Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.141/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_141/2008

Urteil vom 16. Oktober 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiber Flückiger.

Parteien
G.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin,
Schaffhauserstrasse 345, 8050 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom
21. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
G.________ erlitt am 10. Juli 1999 einen Auffahrunfall. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als obligatorischer Unfallversicherer
richtete für die Folgen dieses Ereignisses vom 13. Juli 1999 bis 28. Februar
2002 Taggelder aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit von 100% im Gesamtbetrag von
Fr. 107'599.- aus.

Die IV-Stelle Basel-Stadt sprach dem Versicherten mit Verfügung vom 24.
November 2004 eine auf den Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 28. Februar 2002
befristete ganze Rente zu. Die Verfügung wurde später mit Einspracheentscheid
vom 3. Juli 2006 bestätigt.

Mit Schreiben vom 2. August 2004 teilte die IV-Stelle der SUVA den Beschluss
mit, welcher der Verfügung vom 24. November 2004 zugrunde lag. Gestützt auf
diese Angaben forderte die SUVA mit Verfügung vom 10. November 2004 vom
Versicherten einen Betrag von Fr. 29'099.- zurück. Zur Begründung wurde
erklärt, das Zusammentreffen von UV-Taggeldern und IV-Rente während des
Zeitraums vom 1. Juli 2000 bis 28. Februar 2002 habe zu einer Überentschädigung
in dieser Höhe geführt. Auf Einsprache hin hielt die SUVA mit Entscheid vom 28.
September 2007 an der Rückforderung fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt ab (Entscheid vom 21. Januar 2008).

C.
G.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, es seien der vorinstanzliche Entscheid (soweit auf
Abweisung der Beschwerde lautend) und der Einspracheentscheid vom 28. September
2007 aufzuheben.
Die SUVA schliesst sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Streitig und zu prüfen ist die Rückforderung von Leistungen, welche den
Zeitraum von Juli 1999 bis Februar 2002 betreffen. Materiellrechtlich
massgebend sind daher die vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) am 1. Januar 2003 gültig
gewesenen Bestimmungen (vgl. BGE 130 V 445 E. 1.2.1 S. 446 f.). Gemäss Art. 40
Satz 1 UVG (in Kraft gewesen bis 31. Dezember 2002) werden, wenn keine
Koordinationsregel dieses Gesetzes eingreift, Geldleistungen, ausgenommen
Hilflosenentschädigungen, soweit gekürzt, als sie mit anderen
Sozialversicherungsleistungen zusammentreffen und den mutmasslich entgangenen
Verdienst übersteigen. Die Bestimmung ist insbesondere dann anwendbar, wenn
Taggelder der Unfallversicherung mit Rentenleistungen der Invalidenversicherung
zusammentreffen (BGE 132 V 27 E. 3 S. 28 f.). Die vorliegend gegebene
Konstellation ist demnach, entgegen der in der Beschwerdeschrift vertretenen
Auffassung, einer Kürzung zufolge Überentschädigung zugänglich. Unbehelflich
ist auch die Behauptung, die SUVA habe den geforderten Betrag bereits von der
IV-Stelle ausbezahlt erhalten, welche ihn ihrerseits mit der Rentennachzahlung
verrechnet habe. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet der (allenfalls
verrechenbare) Rückforderungsanspruch der SUVA.

2.
Die Berechnung des Rückforderungsbetrags von Fr. 29'099.- ergibt sich aus der
Verfügung vom 10. November 2004, welche mit dem Einspracheentscheid vom 28.
September 2007 und dem angefochtenen kantonalen Gerichtsentscheid bestätigt
wurde. Die SUVA ermittelte die Summe der SUVA-Taggelder von Fr. 107'599.- (Juli
1999 bis Februar 2002) und der IV-Rente von Fr. 55'652.- (Juli 2000 bis Februar
2002), total Fr. 163'251.-. Von diesem Betrag wurde der mutmasslich entgangene
Verdienst vom 10. Juli 1999 bis 28. Februar 2002 von Fr. 134'152.- (1999: Fr.
24'458.- [Fr. 51'014 : 365 Tage x 175 Tage; 2000: Fr. 51'014.-; 2001: Fr.
50'343.-; 2002: Fr. 8337.- [Fr. 51'573.- : 365 Tage x 59 Tage]) subtrahiert.
Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht weder die Höhe der Zahlungen noch jene
des mutmasslich entgangenen Verdienstes. Methodisch ist die Ermittlung der
Überentschädigung im Rahmen einer Globalrechnung korrekt (BGE 117 V 394; RKUV
2000 Nr. U 376 S. 181 E. 2b, U 96/99).

3.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Rückerstattungsforderung sei
verwirkt.

3.1 Laut Art. 52 Abs. 2 Satz 1 UVG (in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2002)
verjährt der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der
Versicherer davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach der
Leistung. Gemäss dem seit 1. Januar 2003 geltenden Art. 25 Abs. 2 Satz 1 ATSG
erlischt der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die
Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem
Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung.

3.2 Die einjährige Frist, bei welcher es sich um eine Verwirkungsfrist handelt,
beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Versicherer bei Beachtung der
ihm zumutbaren Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen
für eine Rückerstattung bestehen. Dem Versicherer müssen alle im konkreten
Einzelfall erheblichen Umstände zugänglich sein, aus deren Kenntnis sich der
Rückforderungsanspruch dem Grundsatz nach und im Ausmass (Gesamtsumme der
Forderung) gegenüber einem bestimmten Rückerstattungspflichtigen ergibt (RKUV
2000 Nr. U 376 S. 181 f. E. 2a, U 96/99; vgl. SVR 2004 AlV Nr. 5 S. 13 E.
4.3.1, C 17/03). Die SUVA erhielt durch die Mitteilung des Beschlusses vom 2.
August 2004 Kenntnis von der Absicht der IV-Stelle, dem Versicherten für die
Zeit von Juli 2000 bis Februar 2002 eine ganze IV-Rente zuzusprechen. Die
einjährige Verwirkungsfrist begann frühestens in diesem Moment zu laufen. Sie
wurde durch die Verfügung vom 10. November 2004 gewahrt (vgl. Ueli Kieser,
ATSG-Kommentar, Zürich 2003, S. 286, Art. 25 N 30, mit Hinweisen).

3.3 Die fünfjährige Verwirkungsfrist bemisst sich gemäss den zitierten
Bestimmungen ab der Entrichtung der einzelnen Leistung. Bei rückwirkender
Zusprechung einer IV-Rente wird die Frist grundsätzlich erst dann ausgelöst,
wenn die Rentenverfügung in Rechtskraft erwächst (BGE 127 V 484 E. 3b/dd S.
490). Die Verfügung vom 10. November 2004 wurde somit in jedem Fall vor Ablauf
der fünfjährigen Verwirkungsfrist erlassen.

3.4 Nach dem Gesagten ist der streitige Rückforderungsanspruch nicht verwirkt.
Die Beschwerde ist abzuweisen.

4.
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als der unterliegenden Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. Oktober 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Flückiger