Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.146/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_146/2008

Urteil vom 22. April 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Holzer.

Parteien
R.________, Beschwerdeführerin,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 18. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1953 geborene J.________ war als Spezialarbeiter der Bauunternehmung
X.________ AG bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen
die Folgen von Unfällen versichert, als er am 18. Juni 2002 beim Transport von
Rohren auf einer Baustelle stolperte. Er beklagte sich daraufhin über durch den
Unfall verschlimmerte Rückenbeschwerden. Die SUVA anerkannte ihre
Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses; nach medizinischen
Behandlungsmassnahmen und Abklärungen stellte sie ihre Leistungen mit Verfügung
vom 3. August 2004 per 12. August 2004 ein, da die nach diesem Datum anhaltend
geklagten Beschwerden nicht mehr in einem rechtsgenüglichen Kausalzusammehnhang
zum Unfallereignis stünden. Daran hielt sie nach weiteren, durch die
Krankenversicherung des J.________ veranlassten, Abklärungen mit
Einspracheentscheid vom 26. Juli 2006 fest.

B.
Die von J.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern mit Entscheid vom 18. Januar 2008 ab.

C.
Mit Beschwerde beantragt R.________ als Witwe des J.________ sinngemäss, es sei
unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides
festzustellen, dass sowohl die physischen als auch die psychischen Beschwerden
des Versicherten in einem rechtsgenüglichen Kausalzusammenhang zum Unfall vom
18. Juni 2002 standen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die in der Person des Versicherten zu dessen Lebzeiten entstanden
Forderungen gegen die SUVA stehen nach dem Tod des Versicherten seinen Erben zu
gesamter Hand zu (Art. 602 ZGB). Aus dem erbrechtlichen Gesamthandsprinzip
folgt, dass die Mitglieder der Erbengemeinschaft grundsätzlich nur gemeinsam
zur Prozessführung befugt sind (ZBl 89/1988 S. 533 E. 1c [A.30/1986] mit
Hinweisen). Rechtsprechungsgemäss war jedoch vor Inkrafttreten des BGG im
Bereich der Sozialversicherung jedes einzelne Mitglied einer Erbengemeinschaft
selber befugt, eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht zu erheben. Begründet wurde dies damit, dass es gemäss
Art. 132 in Verbindung mit Art. 103 lit. a OG - im Gegensatz zum Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde - zur Legitimation ausreichte, durch den
angefochtenen Entscheid berührt zu sein und ein schutzwürdiges Interesse an
dessen Aufhebung oder Änderung zu haben (BGE 99 V 58 E. 1a S. 59).

1.2 Art. 89 Abs. 1 BGG bestimmt, dass zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten berechtigt ist, wer vor Vorinstanz am Verfahren teilgenommen
hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a); durch den
angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist (lit. b); und ein
schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c). Damit
orientierte sich der Gesetzgeber an den bisherigen für die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde massgeblichen Legitimationsvoraussetzungen,
wählte jedoch eine stärkere Formulierung, indem für die Legitimation neu
ausdrücklich ein besonderes Berührtsein verlangt wird. Dass mit dieser
Neuformulierung eine Verschärfung der Legitimationsvoraussetzungen einhergeht,
wird von der Lehre bezweifelt, da bereits unter der Herrschaft des OG
praxisgemäss gefordert wurde, dass die beschwerdeführende Person stärker als
jedermann betroffen und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung
zur Streitsache stehen muss (Kiener, Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten, in: Tschannen [Hrsg.], Neue Bundesrechtspflege, Bern 2007, S.
219 ff., S. 255 ff.; Bovay, Le recours en matière de droit public et le recours
constitutionel subsidiaire, in Bernasconi/Petralli [Hrsg.], La nuova legge sul
tribunale federale, Lugano 2007, S. 119 ff., S. 128; zustimmend: Waldmann, in:
Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N. 12 zu Art. 89 BGG;
vgl. auch Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N.
28 zu Art. 89 BGG, welche unter Hinweis auf Aemisegger, Der Beschwerdegang in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Ehrenzeller/ Schweizer [Hrsg.], Die
Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der
Praxis, St. Gallen 2006, S. 103 ff., S. 150 ff., von einer Vorwegnahme der
beabsichtigten Verschärfung durch das Bundesgericht sprechen). Wie es sich
damit verhält, braucht vorliegend nicht abschliessend geklärt zu werden, da
jedenfalls ein Mitglied der Erbengemeinschaft im Nachlass einer versicherten
Person durch einen Entscheid, in welchem die Leistungspflicht der
Unfallversicherung verneint wird, besonders berührt im Sinne von Art. 89 Abs. 1
lit. b BGG ist.

1.3 Die Beschwerdeführerin ist als überlebende Ehegattin des Versicherten
demnach durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt; da durch den
Entscheid eine Leistungspflicht der Unfallversicherung verneint wird, hat sie
als Erbin ein schützenswertes Interesse an seiner Änderung. Dies gilt umso
mehr, als die Frage, ob nach dem 12. August 2004 noch unfallkausale
Gesundheitsschäden vorlagen, auch ein allfälliges Verfahren um eine Witwenrente
oder -abfindung mindestens teilweise präjudiziert. Der Versicherte konnte noch
zu Lebzeiten Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der SUVA vor dem
kantonalen Gericht erheben; demgegenüber hatte die Beschwerdeführerin damals
keine Möglichkeit, sich am vorinstanzlichen Verfahren zu beteiligen. Auf ihre
Beschwerde ist demnach einzutreten.

2.
2.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

2.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

3.
Die SUVA hat im Einspracheentscheid vom 26. Juli 2006 die nach der
Rechtsprechung für den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) geltenden Voraussetzungen des
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und
dem eingetretenen Schaden (BGE 118 V 286 E. 1 S. 289 f., vgl. auch BGE 129 V
177 E. 3.1 und 3.2 S. 181) ebenso zutreffend dargelegt, wie das kantonale
Gericht die speziellen Adäquanzkriterien bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115
V 133 E. 6 S. 138 ff.). Darauf wird verwiesen.
Zu ergänzen ist, dass die Präzisierung der Adäquanzkriterien im Rahmen der sog.
Schleudertrauma-Praxis (vgl. BGE U 394/06 vom 19. Februar 2008) keine Anwendung
auf die Prüfung der Adäquanz psychischer Unfallfolgen findet (genanntes Urteil,
E. 6.1).

4.
Streitig und zu prüfen ist, ob die nach dem 12. August 2004 noch bestehenden
Gesundheitsschäden durch das Ereignis vom 18. Juni 2002 verursacht wurden und
ob ein allfälliger Kausalzusammenhang auch adäquat wäre.

5.
5.1 Hinsichtlich der am 12. August 2004 noch bestehenden organischen
Gesundheitsschäden hat die Vorinstanz gestützt auf das Gutachten des Dr. med.
M.________ (FMH Rheumatologie und Innere Medizin) vom 15. November 2004
zutreffend erwogen, dass diese nicht mehr überwiegend wahrscheinlich auf das
Unfallereignis vom 18. Juni 2002 zurückzuführen sind. Was die
Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, vermag keinen Zweifel an dieser
Feststellung zu begründen: Ein Facharzt für Rheumatologie ist nicht von
vorneherein zu wenig qualifiziert, um ein Gutachten zur Beurteilung eines
Rückenleidens zu erstellen (vgl. auch das Urteil I 342/06 vom 30. April 2007,
E. 4.1). Da sich der Gutachter auf ein umfangreiches medizinisches Dossier mit
einer grossen Zahl von Röntgenbildern abstützen konnte, ist die Dauer des
persönlichen Gesprächs zwischen Gutachter und Versichertem nicht von
entscheidender Bedeutung. Das Vorbingen der Beschwerdeführerin, der Versicherte
sei vor dem Unfall gesund gewesen, ist aktenwidrig; auch Dr. med. B.________
(FMH Orthopädische Chirurgie) geht in seinem von der Beschwerdeführerin
angerufenen Gutachten vom 18. Februar 2003 von vorbestehenden, schweren
degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule aus. Wie Dr. med. M.________
nachvollziehbar und überzeugend darlegt, erscheint selbst bei der Annahme, der
Versicherte habe beim Unfall ein Hyperlordosierungstrauma auf Niveau
Lendenwirbelsäule erlitten, die Hypothese des Dr. med. B.________, dieses
Trauma habe zu einer Mobilisation der bereits ankylosierten Teile und zu
Rissbildungen im Bereich der Anuli fibrosi auf Niveau L2/3 und L5/S1 geführt,
nicht als wahrscheinlicher als eine degenerative Genese dieser Schädigungen.

5.2 Das kantonale Gericht liess die Frage, ob die psychischen Beschwerden des
Versicherten durch den Unfall verursacht wurden, offen, da es zu Recht
erkannte, dass ein allfälliger Kausalzusammenhang nicht adäquat und damit nicht
rechtsgenüglich wäre. Die Schwere des Unfallereignisses bestimmt sich aufgrund
des augenfälligen Geschehensablaufs mit den sich dabei entwickelnden Kräften,
nicht jedoch aufgrund der Folgen des Unfalls oder der Begleitumstände, die
nicht direkt dem Unfallgeschehen zugeordnet werden können (SVR 2008 UV Nr. 8 S.
26, E. 5.3.1, [U 2/07]). In den Akten finden sich verschiedene Versionen des
Geschehnisablaufes. Selbst wenn man von jenem Ablauf ausgehen würde, welchen
der Versicherte im vorinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat, so wäre das
Ereignis vom 18. Juni 2002 höchstens als mittelschwer im Grenzbereich zu den
leichten Ereignissen zu qualifizieren. Wie die Beschwerdegegnerin und das
kantonale Gericht zu Recht festgehalten haben, ist keines der massgeblichen
Adäquanzkriterien erfüllt. Sowohl die geltend gemachten Dauerschmerzen als auch
die Arbeitsunfähigkeit waren schon bald nach dem Unfall nicht mehr auf
körperliche Unfallfolgen zurückzuführen (vgl. die Schreiben der Dr. med.
A.________ [FMH Innere Medizin spez. Rheumatologie] vom 23. September 2002 und
des Dr. med. E.________ [FMH für Allgemeinmedizin] vom 3. Oktober 2002). Zudem
kann aufgrund der unterschiedlichen Einschätzungen der Genese der Beschwerden
durch die verschiedenen Gutachter noch nicht auf eine ärztliche Fehlbehandlung
geschlossen werden. Betreffend der übrigen Kriterien, auf welche sich die
Beschwerdeführerin nicht ausdrücklich beruft, kann auf die zutreffenden
Ausführungen im vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden.

6.
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Bei diesem Verfahrensausgang sind die
Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 22. April 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Holzer