftig ist
und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die
hier ausschlaggebende Frage, ob der Beschwerdeführer in den Jahren 1996 und
1997 abweichend von den sozialversicherungsrechtlich und steuerlich
deklarierten Erwerbseinkünften zusätzliches unselbständiges Erwerbseinkommen
von Fr. 100'000.-- erzielt hat oder nicht, ist bisher vier Mal
verwaltungsgerichtlich beurteilt und jedes Mal verneint worden; nämlich in der
arbeitslosenversicherungsrechtlichen Streitsache des Beschwerdeführers mit
Entscheid der Vorinstanz vom 23. November 2004 und mit Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 23. Januar 2006, im vorliegenden
Verfahren mit dem angefochtenen Entscheid vom 31. Januar 2008 sowie im
invalidenversicherungsrechtlichen Parallelverfahren mit Entscheid des
kantonalen Gerichts gleichen Datums. Bei einer solchen Konstellation hätte eine
Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger
Überlegung nicht entschlossen, zur gleichen Tatfrage noch ein fünftes
verwaltungsgerichtliches Beschwerdeverfahren anzustrengen. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist daher wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen und
die Gerichtskosten ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 96
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. August 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Polla