Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.261/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_261/2008

Urteil vom 20. Juni 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Parteien
D.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno A. Hubatka, Obere Bahnhofstrasse 24, 9500
Wil,

gegen

Amt für Wirtschaft und Arbeit,
Abteilung Arbeitslosenkasse,
Zürcherstrasse 285, 8510 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 20. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1952 geborene D.________ arbeitete seit September 2005 als Kranführer bei
der Firma X.________. Nachdem über diese Firma der Konkurs eröffnet worden war,
meldete D.________ am 2. Juli 2007 beim Konkursamt eine Forderung von Fr.
37'463.- für während der Zeit vom 1. November 2006 bis 28. Februar 2007
unbezahlt gebliebenen Lohn (inklusive 13. Monatslohn vom 1. Januar 2006 bis 28.
Februar 2007), Ferienanspruch, Überzeitansprüche von 220 Stunden und Spesen an.
Am 15. August 2007 stellte er einen Antrag auf Insolvenzentschädigung in der
gleichen Höhe. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau wies diesen mit
Verfügung vom 3. September 2007 ab, da der Versicherte sich nicht nachdrücklich
um die Eintreibung seiner Forderung bemüht habe. Daran hielt sie auf Einsprache
hin fest (Entscheid vom 29. Oktober 2007).

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 20. Februar 2008 ab.

C.
D.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei ihm für die letzten
vier Monate des Arbeitsverhältnisses eine Insolvenzentschädigung in der Höhe
von Fr. 37'463.- zuzüglich 5 % Zins zuzusprechen.
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2 Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist auf Grund der Vorbringen in der
Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale
Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und
beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale
verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a bis c BGG), einschliesslich
einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1,
Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des BGG eine freie
Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht zu
unterbleiben (ausser wenn sich die Beschwerde gegen einen - im hier zu
beurteilenden Fall indessen nicht anfechtungsgegenständlichen - Entscheid über
die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder
Unfallversicherung richtet; Art. 97 Abs. 2 BGG). Ebenso entfällt eine Prüfung
der Ermessensbetätigung nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle (BGE
126 V 75 E. 6 S. 81 zu Art. 132 lit. a OG [in der bis 30. Juni 2006 gültig
gewesenen Fassung]).

2.
Im vorinstanzlichen Entscheid werden die Bestimmungen zum Anspruch auf
Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG) und zu dessen Umfang (Art.
52 Abs. 1 AVIG in der seit 1. Juli 2003 geltenden Fassung) und die gestützt
darauf ergangene Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Dasselbe gilt hinsichtlich der allgemeinen Schadenminderungspflicht des
Arbeitnehmers schon vor der Konkurseröffnung und des für eine ursprüngliche
Leistungsverweigerung vorausgesetzten schweren Verschuldens des Versicherten
mit der dazu ergangenen Rechtsprechung.

3.
Vorliegend ist einzig umstritten, ob der Beschwerdeführer nach Auflösung des
Arbeitsverhältnisses seiner Schadenminderungspflicht nachgekommen ist.

3.1 Der Beschwerdeführer macht letztinstanzlich geltend, das kantonale Gericht
habe seine mündlichen Mahnungen nicht als unmissverständliches Zeichen für die
Ernsthaftigkeit seiner Lohnforderung anerkannt. Es sei willkürlich, diese
Mahnungen nicht als rechtliche Schritte zur Durchsetzung seines Anspruchs zu
verstehen.
Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers ergibt sich weder aus der
allgemeinen Schadenminderungspflicht, noch aus der bisherigen Rechtsprechung,
dass ein Arbeitnehmer nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses (mindestens)
eine gewisse Zeit abwarten kann, bevor er konkrete Schritte zur Eintreibung von
Lohnausständen unternehmen muss. Vielmehr ist jeder Einzelfall auf seine
Besonderheit hin speziell zu prüfen. Diese Prüfung unterliegt unabdingbar einem
gewissen Ermessen.

3.2 Das kantonale Gericht hat in pflichtgemässer Würdigung der gesamten
Aktenlage mit nachvollziehbarer Begründung erkannt, dass der Beschwerdeführer
mit einer ausschliesslich mündlichen Geltendmachung seiner Forderung gegenüber
dem Arbeitgeber seiner konkreten Schadenminderungspflicht nicht in genügendem
Masse nachgekommen ist. Er hätte spätestens nach einigen Monaten merken müssen,
dass seine mündlichen Mahnungen nichts nutzten. Es liegen weder eine
Abzahlungsvereinbarung, noch behauptete oder gar belegte Teilzahlungen oder
ähnliche Belege für die Begleichung der Forderung bei den Akten, welche ein
tatenloses Zuwarten nachvollziehbar gemacht hätten. Schriftliche Vorkehren
wären daher angezeigt gewesen. Die bloss mündliche Mahnung kann als
unmissverständliches Zeichen für die Ernsthaftigkeit der Bemühungen nicht
ausreichen. Die vorinstanzliche Würdigung dieses Sachverhaltes ist daher
keinesfalls unhaltbar.

3.3 Insoweit letztinstanzlich behauptet wird, die Arbeitslosenkasse habe
willkürlich gehandelt, weil einem ehemaligen Arbeitskollegen in der konkursiten
Firma Insolvenzentschädigung ausbezahlt worden sei, handelt es sich um eine
neue Tatsachenbehauptung, die vor Bundesgericht nicht mehr vorgebracht werden
kann (Art. 99 Abs. 1 BGG), es sei denn, der vorinstanzliche Entscheid habe
hiezu Anlass gegeben. Dies wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht
ersichtlich; ohnehin sind die einzelnen Sachverhaltselemente, insbesondere die
Frage, was unternommen wurde, um die Forderung durchzusetzen, nicht bekannt,
weshalb aus dem blossen Umstand, dass Leistungen ausbezahlt worden sind, nichts
zu Gunsten des Beschwerdeführers abgeleitet werden kann. Im Lichte der weder
offensichtlich unrichtigen noch unvollständigen Tatsachenfeststellung im
angefochtenen Entscheid durfte das kantonale Gericht, ohne Bundesrecht zu
verletzen, den Anspruch auf Insolvenzentschädigung ablehnen.

3.4 Zusammenfassend hat das kantonale Gericht in pflichtgemässer Würdigung der
gesamten Aktenlage mit überzeugender Begründung, auf die verwiesen wird (Art.
109 Abs. 3 BGG), erkannt, dass der Versicherte seiner Schadenminderungspflicht
in der Durchsetzung seiner ausstehenden Lohnforderung nicht in genügendem Masse
nachgekommen ist. An dieser Betrachtungsweise vermögen die Vorbringen des
Beschwerdeführers nichts zu ändern. Sie sind nicht geeignet, die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung als offensichtlich unrichtig oder
unvollständig erscheinen zu lassen. Von einer willkürlichen Beweiswürdigung
durch die Vorinstanz kann ohnehin nicht gesprochen werden. Eine Beweiswürdigung
ist nicht bereits willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar
erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn der Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56). So
verhält es sich hier indessen nicht.

4.
Mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau,
dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abteilung Rechtsdienst und Entscheide,
Frauenfeld, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 20. Juni 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Schüpfer