Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.260/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

8C_260/2008
{T 0/2}

Urteil vom 29. September 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer,
nebenamtlicher Bundesrichter Bühler,
Gerichtsschreiber Grunder.

Parteien
L.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Fredy Fässler, Oberer Graben 42, 9000 St. Gallen,

gegen

"Zürich" Versicherungs-Gesellschaft,
Abteilung Recht, Prozesse/UVG, Postfach, 8085 Zürich,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Eugen Mätzler, Poststrasse
23, 9000 St. Gallen.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell
Ausserrhoden
vom 24. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1961 geborene L.________ war seit April 1989 vollzeitlich als Koch
(Souschef) im Hotel W.________ angestellt und gestützt auf dieses
Arbeitsverhältnis bei der "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden:
Zürich) gegen die Folgen von Unfällen obligatorisch versichert (Unfallmeldung
UVG vom 24. Januar 2003). Am 13. Januar 2003 wurde er am Arbeitsplatz nach
einem kurzen Disput überraschend von einem Küchengehilfen während ungefähr zehn
Minuten wiederholt mit zum Teil gefährlichen Gegenständen (Kochkelle,
Schraubenzieher, Hackmesser) angegriffen (Rapport der Polizei vom 20. Februar
2003). Der Versicherte erlitt eine kleine Rissquetschwunde frontal, Prellmarken
am rechten und linken Oberarm, links thorakal, am linken Ellbogen lateral sowie
an der linken und rechten Schulter (dorsal, links und rechts lumbal; vgl.
Bericht des Dr. K.________, Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, vom 24. Januar
2003). Nach anfänglich vollständiger Arbeitsunfähigkeit steigerte der
Versicherte das Arbeitspensum stufenweise (50 % ab 15. Januar 2005, 75 % ab 7.
März 2003 und 100 % ab 28. März 2003; vgl. Unfallschein UVG des Dr.
K.________). Wegen einer anhaltenden posttraumatischen Belastungsreaktion
wurden psychotherapeutische (vgl. Berichte des Dr. T.________, Psychotherapie
SPV, vom 14. März und 2. September 2003 sowie 26. Februar und 17. Juni 2004),
ergotherapeutische (vgl. Berichte der Frau mag. S.________, Praxis für
Ergotherapie, vom 25. Juni und 15. November 2004 sowie 31. August 2005),
psychopharmakologische (vgl. Berichte des Dr. K.________ vom 7. Juni, 3. August
und 5. November 2004) sowie psychiatrische (vgl. Auskünfte des Psychiatrischen
Zentrums X.________ vom 22. Dezember 2005) Behandlungen durchgeführt. Die
Zürich kam für die Heilbehandlung auf und richtete Taggeld aus. Mit Verfügung
vom 1. Februar 2006 stellte sie rückwirkend ab 1. Dezember 2005 mangels
Kausalzusammenhang ihre Leistungen ein. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 26. September 2006).

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher L.________ unter anderem
beantragen liess, es "seien (ihm) die gesetzlichen Versicherungsleistungen
weiter zu gewähren", wies das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden
nach Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels ab (Entscheid vom 24. Oktober
2007).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt L.________
beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihm "die per
1. Dezember 2005 eingestellten Leistungen der Unfallversicherung zu gewähren";
eventuell sei die Sache an die Vorinstanz "im Sinne der Erwägungen",
subeventuell an die Zürich "zur Vornahme weiterer Abklärungen" zurückzuweisen.

Die Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur
Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige
Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung
genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise
weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem
Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und
insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 131 V 161 E. 2.1 S. 164, 125 V 413
E. 1a S. 414, 119 Ib 33 E. 1b S. 36, je mit Hinweisen).

1.2 Die Zürich hat die nach dem Unfall vom 13. Januar 2003 ausgerichteten
Taggeldleistungen nach Wiedererlangung der vollständigen Arbeitsfähigkeit ab
28. März 2003 formlos eingestellt (vgl. die an das Hotel W.________ adressierte
Schlussabrechnung vom 15. April 2003 sowie den Unfallschein UVG des Dr.
K.________). Wohl hat die Zürich im Einspracheentscheid vom 26. September 2006
und in der Verfügung vom 1. Februar 2006 wiederholt die Ausdrücke
"Leistungspflicht" und "Leistungseinstellung" erwähnt, woraus geschlossen
werden könnte, dass sie auch einen allenfalls weiter geltend gemachten
Taggeldanspruch beurteilte. Indessen steht aufgrund der Akten fest, dass im
Zeitraum bis zum Erlass der Verfügung vom 1. Februar 2006 ein Anspruch auf
weitere Taggeldleistungen oder auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung
nie zur Diskussion stand. Die Zürich hat denn auch den Versicherten am Schluss
der Verfügung vom 1. Februar 2006 daran erinnert, sich bezüglich Übernahme der
Heilungskosten an die Krankenversicherung zu wenden. Gemäss Wortlaut des im
kantonalen wie auch im letztinstanzlichen Verfahren gestellten (Haupt)begehrens
will der Beschwerdeführer anscheinend den Anfechtungs- und Streitgegenstand
über den beurteilten Anspruch auf Heilbehandlung hinaus ausdehnen. Hiefür geben
jedoch weder die Aktenlage noch der Einsprache- oder vorinstanzliche Entscheid
Anlass.

1.3 Nach dem Gesagten ist einzig zu prüfen, ob der Beschwerdeführer über den 1.
Dezember 2005 hinaus Anspruch auf Heilbehandlung (Art. 10 Abs. 1 UVG) hat.

2.
2.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.2 Nach Art. 97 Abs. 2 BGG kann jede unrichtige oder unvollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden, wenn sich die
Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung richtet. Geldleistungen
sind insbesondere Taggelder, Renten, jährliche Ergänzungsleistungen und Zulagen
zu solchen (Art. 14 ATSG; vgl. Rudolf Ursprung/Petra Fleischanderl in:
Festschrift 100 Jahre Aargauischer Anwaltsverband, Aargauischer Juristenverein
[Hrsg.], 2005, S. 426; Basler Kommentar, Niggli/Übersax/Wiprächtiger [Hrsg.],
Bundesgerichtsgesetz, S. 959 sowie 1037). Als Sachleistung gilt gemäss Art. 13
ATSG unter anderem die Heilbehandlung nach Art. 10 UVG (vgl. Ursprung/
Fleischanderl und Basler Kommentar a.a.O.).

2.3 Da einzig eine Sachleistung (Heilbehandlung nach Art. 10 UVG) streitig ist,
hat das Bundesgericht die Sache nach den in E. 2.1 hievor erwähnten
verfahrensrechtlichen Regeln zu prüfen.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Feststellung des kantonalen Gerichts,
hinsichtlich des Unfalles vom 13. Januar 2003 sei von einer "Situation"
auszugehen, die zuerst verbal eskalierte, sei unrichtig. Zudem sei nicht
zutreffend, dass der ihn attackierende Mitarbeiter den Schraubenzieher bloss
leicht fuchtelnd eingesetzt habe. Schliesslich könne entgegen der
vorinstanzlichen Annahme nicht von laufenden Fortschritten in der Verarbeitung
des psychischen Traumas gesprochen werden.

3.2 Laut Polizeirapport vom 20. Februar 2003 sowie Überweisungsverfügung des
Verhöramtes vom 8. Juli 2004, ist den tätlichen Angriffen des Mitarbeiters ein
Disput wegen eines Gerüchtes, das der Versicherte verbreitet haben soll,
vorausgegangen. Sodann ist den im angefochtenen Entscheid zitierten Auskünften
des behandelnden Psychiaters Dr. T.________ (vgl. Berichte vom 13. März und 2.
September sowie 26. Februar 2004) sowie der Ergotherapeutin Frau mag.
S.________ (vgl. Berichte vom 15. November 2004 und 31. August 2005) zu
entnehmen, dass die posttraumatischen psychischen Beeinträchtigungen des
Beschwerdeführers erheblich verbessert werden konnten. Angesichts dieser
Unterlagen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt
offensichtlich unrichtig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt haben soll. Allerdings trifft zu, dass der attackierende
Mitarbeiter mit dem Schraubenzieher nicht nur herumfuchtelte, sondern damit auf
den Versicherten einstach und ihm leichte Verletzungen zufügte (vgl. den
erwähnten Polizeirapport und die zitierte Überweisungsverfügung). Der
Beschwerdeführer legt aber nicht dar, inwiefern die diesbezügliche unrichtige
Sachverhaltsfestellung der Vorinstanz einen Mangel begründet, dessen Behebung
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. Mit dem kantonalen
Gericht, auf dessen Erwägungen verwiesen wird, ist insgesamt der adäquate
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 13. Januar 2003 und den über den
Zeitpunkt der Leistungseinstellung ab 1. Dezember 2005 hinaus geltend gemachten
psychischen Beeinträchtigungen zu verneinen.

4.
4.1 Bei diesem Verfahrensausgang ist der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

4.2 Die anwaltlich vertretene obsiegende Zürich beantragt für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung (vgl. Vernehmlassung der
Zürich, deren Rechtsbegehren mit der Formulierung "unter Kosten- und
Entschädigungsfolge" schliesst). Gemäss Art. 68 Abs. 3 BGG wird unter anderem
mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine
Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis
obsiegen. Bei der Zürich handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche
Organisation, soweit sie Aufgaben im Bereich der obligatorischen
Unfallversicherung erfüllt (vgl. zu Art. 159 Abs. 2 alt OG: BGE 121 V 356 E. 6
S. 361 mit Hinweisen). Die Zürich obsiegt vorliegend in ihrem amtlichen
Wirkungskreis. Im Unterschied zu Art. 66 Abs. 4 BGG, worin die Verlegung der
Gerichtskosten geregelt wird, enthält Art. 68 Abs. 3 BGG keine Sonderregel für
den (hier grundsätzlich vorliegenden) Fall, dass Vermögensinteressen im Spiel
stehen. Damit fragt sich einzig, ob eine Ausnahme vom grundsätzlichen ("in der
Regel") Ausschluss einer Parteientschädigung greift. Die Beschwerdegegnerin
begründet ihren Antrag jedoch nicht und macht nicht geltend, weshalb ihr
ausnahmsweise eine Parteientschädigung zuzusprechen wäre. Entsprechende Gründe
sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. September 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung i. V. Fessler