Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.241/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_241/2008

Urteil vom 25. März 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiber Flückiger.

Parteien
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

Helsana Versicherungen AG, Versicherungsrecht, 8081 Zürich, Beschwerdegegnerin,

D.________,

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 14.
Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1952 geborene D.________ war bei der Helsana Versicherungen AG
(nachfolgend: Helsana) obligatorisch krankenpflegeversichert, als er sich am 7.
Februar 2007 einer Katarakt-Operation unterzog. Die Helsana übernahm die Kosten
dieser Operation in Höhe von Fr. 2'700.-. Bereits vor und erneut nach dem
Eingriff forderte sie den Versicherten auf, sich bei der Eidgenössischen
Invalidenversicherung (nachfolgend: IV) zum Leistungsbezug (medizinische
Eingliederungsmassnahmen) anzumelden. Nachdem dies unterblieben war, meldete
die Helsana ihrerseits D.________ bei der IV an (Schreiben vom 6. Juli 2007).

Mit Verfügung vom 29. Oktober 2007 trat die IV-Stelle Bern nicht auf das
Leistungsbegehren ein. Zur Begründung erklärte sie, die Helsana sei nicht
legitimiert, den Versicherten anzumelden.

B.
In Gutheissung der dagegen von der Helsana erhobenen Beschwerde hob das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern die angefochtene Verfügung auf und wies die
Sache an die IV-Stelle zurück "zum weiteren Vorgehen im Sinne der Erwägungen".
In den Erwägungen hielt das Gericht fest, die IV-Stelle habe auf die Anmeldung
vom 6. Juli 2007 einzutreten und die erforderlichen Abklärungen zur Beurteilung
ihrer Leistungspflicht vorzunehmen (Entscheid vom 14. Februar 2008).

C.
Die IV-Stelle Bern erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.

Die Helsana schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) deren Gutheissung beantragt.

Erwägungen:

1.
1.1 Indem das kantonale Gericht einzig über die Eintretensfrage entschied und
die Prozessvoraussetzungen als erfüllt erachtete, hat es nach der Terminologie
des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
einen Vorentscheid gefällt (Urteil 8C_13/2007 vom 28. Januar 2008 E. 1; vgl.
BGE 133 V 477 E. 4.1.3 S. 481 mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist somit nur
dann einzutreten, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken könnte (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde
(Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).

1.2 Bleibt es beim angefochtenen Entscheid des kantonalen Gerichts, muss die
IV-Stelle darüber befinden, ob die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten
der Katarakt-Operation erfüllt sind. Trifft dies zu, hat sie - aufgrund ihrer
Bindung an den kantonalen Gerichtsentscheid - die Leistungen verfügungsweise
zuzusprechen. Die Verwaltung könnte ihre eigene Verfügung nicht anfechten und
damit auch nicht verhindern, dass diese in Rechtskraft erwächst. Dadurch
erlitte sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.
Am 1. Januar 2008 sind die Änderungen des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) und anderer Erlasse wie des
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; ;
SR 830.1) vom 6. Oktober 2006 (5. IV-Revision, AS 2007 5129 ff.) in Kraft
getreten. Auf den vorliegenden Fall sind noch die früheren Gesetzesfassungen
anwendbar (vgl. BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220 mit Hinweisen).

3.
Strittig und zu prüfen ist einzig, ob die IV-Stelle auf die Anmeldung vom 6.
Juli 2007 hätte eintreten müssen, welche die Helsana in eigenem Namen für
D.________ einreichte. Das kantonale Gericht hat die Frage bejaht, während sie
von der Beschwerdeführerin verneint wird.

4.
4.1 Wer Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung erhebt, hat sich auf
amtlichem Formular anzumelden und eine Ermächtigung zur Einholung weiterer
Auskünfte zu erteilen (Art. 65 Abs. 1 IVV). Befugt zur Geltendmachung des
Anspruchs sind der Versicherte, sein gesetzlicher Vertreter sowie Behörden oder
Dritte, die den Versicherten regelmässig unterstützen oder dauernd betreuen
(Art. 66 Abs. 1 IVV).

4.2 Die Helsana ist für die Kosten der Katarakt-Operation in Höhe von Fr.
2'700.- aufgekommen. Darin liegt offensichtlich weder eine regelmässige
Unterstützung noch eine dauernde Betreuung im Sinne von Art. 66 Abs. 1 IVV.
Falls die dortige Umschreibung der Anmeldeberechtigung als abschliessend zu
gelten hat, war der Nichteintretensentscheid der IV-Stelle korrekt. Im
Folgenden bleibt zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin gestützt auf eine andere
Rechtsgrundlage zur Anmeldung befugt ist.

5.
5.1 Die Beschwerdegegnerin leitet ihre Anmeldebefugnis daraus ab, dass sie
gemäss Art. 70 Abs. 2 lit. a ATSG für die Übernahme der Operationskosten
vorleistungspflichtig gewesen sei. Die Beschwerdeführerin und ihr folgend das
BSV bestreiten zunächst das Bestehen einer Vorleistungspflicht. Sie machen
geltend, eine solche setze voraus, dass der betroffene Versicherer im Zeitpunkt
seiner Zahlung bezweifle, ob er für die Leistungserbringung zuständig sei. Ein
solcher Zweifel könne allenfalls bejaht werden, wenn der Versicherungsträger
die berechtigte Person vor oder bei der Erbringung seiner eigenen Leistung
auffordere, sich bei einer anderen Sozialversicherung anzumelden. Im Rahmen des
invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens habe der Krankenversicherer
indessen erklärt, er habe die Kosten der Kataraktoperation übernommen und die
berechtigte Person erst im Nachhinein zur Anmeldung bei der IV aufgefordert.

5.2 Aus den Akten ergibt sich, dass die Helsana den Versicherten bereits mit
Schreiben vom 9. Januar 2007, unmittelbar nach Eingang der Information über die
für den 7. Februar 2007 vorgesehene Operation und vor der Erbringung ihrer
Leistung, aufgefordert hat, sich bei der Invalidenversicherung anzumelden.
Damit ist der für die Vorleistungspflicht kennzeichnende Zweifel an der
(definitiven) eigenen Leistungspflicht (vgl. Art. 70 Abs. 1 ATSG und Ueli
Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2009, S. 917 Art. 70 N 17) gegeben.
Es ist daher nicht näher zu untersuchen, wie die Sache andernfalls zu
beurteilen wäre.

6.
Zu prüfen bleibt, ob die (erfüllte) Vorleistungspflicht des Krankenversicherers
nach Art. 70 Abs. 2 lit. a ATSG diesem das Recht verschafft, die versicherte
Person unabhängig von deren Willen bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug (medizinische Massnahmen) anzumelden.

6.1 Hat ein vorleistungspflichtiger Versicherungsträger Leistungen erbracht und
wird der Fall von einem anderen Träger übernommen, so hat dieser die
Vorleistungen im Rahmen seiner Leistungspflicht zurückzuerstatten (Art. 71
ATSG). Um die Übernahme des Falles durch den zuständigen Träger zu
gewährleisten, bestimmt Art. 70 Abs. 3 ATSG, die berechtigte Person habe sich
bei den in Frage kommenden Sozialversicherern anzumelden. Kommt die versicherte
Person, wie hier, der ihr durch diese Bestimmung auferlegten Verpflichtung
nicht nach, stellt sich die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen dieses
Verhaltens. Das Gesetz enthält keine diesbezüglichen Bestimmungen.
Dementsprechend hat das Gericht eine Regel aufzustellen (vgl. Art. 1 Abs. 2 und
3 ZGB). Im Schrifttum werden dazu verschiedene Positionen vertreten:
6.1.1 Eine Lehrmeinung verneint (implizit) ein Anmelderecht des vorleistenden
Versicherungsträgers und spricht diesem stattdessen - ausgehend von den
bereichsspezifischen Regelungen auf Verordnungsstufe in Art. 51 Abs. 2 UVV (SR
832.202) und 29 Abs. 2 MVV (SR 833.11) - die Befugnis zu, die eigenen
Leistungen davon abhängig zu machen, dass die versicherte Person ihrerseits die
Anmeldung vornimmt (Franz Schlauri, Die zweigübergreifende Verrechnung und
weitere Instrumente der Vollstreckungskoordination des
Sozialversicherungsrechts, in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.],
Sozialversicherungsrechtstagung 2004, S. 137 ff., 180). Einen ähnlichen
Standpunkt vertritt die Beschwerdeführerin.
6.1.2 Eine andere Auffassung leitet die Anmeldebefugnis aus einer Analogie zur
Weiterleitungspflicht nach Art. 30 ATSG ab (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 2.
Auflage, Zürich 2009, S. 923 Art. 70 N 35 am Ende; derselbe, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, 2. Auflage Basel
2007 [nachfolgend: SBVR], S. 329 N 276) oder bezeichnet diese Konzeption als
noch nicht abschliessend geklärt (Thomas Gächter, Grundlegende Prinzipien des
Koordinationsrechts, in: Schaffhauser/Schlauri, Sozialversicherungsrechtliche
Leistungskoordination, St. Gallen 2006, S. 9 ff., 54 f.).
6.1.3 Nach Ansicht eines weiteren Autors kommt die Nichtanmeldung faktisch
einem Verzicht auf Leistungen gleich. Dieser könne jedoch nur schriftlich
erfolgen (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 ATSG) und sei überdies nichtig, sofern
schutzwürdige Interessen Dritter beeinträchtigt würden. Deshalb sei der
vorleistungspflichtige Versicherer als legitimiert zu betrachten, die Anmeldung
vorzunehmen (Hans-Jakob Mosimann, Vorleistungen nach ATSG, in: Schaffhauser/
Kieser [Hrsg.], Das prekäre Leistungsverhältnis im Sozialversicherungsrecht,
St. Gallen 2008, S. 107 ff., 112 f.).
6.1.4 Schliesslich wird die Anmeldebefugnis auch aus dem Grundsatz der Einheit
des Prozesses abgeleitet: Ein vorleistungspflichtiger Versicherer sei
legitimiert, den Entscheid eines anderen Trägers auf dem Rechtsmittelweg
anzufechten (Befugnis zur Anfechtung "pro Adressat"; vgl. BGE 134 V 153 E. 5.4
S. 159 f. mit Hinweisen; zum Verhältnis IV-KV siehe Art. 88quater Abs. 1 IVV
sowie Maria Londis, Das Verhältnis der Krankenversicherer zu den anderen
Sozialversicherungen, SZS 2001 S. 132 ff., 133 f.). Er müsse deshalb den
entsprechenden Anspruch auch mittels Anmeldung geltend machen können (Ueli
Kieser, Vorleistungspflichten der Pensionskassen nach BVG und ATSG - Fragen und
einige Antworten, in: Schaffhauser/Stauffer [Hrsg.], Die 1. BVG-Revision. Neue
Herausforderungen - Praxisgerechte Umsetzung, St. Gallen 2005, S. 101 ff.,
109).

6.2 Die erwähnten Positionen sind in grundsätzlicher Hinsicht wie folgt zu
beurteilen:
6.2.1 Die Weiterleitungspflicht gemäss Art. 30 ATSG begründet keine Pflicht des
empfangenden Trägers, auf ein Leistungsgesuch einzutreten. Ihr Zweck besteht
darin, zu verhindern, dass ein Gesuch nur deshalb materiell unbehandelt bleibt,
weil es bei einer unzuständigen Behörde eingereicht wurde. Im Fall der
Vorleistung liegt keine derartige Konstellation vor, denn der vorleistende
Versicherungsträger ist zur Leistungserbringung an die versicherte Person
zuständig. Die spätere Abwicklung im Verhältnis zwischen Versicherungsträgern
beschlägt nicht den Anwendungsbereich von Art. 30 ATSG. Ebenso wenig besteht
eine Grundlage für einen Analogieschluss.
6.2.2 Der Standpunkt, die Anmeldebefugnis lasse sich aus der mit der
Vorleistungspflicht verbundenen Beschwerdelegitimation ("pro Adressat")
ableiten, wird - entgegen der Argumentation des BSV in seiner Vernehmlassung -
durch die ältere Rechtsprechung gestützt. Danach muss, wer aus eigenem Recht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (gemäss dem bis Ende 2006 gültig gewesenen
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege [OG]) führen kann,
auch im kantonalen Beschwerdeverfahren und im Anmeldeverfahren aus eigenem
Recht legitimiert sein (BGE 98 V 54 E. 1 S. 55 f.; kritisch dazu: Ueli Kieser,
Das Verwaltungsverfahren in der Sozialversicherung, Zürich 1999, S. 136 ff. N
305 ff.). In jüngeren Urteilen betonte das Eidgenössische Versicherungsgericht
ebenfalls den engen Zusammenhang zwischen der Legitimation, einen bestimmten
Anspruch auf dem Rechtsmittelweg geltend zu machen, und der Befugnis, die
versicherte Person bei der Verwaltung zum Bezug dieser Leistung anzumelden (BGE
130 V 560 E. 4.3 S. 568 mit Hinweis auf Fritz Gygi,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 153; SVR 2005 AlV Nr.
5 S. 13 E. 3.1, C 12/04; Urteil I 559/05 vom 31. März 2006, E. 2.2). Die
Ableitung eines Anmelderechts aus dem Grundsatz der Einheit des Prozesses ist
somit prinzipiell denkbar.
6.2.3 Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 ATSG kann die berechtigte Person auf
Versicherungsleistungen verzichten. Der Verzicht ist schriftlich zu erklären.
Er ist nichtig, wenn die schutzwürdigen Interessen von anderen Personen, von
Versicherungen oder Fürsorgestellen beeinträchtigt werden (Art. 23 Abs. 2
ATSG). In casu liegt kein schriftlicher Verzicht auf Leistungen vor. Die Lehre
betrachtet das einfache Unterlassen der Anmeldung nicht als Verzicht im Sinne
von Art. 23 ATSG (Ghislaine Frésard-Fellay, De la renonciation aux prestations
d'assurance sociale [art. 23 LPGA/ATSG], HAVE 2002 S. 335 ff., 337; Ueli
Kieser, Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts
[ATSG], in: SBVR, S. 256 N 60 und S. 267 N 94; derselbe, ATSG-Kommentar, 2.
Auflage, Zürich 2009, Art. 23 N 7 und Art. 29 N 13; Gebhard Eugster,
Krankenversicherung, in: SBVR, S. 811 N 1197; André Pierre Holzer, Verjährung
und Verwirkung der Leistungsansprüche im Sozialversicherungsrecht, Diss.
Freiburg 2005 S. 77). Die Annahme einer Nichtigkeit in analoger Anwendung von
Art. 23 ATSG setzt daher jedenfalls voraus, dass die Nichtanmeldung im
konkreten Zusammenhang qualifizierende Elemente aufweist. Als Konsequenz der
Annahme von Nichtigkeit wäre die Bejahung eines Anmelderechts des betroffenen
Sozialversicherers möglich.
6.3
6.3.1 Soweit das ATSG einen Versicherungsträger für vorleistungspflichtig
erklärt, statuiert es in Art. 70 Abs. 3 ATSG eine Verpflichtung der
versicherten Person, ihre Ansprüche gegenüber anderen Versicherern anzumelden.
Daraus wird deutlich, dass der Anmeldung in diesem Zusammenhang besondere
Bedeutung zukommt. Das Gesetz überlässt es nicht dem Belieben der versicherten
Person, ob sie sich beim zuständigen Versicherer anmelden will. Das Unterlassen
der Anmeldung - unter Missachtung der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung
- hat in diesem Zusammenhang nicht nur zur Folge, dass der entsprechende
Anspruch mit der Zeit erlischt (vgl. Art. 24 Abs. 1 ATSG), sondern
verunmöglicht es auch der Beschwerdegegnerin, welche Vorleistungen erbracht
hat, eine auf Art. 71 ATSG gestützte Forderung geltend zu machen. Diese
Auswirkungen sind in ihrer Intensität jenen eines formellen Verzichts im Sinne
von Art. 23 ATSG gleichzusetzen. Sie lassen sich vermeiden, wenn der Träger,
welcher Vorleistungen erbracht hat, die Anmeldung aus eigenem Recht vornehmen
kann. Auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit des Prozesses ist ein
berechtigtes Interesse des vorleistungspflichtigen Versicherers gegeben,
welches die Annahme einer Anmeldebefugnis rechtfertigt. Die Frage nach den
rechtlichen Konsequenzen einer Verletzung der Anmeldepflicht gemäss Art. 70
Abs. 3 ATSG ist deshalb dahingehend zu beantworten, dass derjenige
Sozialversicherungsträger, welcher in Erfüllung einer Verpflichtung nach Art.
70 Abs. 1 und 2 ATSG Vorleistungen erbracht hat, die versicherte Person aus
eigenem Recht beim von ihm als zuständig erachteten Träger anmelden kann. Damit
kann offen bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gesichtspunkte der
Einheit des Prozesses (E. 6.1.4 hiervor) und der Nichtigkeit eines Verzichts
(E. 6.1.3 hiervor) auch in anderen Konstellationen eine Anmeldebefugnis Dritter
zu begründen vermögen.
6.3.2 Nach dem Gesagten kann die versicherte Person den vorleistungspflichtigen
Sozialversicherer nicht daran hindern, beim letztendlich zuständigen
Versicherungsträger im Rahmen von Art. 71 ATSG die Rückerstattung der
Vorleistungen zu verlangen. Unterlässt sie die Anmeldung, ist der Versicherer,
welcher Vorleistungen erbracht hat, befugt, diese aus eigenem Recht
vorzunehmen. Das Anmelderecht steht demnach neben den in Art. 66 Abs. 1 IVV
genannten Berechtigten auch dem im Verhältnis zur Invalidenversicherung
vorleistungspflichtigen Träger zu, welcher seine gesetzliche
Vorleistungspflicht erfüllt hat. Soweit Rz. 1015 des Kreisschreibens über das
Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI) etwas anderes besagt, ist die
Verwaltungsweisung nicht rechtmässig.

7.
7.1 Die Beschwerdeführerin macht des Weiteren geltend, auch bei Vorliegen einer
Anmeldebefugnis Dritter könne nur der (urteilsfähige) Versicherte selbst die
für die Anspruchsprüfung erforderliche Entbindung von der Schweigepflicht
vornehmen. Es sei davon auszugehen, dass die entsprechende Ermächtigung nicht
erteilt würde. Deshalb hätte das Leistungsgesuch ohnehin (gestützt auf Art. 43
Abs. 3 ATSG) durch einen Nichteintretensentscheid erledigt werden müssen. Das
kantonale Gericht habe deshalb zu Unrecht erkannt, die IV-Stelle müsse auf die
Anmeldung des Krankenversicherers eintreten und in der Folge das
Abklärungsverfahren durchführen.

7.2 Nach der zu Art. 66 Abs. 2 IVV ergangenen Rechtsprechung umfasst die
zulässige Anmeldung durch Drittpersonen die Entbindung von Geheimnisträgern
(insbesondere Ärztinnen und Ärzten) von ihrer Schweigepflicht nicht. Diese ist
der (urteilsfähigen) versicherten Person vorbehalten (BGE 120 V 435 E. 2b S.
438 f.; Urteil I 113/05 vom 8. Juni 2005 E. 2.4 am Ende). Im vorliegenden
Kontext ist jedoch zu beachten, dass der Versicherte durch die Geltendmachung
seines Anspruchs auf Kostenübernahme beim obligatorischen
Krankenpflegeversicherer den behandelnden Arzt im Verhältnis zu diesem
Versicherungsträger von der Schweigepflicht entbunden hat. Diese Entbindung
entfaltet auch insoweit Wirkung, als der vorleistungspflichtige
Krankenversicherer anschliessend den bezahlten Betrag bei der - nach seiner
Auffassung - letztlich zur Kostenübernahme verpflichteten IV-Stelle einfordern
will. Eine zusätzliche Entbindungserklärung ist in dieser spezifischen
Konstellation nicht erforderlich. Wie es sich verhält, falls die Organe der
Invalidenversicherung für die Anspruchsprüfung weitere Informationen benötigen,
über die der Krankenversicherer nicht verfügt und welche einer
Geheimhaltungspflicht unterliegen, ist im vorliegenden Verfahren nicht näher zu
prüfen. Dasselbe gilt für die vom BSV thematisierten Auswirkungen der 5.
IV-Revision (E. 2 hiervor), insbesondere die in diesem Zusammenhang
eingefügten, seit 1. Januar 2008 in Kraft stehenden und deshalb vorliegend
nicht anwendbaren Art. 6a IVG und Art. 66 Abs. 1bis IVV.

8.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die IV-Stelle die Anmeldung vom 6. Juli 2007
hätte behandeln müssen. Das kantonale Gericht hat die gegen den
Nichteintretensentscheid vom 29. Oktober 2007 erhobene Beschwerde zu Recht
gutgeheissen. Die Beschwerde ist abzuweisen.
9. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin als der unterliegenden Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da sich zwei Sozialversicherungsträger
gegenüberstehen, gilt für die Gerichtsgebühr der ordentliche Rahmen nach Art.
65 Abs. 3 BGG, während Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG keine Anwendung findet
(Urteile 9C_799/2007 vom 25. April 2008, E. 4, und 8C_13/2007 vom 28. Januar
2008, E. 6.1 [nicht publiziert in BGE 134 V 153]).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. März 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Flückiger