Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.223/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_223/2008

Urteil vom 9. März 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Parteien
K.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Zenari,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 19. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
K.________, geboren 1961, wurde am 20. Juni 2002 als Mitfahrerin bei einem
Auffahrunfall verletzt. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 12. Juni 2006 und
Einspacheentscheid vom 11. Januar 2007 schloss sie den Fall per 30. Juni 2006
ab.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 19. Dezember 2007 ab.

C.
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihr die ihr
zustehenden Leistungen aus UVG zuzusprechen, eventualiter seien weitere
medizinische Abklärungen anzuordnen. Des Weiteren ersucht sie um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.
Während die SUVA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Verfügung vom 30. Januar 2009 hat das Bundesgericht das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege mangels Bedürftigkeit abgewiesen.

Erwägungen:

1.
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die Bestimmung über die
Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers bei Berufsunfällen,
Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten (Art. 6 Abs. 1 UVG) richtig
wiedergegeben. Gleiches gilt für die Grundsätze über den für einen
Leistungsanspruch nebst anderem erforderlichen natürlichen Kausalzusammenhang
zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod;
BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen). Ebenfalls zutreffend dargelegt ist
die Rechtsprechung über den zusätzlich zum natürlichen Kausalzusammenhang
erforderlichen adäquaten Kausalzusammenhang. Danach spielt im
Sozialversicherungsrecht die Adäquanz als rechtliche Eingrenzung der sich aus
dem natürlichen Kausalzusammenhang ergebenden Haftung des Unfallversicherers im
Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da
sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (BGE 127
V 102 E. 5b/bb S. 103 mit Hinweisen). Anders verhält es sich bei natürlich
unfallkausalen, aber organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden. Hier
ist bei der Beurteilung der Adäquanz vom augenfälligen Geschehensablauf
auszugehen, und es sind je nachdem weitere unfallbezogene Kriterien
einzubeziehen (BGE 117 V 359 E. 6 S. 366 ff. und 369 E. 4 S. 382 ff., 115 V 133
E. 6 S. 138 ff.). Bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall werden diese
Adäquanzkriterien unter Ausschluss psychischer Aspekte geprüft (BGE 115 V 133
E. 6c/aa S. 140), während bei Schleudertraumen (BGE 117 V 359 E. 6a S. 367) und
äquivalenten Verletzungen der HWS (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 E. 2) sowie
Schädel-Hirntraumen (BGE 117 V 369 E. 4b S. 383) auf eine Differenzierung
zwischen physischen und psychischen Komponenten verzichtet wird (vgl. zum
Ganzen auch BGE 127 V 102 E. 5b/bb S. 103 und SVR 2007 UV Nr. 8 S. 27, U 277/
04, E. 2 ff., je mit Hinweisen).
Anzufügen bleibt, dass das Bundesgericht jüngst die sogenannte
Schleudertrauma-Praxis in zweierlei Hinsicht präzisiert hat: Zum einen wurden
die Anforderungen an den Nachweis einer natürlich unfallkausalen Verletzung,
welche die Anwendung dieser Praxis bei der Prüfung des adäquaten
Kausalzusammenhangs rechtfertigt, erhöht. Zum anderen wurden die Kriterien,
welche abhängig von der Unfallschwere gegebenenfalls in die Adäquanzbeurteilung
einzubeziehen sind, teilweise modifiziert (BGE 134 V 109 E. 9 und 10 S. 121
ff.). Die bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall geltenden Grundsätze
liess das Bundesgericht hingegen unverändert bestehen (E. 6.1 des erwähnten
Urteils [S. 116]).

2.
Streitig ist, ob die von der Beschwerdeführerin auch nach dem 30. Juni 2006
geklagten Beschwerden adäquat-kausal auf den erlittenen Unfall zurückzuführen
sind.
Die Vorinstanz hat diese Frage nach eingehender Würdigung der medizinischen
Aktenlage nach der Rechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen geprüft. Sie
ist dabei davon ausgegangen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des
Einspracheentscheides keine organisch objektivierbaren unfallbedingten Befunde
mehr erhoben werden konnten. Dem ist beizupflichten. So ist zunächst
unbestritten, dass die beim Unfall erlittenen Kontusionen an Becken, Tibia,
Rippen und Kopf ausgeheilt waren. Des Weiteren hat das kantonale Gericht
zutreffend erkannt, dass das erlittene Schleudertrauma der Halswirbelsäule zu
dem für diese Verletzung typischen bunten (organisch objektiv nicht
ausgewiesenen) Beschwerdebild geführt hat, die psychischen Beschwerden jedoch
schon bald, nämlich bereits bei der ersten kreisärztlichen Untersuchung vom 18.
März 2003, im Vordergrund standen.
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.
Insbesondere hat sich die Vorinstanz zu den - unspezifischen - neurologischen
Befunden sowie zum (erstmals anlässlich der kreisärztlichen Untersuchung vom
18. März 2003) geklagten und von den Ärzten als unfallfremd interpretierten
Tinnitus einlässlich und zutreffend geäussert. Die Kritik der
Beschwerdeführerin am psychiatrischen Teilgutachten des Instituts für
medizinische Begutachtung X.________ (Gutachten vom 9. September 2005) unter
Berufung auf das beim kantonalen Gericht eingereichte Privatgutachten des Dr.
med. H.________ (vom 31. Mai 2007) ist nicht geeignet, die vorinstanzliche
eingehende Beurteilung und Bejahung der Frage, ob die psychischen Beschwerden
im Vordergrund stehen, in Zweifel zu ziehen.
Auf die diesbezüglichen Erwägungen des kantonalen Gerichts kann somit
vollumfänglich verwiesen werden und die Beurteilung der Adäquanz der über den
Zeitpunkt des Einspacheentscheides vom 11. Januar 2007 hinaus geklagten
Beschwerden ist zu Recht nach der Rechtsprechung zu den psychischen
Unfallfolgen (BGE 115 V 133) geprüft worden.

3.
3.1 Die Bejahung der Adäquanz von psychischen Unfallfolgen eines
Schleudertraumas setzt voraus, dass dem Unfall für die Entstehung einer
psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit eine massgebende Bedeutung zukommt, was
zutrifft, wenn er objektiv eine gewisse Schwere aufweist oder mit anderen
Worten ernsthaft ins Gewicht fällt (BGE 115 V 133 E. 7 S. 141). Für die hiefür
erforderliche Qualifikation eines Unfalles als schwer, mittelschwer oder leicht
ist vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen (BGE 115 V 133 E. 6 S. 139;
SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, U 2/07 E. 5.3.1). Einfache Auffahrunfälle werden
rechtsprechungsgemäss in der Regel als mittelschwer im Grenzbereich zu den
leichten Unfällen qualifiziert (RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236, U 380/04, E. 5.1.2
mit Hinweisen). Die diesbezügliche Zuordnung durch das kantonale Gericht war
daher rechtens. Dass das Fahrzeug der Beschwerdeführerin nach dem Heckaufprall
in das vor ihr fahrende Auto gestossen wurde, vermag daran nichts zu ändern.

3.2 Die Adäquanz des Kausalzusammenhangs wäre daher zu bejahen, wenn ein
einzelnes der für die Beurteilung massgebenden Kriterien in besonders
ausgeprägter Weise erfüllt wäre oder die zu berücksichtigenden Kriterien in
gehäufter oder auffallender Weise gegeben wären (BGE 115 V 133 E. 6c/bb S. 140
f.). Bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall werden die Adäquanzkriterien
unter Ausschluss psychischer Aspekte geprüft (BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140;
BGE 127 V 102 E. 5b/bb S. 103 und SVR 2007 UV Nr. 8 S. 27, U 277/04 E. 2 ff.,
je mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten auch weiterhin und werden von der
Präzisierung der Schleudertrauma-Praxis in BGE 134 V 109 nicht berührt (E. 6.1
S. 116).

3.3 Die Vorinstanz hat sich zu den diesbezüglich massgeblichen Kriterien
einlässlich und zutreffend geäussert.
Der Auffahrunfall vom 20. Juni 2002 hat sich weder unter besonders dramatischen
Begleitumständen ereignet noch war er - objektiv betrachtet (RKUV 1999 Nr. U
335 S. 207, U 287/97 E. 3b/cc; vgl. auch RKUV 2000 Nr. U 394 S. 313, U 248/98)
- von besonderer Eindrücklichkeit. Die Beschwerdeführerin hat sich dabei keine
schweren Verletzungen oder Verletzungen besonderer Art zugezogen. Die Diagnose
eines Schleudertraumas oder einer schleudertraumaähnlichen Verletzung der
Halswirbelsäule vermag die Schwere oder besondere Art der erlittenen Verletzung
für sich allein nicht zu begründen. Es bedarf hiezu einer besonderen Schwere
der für das Schleudertrauma typischen Beschwerden oder besonderer Umstände,
welche das Beschwerdebild beeinflussen können (RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236, U
380/04 E. 5.2.3). Solche Umstände sind hier nicht ausgewiesen. Es liegt auch
keine besondere Schwere der für das Schleudertrauma typischen Beschwerden vor.
Von einer ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich
verschlimmert hat, kann ebenso wenig gesprochen werden, wie von einem
schwierigen Heilungsverlauf und erheblichen Komplikationen. Es bedarf hiezu
besonderer Gründe, welche die Heilung beeinträchtigt haben (Urteile U 79/05 vom
10. Februar 2006, U 343/02 vom 10. September 2003 und U 313/01 vom 7. August
2002). Solche Gründe sind hier nicht gegeben.
Nachdem einzig die Dauer der ärztlichen Behandlung der somatischen Beschwerden
sowie die Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit einzubeziehen sind,
ist auch keines dieser Kriterien erfüllt beziehungsweise liegt keine besondere
Ausprägung vor: Die anlässlich der Begutachtung im Institut für medizinische
Begutachtung X.________ festgestellten klinischen Befunde wie Druckdolenz und
Muskelhartspann lassen nicht auf ein klar fassbares unfallbedingtes organisches
Korrelat des geklagten Beschwerdebildes schliessen (Urteil U 328/06 vom 25.
Juli 2007, E. 5.2); die neurologischen Befunde waren unspezifisch und damit
nicht auf den Unfall zurückzuführen.
Da somit weder ein Kriterium in ausgeprägter Weise erfüllt ist noch Kriterien
in besonderer oder auffallender Häufung vorliegen, hat die Vorinstanz die
adäquate Kausalität zu Recht verneint.

4.
Zur Rüge, dass die psychiatrische Begutachtung im Institut für medizinische
Begutachtung X.________ unter Beizug eines Dolmetschers hätte erfolgen müssen,
hat sich das kantonale Gericht bereits einlässlich und zutreffend geäussert.
Anzufügen bleibt dazu wie auch zum Einwand der Mangelhaftigkeit dieses
Teilgutachtens, unter anderem wegen geltend gemachten Widersprüchlichkeiten zu
dem von der Beschwerdeführerin veranlassten Privatgutachten des
psychotraumatologischen Instituts Y.________ vom 31. Mai 2007, dass diese
Fragen letztlich nicht entscheidend sind, nachdem der adäquate
Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Beschwerden und dem erlittenen
Unfall zu verneinen ist.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. März 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Durizzo