Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.158/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_158/2008

Urteil vom 15. Oktober 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiber Jancar.

Parteien
J.________, Beschwerdeführerin, handelnd durch ihre Eltern J.________, diese
vertreten durch Rechtsdienst Integration Handicap, Schützenweg 10, 3014 Bern,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 10.
Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
Die am 25. Juli 1991 geborene J.________ leidet seit Geburt an einem
Entwicklungsrückstand und autistischem Verhalten. Die IV-Stelle Bern sprach ihr
neben anderen Leistungen mit Verfügung vom 28. Mai 1999 ab 1. Juli 1998 einen
Pflegebeitrag für eine Hilflosigkeit mittleren Grades zu. Mit Verfügungen vom
30. Oktober 2001 und 22. September 2003 bestätigte sie den bisherigen
Pflegebeitrag für die Hilflosigkeit mittleren Grades. Nach der Änderung des IVG
im Rahmen der 4. IV-Revision (in Kraft seit 1. Januar 2004) hob die IV-Stelle
den Pflegebeitrag auf und sprach der Versicherten ab 1. Januar 2004 eine
Hilflosenentschädigung bei einer Hilflosigkeit mittelschweren Grades zu
(Verfügung vom 10. November 2003). Im Rahmen einer amtlichen Revision zog sie
einen Abklärungsbericht Hilflosenentschädigung für minderjährige Versicherte
vom 7. Dezember 2005 bei. Mit Verfügung vom 22. Dezember 2005 sprach sie der
Versicherten ab 1. Februar 2005 bis 31. Juli 2009 (Revision) eine
Hilflosentschädigung bei leichter Hilflosigkeit zu. Die dagegen erhobene
Einsprache wies sie mit Entscheid vom 27. Februar 2006 ab.

B.
Hiegegen reichte die Versicherte beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Beschwerde ein. Sie legte unter anderem Berichte des Dr. med. H.________,
Chefarzt, und der Frau Dr. phil. Z.________, Psychologin FSP, vom 14. Februar
2006, des Dr. med. K.________, Kinderarzt - Pédiatre FMH, vom 11. März 2006 und
der R.________, Schulleitung, sowie A.________ und T.________,
Gruppenleiterinnen, Heilpädagogische Tagesschule, vom 23. März 2006 auf. Das
kantonale Gericht hiess die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als es die
IV-Stelle anwies, der Versicherten ab 1. Februar 2006 eine
Hilflosenentschädigung wegen leichter Hilflosigkeit auszurichten. Soweit
weitergehend, wies es die Beschwerde ab (Entscheid vom 10. Januar 2008).

C.
Mit Beschwerde beantragt die Versicherte die Aufhebung des kantonalen
Entscheides und die Zusprechung einer Entschädigung für eine mittelschwere
Hilflosigkeit; eventuell sei die Sache zur näheren Abklärung sowie zum neuen
Entscheid über den Anspruch auf Hilflosenentschädigung an die IV-Stelle
zurückzuweisen. Ferner verlangt sie die Gewährung der unentgeltlichen
Prozessführung für das bundesgerichtliche Verfahren.

Die IV-Stelle schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Mit Verfügung vom 1. Juli 2008 wies das Bundesgericht das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege mangels Bedürftigkeit der Versicherten ab, worauf
diese den gerichtlich geforderten Kostenvorschuss von Fr. 500.- leistete.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Dies ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde zu prüfen (nicht publ.
E. 1.2 und 2.2 des Urteils BGE 133 V 640, veröffentlicht in SVR 2008 AlV Nr. 12
S. 35). Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen
(Art. 107 Abs. 1 BGG).

2.
Der streitige Einspracheentscheid datiert vom 27. Februar 2006, weshalb die am
1. Januar 2008 in Kraft getretenen Änderungen des IVG vom 6. Oktober 2006 und
der IVV vom 28. September 2007 (5. IV-Revision) nicht anwendbar sind (BGE 129 V
167 E. 1 S. 169). Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Hilflosigkeit (Art. 9 ATSG; BGE 133 V 450 E. 2.2.1 S. 454 mit Hinweisen), den
Anspruch auf Hilflosenentschädigung und die für deren Höhe wesentliche
Unterscheidung dreier Hilflosigkeitsgrade (Art. 42 Abs. 1 und 2 IVG; Art. 37
Abs. 1 bis 3 IVV), die Bemessung der Hilflosigkeit bei Minderjährigen (Art. 37
Abs. 4 IVV), die bei der Bestimmung des Hilflosigkeitsgrades massgebenden sechs
alltäglichen Lebensverrichtungen (Ankleiden, Auskleiden; Aufstehen, Absitzen,
Abliegen; Essen; Körperpflege; Verrichtung der Notdurft; Fortbewegung [im oder
ausser Haus], Kontaktaufnahme) und die Berücksichtigung ihrer Teilfunktionen
(BGE 127 V 94 E. 3c S. 97, 121 V 88 E. 3 S. 90 f., 117 V 146; SVR 2008 IV Nr.
17 S. 49 E. 2.1, I 677/05) sowie das Erfordernis der dauernden persönlichen
Überwachung als zusätzliche oder als alternative Anspruchsvoraussetzung (BGE
107 V 136 E. 1b S. 139 mit Hinweisen; ZAK 1990 S. 44 E. 2c, 1986 S. 484 E. 1a,
1984 S. 354 E. 2c, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt zur
Revision einer laufenden Hilflosenentschädigung (Art. 17 Abs. 2 ATSG, Art. 35
Abs. 2 Satz 1 IVV in Verbindung mit Art. 87 Abs. 2, Art. 88a Abs. 1 und Art.
88bis Abs. 2 lit. a IVV; vgl. auch BGE 133 V 108), zur Bedeutung von
Verwaltungsweisungen (BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258 mit Hinweisen), zur Bedeutung
der "Aussagen der ersten Stunde" als Entscheidungshilfe im Rahmen der freien
Beweiswürdigung (BGE 121 V 45 E. 2a S. 47; RKUV 2004 Nr. U 515 S. 418 E. 1.2, U
64/02, und Nr. U 524 S. 546, U 236/03) sowie zum Beweiswert eines
Abklärungsberichts an Ort und Stelle (Art. 69 Abs. 2 IVV; BGE 130 V 61 ff. mit
Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

3.
Mit Verfügung vom 22. September 2003 gewährte die IV-Stelle der Versicherten ab
1. August 2003 einen Pflegebeitrag bei einer Hilflosigkeit mittleren Grades,
wobei sie gestützt auf den Abklärungsbericht an Ort und Stelle vom 17.
September 2003 von einer Hilfsbedürftigkeit in den drei alltäglichen
Lebensverrichtungen An-/Auskleiden, Körperpflege und Fortbewegung/
Kontaktaufnahme sowie vom Bedarf dauernder persönlicher Überwachung ausging.
Mit Verfügung vom 10. November 2003 ersetzte die IV-Stelle im Rahmen der 4.
IV-Revision den Pflegebeitrag ab 1. Januar 2004 bei unveränderter
Hilfsbedürftigkeit der Versicherten durch eine Hilflosenentschädigung bei einer
mittelschweren Hilflosigkeit.

4.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Versicherten ab 1. Februar 2006 nur noch
eine Hilflosenentschädigung bei leichter Hilflosigkeit zusteht. In diesem
Rahmen ist unbestritten, dass die Versicherte weiterhin in den drei
alltäglichen Lebensverrichtungen An-/Auskleiden, Körperpflege und Fortbewegung/
Kontaktaufnahme hilfsbedürftig ist. Umstritten ist einzig, ob sie weiterhin der
dauernden persönlichen Überwachung bedarf, was IV-Stelle und Vorinstanz
verneinten.

5.
5.1 Frei überprüfbare Rechtsfrage ist der Rechtsbegriff der "dauernden
persönlichen Überwachung", das heisst, welche Tatbestandselemente erfüllt sein
müssen, damit eine solche Überwachungsbedürftigkeit zu bejahen ist. Tatfrage
ist hingegen, ob sich ein Sachverhalt verwirklicht hat, der unter diese
Tatbestandselemente fällt (Urteil 9C_608/2007 vom 31. Januar 2008, E. 2.2). Die
Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes sowie der Beweiswürdigungsregeln nach
Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG ist Rechtsfrage. Die konkrete
Beweiswürdigung betrifft eine Tatfrage (Urteil 8C_456/2007 vom 9. September
2008, E. 3 mit Hinweisen).
5.2
5.2.1 Das Erfordernis der dauernden persönlichen Überwachung als zusätzliche
Anspruchsvoraussetzung gemäss Art. 37 Abs. 2 lit. b IVV bezieht sich nicht auf
die alltäglichen Lebensverrichtungen und ist deshalb von der indirekten
Dritthilfe zu unterscheiden (ZAK 1984 S. 354 E. 2c). Hilfeleistungen, die
bereits als direkte oder indirekte Hilfe in einem Bereich der alltäglichen
Lebensverrichtung Berücksichtigung gefunden haben, können bei der Beurteilung
der Überwachungsbedürftigkeit nicht nochmals ins Gewicht fallen. Es handelt
sich vielmehr um eine Art medizinischer oder pflegerischer Hilfeleistung,
welche infolge des physischen, geistigen oder psychischen Zustandes der
versicherten Person notwendig ist (BGE 107 V 136 E. 1b S. 139 mit Hinweisen;
ZAK 1990 S. 44 E. 2c). Die Notwendigkeit der persönlichen Überwachung ist
beispielsweise dann gegeben, wenn eine versicherte Person wegen geistiger
Absenzen nicht während des ganzen Tages allein gelassen werden kann (BGE 107 V
136 E. 2b S. 139, 106 V 153 E. 2a S. 158, 105 V 52 E. 4b S. 57; ZAK 1990 S. 44
E. 2c). Es ist nur eine dauernde persönliche Überwachung von einer gewissen
Intensität anspruchsbegründend. Da die Voraussetzungen in Bezug auf die
Dritthilfe bei Vornahme der Lebensverrichtungen im Zusammenhang mit der
mittelschweren Hilflosigkeit weit weniger umfassend sind als bei der schweren
Hilflosigkeit (Art. 37 Abs. 1 IVV), ist der dauernden persönlichen Überwachung
im Rahmen von Art. 37 Abs. 2 lit. b IVV ein grösseres Gewicht beizumessen und
nicht bloss ein minimales wie bei Art. 37 Abs. 1 IVV (vgl. BGE 107 V 145 E. 1d
S. 150 mit Hinweisen). Aus einer bloss allgemeinen und kollektiven Aufsicht
(etwa im Rahmen eines Heims, einer Klinik oder einer Behindertenwerkstätte)
kann keine rechtlich relevante Hilflosigkeit abgeleitet werden (ZAK 1984 S. 354
E. 2c). Eine dauernde persönliche Überwachung setzt vielmehr die Notwendigkeit
einer auf die Person der versicherten Person bezogenen Überwachung durch eine
damit betraute Person voraus, die gezielter ist als die kollektive Aufsicht.
Das Erfordernis der Dauer bedingt indes nicht, dass die betreuende Person
ausschliesslich an die überwachte Person gebunden ist (EVGE 1969 215 E. 2 S.
218 f.), und hat auch nicht die Bedeutung von "rund um die Uhr", sondern ist
als Gegensatz zu "vorübergehend" zu verstehen (BGE 107 V 136 E. 1b S. 139; ZAK
1990 S. 44 E. 2c, 1986 S. 484 E. 1a). Dies kann auch erfüllt sein, wenn Anfälle
zuweilen nur alle zwei bis drei Tage auftreten, aber unvermittelt und oft auch
täglich oder täglich mehrmals erfolgen, sodass tägliche Überwachung vonnöten
ist (ZAK 1986 S. 484 E. 3c). Ob Hilfe und persönliche Überwachung notwendig
sind, ist objektiv, nach dem Zustand der versicherten Person, zu beurteilen.
Grundsätzlich unerheblich ist die Umgebung, in welcher sie sich aufhält
(erwähntes Urteil 9C_608/2007, E. 2.2.1; Urteil I 861/05 vom 23. Juli 2007, E.
8.1, je mit weiteren Hinweisen).
5.2.2 Bei Minderjährigen ist nur der Mehrbedarf an Hilfeleistung und
persönlicher Überwachung im Vergleich zu nicht behinderten Minderjährigen
gleichen Alters zu berücksichtigen (Art. 37 Abs. 4 IVV; nicht publ. E. 6.3.2
des Urteils BGE 130 V 61 ff., veröffentlicht in SVR 2004 IV Nr. 25 S. 75;
Urteil I 466/05 vom 13. Dezember 2005, E. 2.2.1). Neben dem quantitativ
notwendigen Zeitaufwand für die Überwachung fällt die Höhe der Betreuungskosten
(Aufwendungen für ständiges Pflegepersonal, bedeutender Wäscheverschleiss usw.)
als zusätzliches Bemessungskriterium in Betracht (ZAK 1986 S. 477; Rz. 8087 des
Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung
[KSIH], in der seit 1. Januar 2004 bis Ende 2007 gültig gewesenen, hier
anwendbaren Fassung). Für die Bemessung der Hilflosigkeit Minderjähriger dienen
die in Anhang III des KSIH zitierten Richtlinien zur Bemessung der massgebenden
Hilflosigkeit bei Minderjährigen (Rz. 8084 KSIH; Urteil I 67/05 vom 6. Oktober
2005, E. 3.1). In diesem Anhang wird festgehalten, dass die persönliche
Überwachung bei Kindern vor sechs Jahren in der Regel nicht in Betracht zu
ziehen ist. Autistische Kinder sind je nach Schweregrad zu beurteilen (zur
Bedeutung von Verwaltungsweisungen im Allgemeinen vgl. BGE 133 V 257 E. 3.2 S.
258). Nach der Rechtsprechung kann die autistische Störung eine grosse
Variationsbreite aufweisen, weshalb das Ausmass der Überwachungsbedürftigkeit
auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist (Urteile I
49/07 vom 10. Januar 2008, E. 5.2, I 567/06 vom 5. März 2007, E. 6.3, I 684/05
vom 19. Dezember 2006, E. 4.4, und I 67/05 vom 6. Oktober 2005, E. 4.2 mit
Hinweis).

6.
6.1
6.1.1 Im Abklärungsbericht vom 7. Dezember 2005, erstellt auf Grund eines
Gesprächs der Frau G.________ vom IV-Abklärungsdienst mit der Mutter der
Versicherten bei dieser zu Hause am 5. Dezember 2005, wurde die Notwendigkeit
einer dauernden persönlichen Überwachung der Versicherten verneint.
Diesbezüglich wurde weiter angegeben, die Wohnungstüre müsse in Anwesenheit der
Versicherten nicht mehr verschlossen werden. Die Fenster würden nicht mehr
gesichert. Eine Glocke bei der Wohnungstüre gebe an, wenn jemand die Wohnung
verlasse. Die Selbstverletzungstendenz der Versicherten (beissen, schlagen)
komme unverändert vor. Diese vermöge die Folgen daraus nicht abzuschätzen, das
Körpergefühl sei anders vorhanden. So kratze sie sich manchmal im Gesicht, bis
sie blute. Während des Abklärungsgesprächs sei die Versicherte nach Hause
zurückgekehrt. Die Mutter habe sitzen bleiben können. Die Versicherte gehe
selbstständig vor den Personalcomputer (PC). Sie ziehe sich auch gerne in ihr
Zimmer zurück und höre Musik. Dies könne sie gemäss Angaben der Mutter den
ganzen Tag über machen. Die Versicherte könne sich über 15 Minuten beim
Zeichnen beschäftigen.
6.1.2 Dr. med. H.________ und Frau Dr. phil. Z.________ diagnostizierten im
Bericht vom 14. Februar 2006 einen frühkindlichen Autismus (unklare
Diagnoseinstanz). Weiter legten sie unter anderem dar, eine abschliessende
Beurteilung der intellektuellen Leistungsfähigkeit der Versicherten sei auf
Grund der schwerwiegenden Kommunikations- und Kontaktstörung nicht möglich. Auf
der Verhaltensebene liessen sich klinisch ausgeprägte Auffälligkeiten in allen
drei Hauptbereichen des autistischen Spektrums beobachten. So zeige die
Versicherte eine qualitative Beeinträchtigung der gegenseitigen sozialen
Interaktion und der Kommunikation sowie ein eingeschränktes, stereotypes
Repertoire von Interessen und Aktivitäten, in der Testsituation im speziellen
auch ein eingeschränktes Bewegungsmuster. Eine Selbstständigkeit sei ihr im
Alltag nicht möglich. Eine Begleitung durch die Beratungsstelle Autismus und
Geistige Behinderung der M.________-Stiftung scheine dringend indiziert. Die
Möglichkeit bzw. eventuell Notwendigkeit einer ganzwöchigen, institutionellen
ausserfamiliären Platzierung der Versicherten wehrten die Eltern aktuell
vehement ab, sähen aber ein, dass die familiäre Betreuung mit zunehmendem Alter
der Versicherten sie an ihre Belastungsgrenze bringe.
6.1.3 Der die Versicherte behandelnde Kinderarzt Dr. med. K.________ legte im
Bericht vom 11. März 2006 dar, die Verneinung des Bedarfs an dauernder
persönlicher Überwachung gemäss Abklärungsbericht vom 7. Dezember 2005 sei
nicht korrekt. Die Versicherte könne nicht allein gelassen werden. Die Haustüre
müsse geschlossen sein, es sei denn, jemand sei in unmittelbarer Nähe und könne
auf die speziell installierte Glocke reagieren. Die Versicherte sei ganz
unberechenbar und wechsle von still zurückgezogen bis tobend und (auto-)
aggressiv. Der Abklärungsbericht an Ort und Stelle vom 7. Dezember 2005 werde
der Realität des Autismus und der enormen Belastung für die Familie nicht
gerecht. Der Entscheid sei nicht nachvollziehbar.
6.1.4 Im Bericht vom 23. März 2006 führten R.________, Schulleitung, sowie
A.________ und T.________, Gruppenleiterinnen, Heilpädagogische Tagesschule,
aus, als Lehrerinnen und Betreuerinnen der Versicherten seien sie mit dem
Abklärungsbericht vom 7. Dezember 2005 unter anderem in der Frage des Bedarfs
an dauernder persönlicher Überwachung nicht einverstanden. Die Versicherte
brauche immer Betreuung. Sie könne weder im Schulhaus noch ausserhalb desselben
allein gelassen werden. Sie brauche Hilfestellung in fast allen Bereichen
(Verständigung, soziale Kontakte, ausführen von Arbeiten, Hygiene etc.). Sie
könne sich sehr schlecht verständigen und sei meist hilf- und orientierungslos.
Ihr Unvermögen, sich mitzuteilen, mache sie oft traurig und aggressiv. Die
Gefahr von Selbstverletzung bestehe zu jedem Zeitpunkt; sie müsse in dieser
Hinsicht dauernd begleitet und überwacht werden. Sie könne sich weder wehren
noch verteidigen.

6.2 IV-Stelle und Vorinstanz stellten allein auf den Abklärungsbericht an Ort
und Stelle vom 7. Dezember 2005 ab. Die Vorinstanz führte im Wesentlichen aus,
bei den darin wiedergegebenen Aussagen der Mutter der Versicherten handle es
sich um Aussagen der ersten Stunde, die in der Regel zuverlässiger seien als
spätere Aussagen. Die Abklärungsperson sei der Ansicht gewesen, sich gut in
deutscher Sprache mit der Mutter, die über einen differenzierten Wortschatz
verfüge, verständigt zu haben. Es bestehe keine Veranlassung, von der
Einschätzung der Abklärungsperson abzuweichen. Auf Grund der
Selbstverletzungstendenz und der emotionalen Reaktionen wie Tobsuchtsanfällen
oder Differenzen mit der kleinen Schwester bestünden Anzeichen, dass die
Versicherte einer engmaschigen Betreuung bedürfe, bei der eine gewisse
Kontrolle und bestimmte Vorkehren nötig seien; dies begründe jedoch noch nicht
die Notwendigkeit dauernder persönlicher Überwachung. Dass sie nicht allein
nach draussen geschickt werden könne, werde bereits im Rahmen der Hilflosigkeit
bei der Fortbewegung/Pflege gesellschaftlicher Kontakte berücksichtigt. Dr.
med. K.________ und die Gruppenleiterinnen W.________ sowie D.________ von der
Heilpädagogischen Tagesschule seien weder mit der Situation zu Hause noch mit
den Kriterien des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung vertraut, weshalb ihnen
die Beurteilungsgrundlagen fehlten. Die Berichte von Dr. med. H.________ und
Frau Dr. phil. Z.________ beantworteten andere Fragen, weshalb sie nicht
relevant seien.

7.
7.1 Der vorinstanzlichen Auffassung kann nicht gefolgt werden. Gemäss Bericht
des Dr. med. H.________ und der Frau Dr. phil. Z.________ vom 14. Februar 2006
scheint eine Begleitung durch die Beratungsstelle Autismus und Geistige
Behinderung der M.________-Stiftung dringend indiziert; die familiäre Betreuung
bringe die Eltern mit zunehmendem Alter der Versicherten an ihre
Belastungsgrenze. Laut dem Abklärungsbericht an Ort und Stelle vom 7. Dezember
2005 treten die Tobsuchtsanfälle und Aggressionen sowie die
Selbstverletzungstendenz der Versicherten (beissen, schlagen, kratzen bis aufs
Blut) unverändert auf. Gemäss Bericht des behandelnden Kinderarztes vom 11.
März 2006 ist die dauernde persönliche Überwachungsbedürftigkeit der
Versicherten zu bejahen; sie könne nicht allein gelassen werden; sie sei ganz
unberechenbar und wechsle von still zurückgezogen bis tobend und (auto-)
aggressiv. Auch nach dem Bericht der Heilpädagogischen Tagesschule Biel vom 23.
März 2006 braucht die Versicherte immer Betreuung. Sie könne weder im Schulhaus
noch ausserhalb desselben allein gelassen werden. Die Gefahr von
Selbstverletzung bestehe zu jedem Zeitpunkt; die Versicherte müsse in dieser
Hinsicht dauernd begleitet und überwacht werden.

Gestützt auf diese Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Versicherte auf
Grund ihrer autistischen Störung ab 1. Februar 2006 weiterhin auf dauernde
persönliche Überwachung auch ausserhalb der massgebenden alltäglichen
Lebensverrichtungen angewiesen ist. Das Erfordernis des regelmässigen, d.h.
täglich mehrmaligen Angewiesenseins auf Überwachung ist insbesondere erfüllt,
weil die Versicherte unberechenbar ist und die Gefahr von Tobsuchtsanfällen
sowie Fremd- und Autoaggressionen mit Selbstverletzung zu jedem Zeitpunkt
besteht. Diese Hilfestellung ist zudem dauernd nötig (vgl. E. 5.2.1 hievor; ZAK
1986 S. 484 E. 3c; Urteil H 163/04 vom 7. Juni 2005, E. 6). Unter den gegebenen
Umständen ist davon auszugehen, dass die Überwachung der im Zeitpunkt der
Herabsetzung der Hilflosenentschädigung (1. Februar 2006) bzw. des Erlasses des
Einspracheentscheides (27. Februar 2006) rund 14 ½-jährigen Beschwerdeführerin
erheblich mehr Zeit beansprucht als bei einem gleichaltrigen nicht behinderten
Kind (vgl. E. 5.2.2. hievor; erwähntes Urteil I 49/07, E. 6). Nach dem Gesagten
hat die Vorinstanz den Rechtsbegriff der Hilflosigkeit bezüglich des Kriteriums
der dauernden persönlichen Überwachung unrichtig angewendet und somit
Bundesrecht verletzt (vgl. auch Urteil 8C_674/2007 vom 6. März 2008, E. 6 in
fine).

Aus den Angaben im Abklärungsbericht vom 7. Dezember 2005 - betreffend
Wohnungstüre- und Fenstersicherung; Verhalten der Versicherten am PC, beim
Zeichnen und Musik hören in ihrem Zimmer (E. 6.1.1 hievor) - kann nichts zu
ihren Ungunsten abgeleitet werden. Denn aus diesen Umständen kann nicht
geschlossen werden, sie sei nicht überwachungsbedürftig im dargelegten Sinne.
Gleiches gilt hinsichtlich der Feststellung "Während dem Abklärungsgespräch
kehrt J.________ nach Hause zurück. Die Mutter kann sitzen bleiben" (E. 6.1.1
hievor). Diesbezüglich macht die Beschwerdeführerin - wie schon vorinstanzlich
- im Übrigen geltend, während des Abklärungsgesprächs mit ihrer Mutter habe der
ältere Bruder ihre Überwachung bei der Heimkehr und zu Hause übernommen, damit
das Gespräch nicht gestört wurde; dies ist unbestritten.

7.2 Damit steht fest, dass die Versicherte ab 1. Februar 2006 weiterhin in drei
alltäglichen Lebensverrichtungen in erheblicher Weise regelmässig
hilfsbedürftig ist (E. 4 hievor) und der dauernden persönlichen Überwachung
bedarf. Der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung wegen mittelschwerer
Hilflosigkeit ist daher zu bejahen (Art. 37 Abs. 2 lit. b IVV; BGE 121 V 88 E.
3b S. 90).

8.
Die unterliegende IV-Stelle hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
BGG) und der Versicherten eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2
BGG; Art. 9 des Reglements über die Parteientschädigung und die Entschädigung
für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März
2006; vgl. auch BGE 122 V 278).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Beschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 10. Januar 2008 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Bern
vom 27. Februar 2006 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass die
Beschwerdeführerin ab 1. Februar 2006 weiterhin Anspruch auf eine
Hilflosenentschädigung wegen mittelschwerer Hilflosigkeit hat.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1500.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Oktober 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Jancar