Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.279/2008
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_279/2008

Urteil vom 25. September 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger,
nebenamtliche Bundesrichterin Buerki Moreni,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Parteien
S.________, Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 5. März 2008.

Sachverhalt:

A.
S.________, geboren 1957, ist verheiratet und Mutter eines 1989 geborenen
Sohnes. Sie lebt seit 1993 in der Schweiz und war als Monteurin in der
Uhrenindustrie tätig, zuletzt von Februar 2001 bis April 2004 bei der
X.________ SA. Am 30. Juli 2002 schlug sie mit dem Nacken und dem Hinterkopf am
Beckenrand eines Schwimmbades auf, nachdem ein anderer Feriengast sie von ihrem
Liegestuhl gekippt hatte. In der Folge litt sie unter einem posttraumatischen
Zervikalsyndrom mit Nacken- und Kopfschmerzen sowie Übelkeit und Erbrechen. Dr.
med. E.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, attestierte verschiedentlich
Arbeitsunfähigkeit. Am 24. Mai 2004 war sie in einen Verkehrsunfall verwickelt,
welcher ihre Beschwerden verschlechterte. Mit Anmeldung vom 8. April 2005
ersuchte S.________ um eine Rente der Invalidenversicherung. Die für den Unfall
vom 24. Mai 2004 zuständige Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
stellte am 12. August 2005, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 19. Juni
2007, ihre Leistungen per Ende August 2005 ein (vgl. dazu Urteil 8C_620/2007
vom 9. Juni 2008). Mit Verfügung vom 9. Oktober 2007 lehnte die IV-Stelle Bern
(nachfolgend: IV-Stelle) das Leistungsbegehren ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 5. März 2008 ab.

C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid sowie die
Verwaltungsverfügung vom 9. Oktober 2007 aufzuheben und die
Invalidenversicherung habe ihr die gesetzlichen Leistungen (Rente) zu
erbringen. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung, insbesondere
einer interdisziplinären Begutachtung, an die IV-Stelle zurückzuweisen. Die
IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Schreiben vom 20. August 2008 teilte die Rechtsvertreterin von S.________
mit, ihr Mandat sei erloschen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. zur
Invaliditätsbemessung auch BGE 132 V 393).

2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über das anwendbare Recht
(BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220 mit Hinweisen), die Begriffe der Invalidität
(Art. 8 Abs. 1 ATSG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG in der bis 31.
Dezember 2007 geltenden Fassung), insbesondere bei einer somatoformen
Schmerzstörung (BGE 131 V 49, 130 V 352 und 396, je mit Hinweisen), sowie den
Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG in der von 1. Januar 2004
bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt
für die Aufgabe des Arztes bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades (BGE 132 V
93 E. 4 S. 99 mit Hinweisen) und die Anforderungen an einen ärztlichen Bericht
sowie dessen beweisrechtliche Würdigung (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 mit
Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

3.
Die Versicherte lässt rügen, IV-Stelle und Vorinstanz hätten die Ablehnung
einer Invalidenrente auf Grund ungenügender Abklärungen getroffen und die
verschiedenen Berichte des Dr. med. E.________ und des Dr. med. U.________,
Chiropraktik, sowie das Gutachten des Dr. med. M.________, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie, Oberarzt, Universitätsklinik und Poliklinik
Y.________ für Psychiatrie, vom 6. Juni 2007 zu Unrecht ausser Acht gelassen.
Demzufolge habe die Vorinstanz den Untersuchungsgrundsatz verletzt.

4.
Die Vorinstanz hat in einlässlicher und überzeugender Würdigung der
medizinischen Akten, insbesondere der Berichte der Rehaklinik Z.________ vom
30. März 2004, des Dr. med. D.________, Facharzt für Neurologie, vom 21. Juni
2004 und 15. Dezember 2003, des Kreisarztes vom 20. Mai 2005 und des Dr. med.
B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, RAD, vom 3. Oktober
2007 in für das Bundesgericht verbindlicher Weise (E. 1) festgestellt, dass die
Versicherte im Wesentlichen an einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F
45.4) leidet, und gestützt auf den Bericht des Dr. med. B.________ vom 3.
Oktober 2007 die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Bejahung der
Unüberwindbarkeit der willentlichen Schmerzüberwindung verneint.
Daran ändern auch die Vorbringen der Versicherten nichts: Es ist nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz den Berichten der behandelnden Ärzte Dr. med.
E.________ und Dr. med. U.________ nicht das gleiche Gewicht einräumte wie
denjenigen der übrigen Ärzte; auf Grund der unterschiedlichen Natur von
Behandlungs- und Begutachtungsauftrag wird ein Administrativgutachten nicht
allein schon deshalb in Frage gestellt, weil die Gutachter zu einem anderen
Ergebnis als die behandelnden Ärzte kommen (Urteil 9C_176/2008 vom 19. Juni
2008, E. 3 mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat auch zu Recht nicht auf das
Gutachten des Dr. med. M.________ vom 6. Juni 2007 abgestellt, da dieses den -
sozialversicherungsrechtlich nicht massgeblichen - psychosozialen
Belastungsfaktoren grosses Gewicht beimisst und die erforderliche Komorbidität
von erheblicher Schwere nicht nachweist (BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 353). Nichts
zu ihren Gunsten abzuleiten vermag die Versicherte mit ihrem Vorbringen, sie
habe bei ihren Unfällen ein Schleudertrauma resp. ein mildes Hirntrauma
erlitten. Dies mag im Rahmen der Adäquanzprüfung bei der Unfallversicherung
eine Rolle spielen, ist jedoch vorliegend unbeachtlich. Denn erforderlich ist
im Rahmen der Invalidenversicherung allein, dass ein massgeblicher
Gesundheitsschaden vorliegt. Die von der Versicherten geschilderten Beschwerden
sind denn auch von allen Ärzten festgehalten und in die Beurteilung des
Gesundheitszustandes miteinbezogen worden; es liegen jedoch unterschiedliche
Beurteilungen über die Auswirkungen des letztlich unbestrittenen
Gesundheitszustandes vor. Für die Beurteilung des Gesundheitsschadens und der
Zumutbarkeit bei somatoformen Schmerzstörungen ist das in BGE 130 V 352, 130 V
396 und 131 V 49 Gesagte massgeblich. So hat Dr. med. B.________ in seiner
Stellungnahme vom 3. Oktober 2007 überzeugend dargelegt, weshalb die
sogenannten Foersterkriterien (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50) nicht erfüllt sind
und insbesondere auch unter Berücksichtigung der beiden Vorfälle in den Jahren
1999 und 2001 keine Komorbidität von erheblicher Schwere gegeben ist.
Schliesslich ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz angesichts der
umfangreichen medizinischen Akten im Rahmen der antizipierten Beweiswürdigung
(SVR 2001 IV Nr. 10 S. 27 E. 4b mit Hinweisen) von weiteren medizinischen
Abklärungen abgesehen hat. Sie hat demnach die Ablehnung des Leistungsbegehrens
durch die IV-Stelle zu Recht bestätigt.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die Versicherte hat als unterliegende Partei
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. September 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Riedi Hunold