Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.281/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_281/2008

Urteil vom 8. August 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Parteien
R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher René Firmin,
Frutigenstrasse 6, 3601 Thun,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 5.
März 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 7. Juni 2007 verneinte die IV-Stelle Bern den Anspruch des
R.________, geboren 1961, auf eine Invalidenrente mangels rentenbegründender
Invalidität (Invaliditätsgrad: 14 %).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 5. März 2008 ab.

C.
R.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm
mindestens eine Viertelsrente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur
neuen Beurteilung zurückzuweisen. Des Weiteren ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung
mit Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1
IVG), zur Ermittlung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten
nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) sowie zum Beweiswert von
Arztberichten und medizinischen Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff., 122 V
157 E. 1c S. 160 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst die Würdigung der ärztlichen Berichte durch
die Vorinstanz.

3.1 Die Feststellung des Gesundheitsschadens, d.h. die Befunderhebung, die
gestützt darauf gestellte Diagnose, die ärztliche Stellungnahme zu dem noch
vorhandenen Leistungsvermögen oder (bei psychischen Gesundheitsschäden) zur
Verfügbarkeit von Ressourcen der versicherten Person sowie die aufgrund der
medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits(un)fähigkeit
betreffen Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398). Diese entziehen sich nach
der dargelegten Regelung der Kognition einer Überprüfung durch das
Bundesgericht weitgehend.

3.2 Eine offensichtliche Unrichtigkeit der Feststellung des medizinischen
Sachverhalts durch das kantonale Gericht ist vorliegend nicht ersichtlich,
nachdem sich Verwaltung und Vorinstanz auf ein Gutachten des Neurochirurgen Dr.
med. R.________ (vom 4. September 2006) abstützen konnten. Diesem ist zu
entnehmen, dass die geklagten Kreuzschmerzen aufgrund der klinischen
Untersuchung nicht zu einer medizinisch-theoretischen Arbeitsunfähigkeit
führen. Bezüglich der Magenbeschwerden (Hiatushernie) empfiehlt der Gutachter
zwar eine Operation. Indessen lässt sich dieses Leiden - nachdem der
Versicherte zu einer operativen Behandlung nicht bereit ist - gemäss Dr. med.
L.________ vom Regionalen Ärztlichen Dienst der IV-Stellen Bern/Freiburg/
Solothurn auch medikamentös behandeln. Dass es sich dabei um die Einschätzung
eines anstaltsinternen Arztes handelt, spricht nicht gegen den Beweiswert
dieses Berichts (BGE 125 V 351 E. 3b/ee S. 353 f.; AHI 2001 S. 112 [I 128/98]
E. 3b/ee mit Hinweisen).

4.
4.1 Die gesetzlichen und rechtsprechungsgemässen Regeln über die Durchführung
des Einkommenvergleichs, einschliesslich derjenigen über die Anwendung der
Schweizerischen Lohnstrukturerhebung, charakterisieren sich als Rechtsfragen
(BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399) und sind als solche frei überprüfbar.

4.2 Die Rechtsprechung wendet zur Ermittlung des hypothetischen
Invalideneinkommens, wenn die versicherte Person nach Eintritt des
Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue
Erwerbstätigkeit aufgenommen hat (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475), in der Regel
die Monatslöhne gemäss LSE-Tabelle TA1, Zeile "Total Privater Sektor", an
(nicht publizierte E. 5.1 von BGE 133 V 545 [9C_237/2007]). Es besteht
vorliegend kein Grund, ausnahmsweise auf die Durchschnittslöhne einer
bestimmten Branche abzustellen. Der angefochtene Entscheid, welcher
diesbezüglich auf die Verfügung der IV-Stelle vom 7. Juni 2007 verweist, ist
damit in diesem Punkt nicht zu beanstanden.

5.
Schliesslich beantragt der Beschwerdeführer einen höheren als den gewährten
Abzug vom Tabellenlohn. Dabei handelt es sich jedoch um einen typischen
Ermessensentscheid, welcher einer Korrektur nur bei rechtsfehlerhafter Ausübung
des Ermessens durch das kantonale Gericht zugänglich wäre (Art. 95 lit. a BGG).
Dafür bestehen bei der gewährten Reduktion von 10 % (anstelle der verlangten 20
%) keine Anhaltspunkte. Überdies führte ein höherer Abzug nicht zu einem
rentenbegründenden Invaliditätsgrad.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung
mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der
Befreiung von den Gerichtskosten; Art. 64 Abs. 1 BGG) und Verbeiständung (Art.
64 Abs. 2 BGG) kann gewährt werden, weil die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die
Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist und die Vertretung durch
einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten war. Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte
Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im
Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Fürsprecher René Firmin, Thun, wird als unentgeltlicher Anwalt des
Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, der
Ausgleichskasse Promea und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.
Luzern, 8. August 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung i.V. Lanz