Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.118/2008
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_118/2008

Urteil vom 23. Oktober 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard,
nebenamtliche Bundesrichterin Buerki Moreni,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

Parteien
Helsana Versicherungen AG, Versicherungsrecht, Zürichstrasse 130, 8600
Dübendorf,
Beschwerdeführerin,

gegen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz,
Postfach, 8085 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

R.________.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, vom 29. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene R.________ war seit 1. September 1998 als Consulting Manager
bei der Firma X.________ tätig und in dieser Eigenschaft bei der "Zürich"
Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: "Zürich") gegen die Folgen von
Unfällen versichert. Gemäss Bagatellunfall-Meldung UVG vom 30. November 2005
drehte sich R.________ am 4. November 2005 beim talwärts Joggen das rechte Knie
aus. Der am 18. November 2005 konsultierte Dr. med. A.________ diagnostizierte
im Arztzeugnis vom 29. Dezember 2005 eine Zerrung des medialen Seitenbandes am
rechten Kniegelenk. Mit Verfügung vom 27. März 2006 lehnte die "Zürich" eine
Leistungspflicht ab. Der Krankenversicherer von R.________, die Helsana
Versicherungen AG (nachfolgend: Helsana), erhob Einsprache, welche die "Zürich"
mit Einspracheentscheid vom 29. Mai 2006 abwies.

B.
Die von der Helsana hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Freiburg (nunmehr: Kantonsgericht Freiburg),
Sozialversicherungsgerichtshof, mit Entscheid vom 29. November 2007 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Helsana,
die "Zürich" habe unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen
Gerichtsentscheids die gesetzlichen Leistungen nach UVG zu erbringen.

Während die "Zürich" auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Im Beschwerdeverfahren um die
Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder
Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zum Unfallbegriff (Art.
4 ATSG) und zur Leistungspflicht der Unfallversicherung bei unfallähnlichen
Körperschädigungen (Art. 6 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 UVV)
sowie die zuletzt in BGE 129 V 466 bestätigte Rechtsprechung, wonach bei
unfallähnlichen Körperschädigungen am Erfordernis des äusseren Faktors
festzuhalten ist, zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig ist, ob die "Zürich" für die Folgen der am 4. November 2005
zugezogenen Knieverletzung des Versicherten leistungspflichtig ist. Dabei steht
fest und ist unbestritten, dass er am 4. November 2005 keinen Unfall im Sinne
von Art. 4 ATSG erlitten hat, da es am hiefür erforderlichen Merkmal des
ungewöhnlichen äusseren Faktors fehlte. Zu prüfen bleibt jedoch, ob die
Beschwerdegegnerin für die genannte Verletzung im Sinne einer unfallähnlichen
Körperschädigung gemäss Art. 9 Abs. 2 UVV die gesetzlichen Leistungen zu
erbringen hat.

3.1 Gemäss Bagatellunfall-Meldung UVG vom 30. November 2005 drehte sich
R.________ am 4. November 2005 beim talwärts Joggen das rechte Knie aus. Im
"Fragebogen bei Unfall" der "Zürich" antwortete er am 14. Dezember 2005 auf die
Frage nach der Schilderung des Vorgangs im Detail, er habe beim Joggen talwärts
einen stechenden Schmerz im rechten Knie gespürt und nach einem kurzen
Unterbruch wieder weiterlaufen können. Der am 18. November 2005 konsultierte
Dr. med. A.________ machte im Arztzeugnis vom 29. Dezember 2005 folgende
Angaben: "Status nach MCL-Naht vor 15 Jahren. Vor zwei Wochen erlitt der
Patient beim Jogging eine Blockade mit dem rechten Kniegelenk." Er
diagnostizierte eine Zerrung des medialen Seitenbandes am rechten Kniegelenk.

3.2 Bei unfallähnlichen Körperschädigungen nach Art. 9 Abs. 2 UVV müssen zur
Begründung der Leistungspflicht des Unfallversicherers mit Ausnahme der
Ungewöhnlichkeit die übrigen Tatbestandsmerkmale des Unfalls erfüllt sein.
Besondere Bedeutung kommt hierbei der Voraussetzung des äusseren Ereignisses
zu, d.h. eines ausserhalb des Körpers liegenden, objektiv feststellbaren,
sinnfälligen, eben unfallähnlichen Vorfalles (BGE 129 V 466 E. 2.2 S. 467). Die
schädigende äussere Einwirkung kann in einer körpereigenen Bewegung bestehen
(BGE 129 V 466 E. 4.1 S. 468 mit Hinweisen). Das Auftreten von Schmerzen als
solches ist kein äusserer (schädigender) Faktor im Sinne der Rechtsprechung,
weshalb dieser nicht gegeben ist, wenn die versicherte Person nur das
(erstmalige) Auftreten von Schmerzen in zeitlicher Hinsicht anzugeben vermag
(BGE 129 V 466 E. 4.2.1 S. 469). Nicht erfüllt ist das Erfordernis des äusseren
schädigenden Faktors auch, wenn das erstmalige Auftreten der Schmerzen mit
einer blossen Lebensverrichtung einhergeht, welche die versicherte Person zu
beschreiben in der Lage ist. Vielmehr ist gemäss Rechtsprechung für die
Bejahung eines äusseren auf den menschlichen Körper schädigend einwirkenden
Faktors stets ein Geschehen verlangt, dem ein gewisses gesteigertes
Gefährdungspotenzial innewohnt. Das ist zu bejahen, wenn die zum
einschiessenden Schmerz führende Tätigkeit im Rahmen einer allgemein
gesteigerten Gefahrenlage vorgenommen wird, wie dies etwa für viele sportliche
Betätigungen zutreffen kann. Der äussere Faktor mit erheblichem
Schädigungspotenzial ist sodann auch zu bejahen, wenn die in Frage stehende
Lebensverrichtung einer mehr als physiologisch normalen und psychologisch
beherrschten Beanspruchung des Körpers, insbesondere seiner Gliedmassen,
gleichkommt. Deswegen fallen einschiessende Schmerzen als Symptome einer
Schädigung nach Art. 9 Abs. 2 UVV ausser Betracht, wenn sie allein bei der
Vornahme einer alltäglichen Lebensverrichtung auftreten, ohne dass hiezu ein
davon unterscheidbares äusseres Moment hineinspielt. Wer also lediglich beim
Aufstehen, Absitzen, Abliegen, der Bewegung im Raum, Handreichungen usw. einen
einschiessenden Schmerz erleidet, welcher sich als Symptom einer Schädigung
nach Art. 9 Abs. 2 UVV herausstellt, kann sich nicht auf das Vorliegen einer
unfallähnlichen Körperschädigung berufen. Die physiologische Beanspruchung des
Skelettes, der Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder stellt keinen äusseren
Faktor dar, dem ein zwar nicht ungewöhnliches, jedoch gegenüber dem normalen
Gebrauch der Körperteile gesteigertes Gefährdungspotenzial innewohnen muss (BGE
129 V 466 E. 4.2.2 S. 470).

3.3 Der Versicherte gibt weder in der Bagatellunfall-Meldung UVG vom 30.
November 2005 noch im "Fragebogen bei Unfall" der "Zürich" vom 14. Dezember
2005 eine unkontrollierte Bewegung, ein Stolpern, ein Fehltritt oder Ähnliches
an. Etwas solches geht auch aus dem Arztbericht vom 29. Dezember 2005 nicht
hervor. Vielmehr spürte der Versicherte beim Joggen talwärts einen stechenden
Schmerz und konnte nach einem kurzen Unterbruch weiterlaufen. Das Auftreten von
Schmerzen als solches ist - wie oben dargelegt - kein äusserer schädigender
Faktor. Dem Joggen kann sodann nicht generell ein gesteigertes
Gefährdungspotenzial zugesprochen werden. Im Gegensatz zu den in BGE 129 V 466
aufgezeigten Beispielen für einen äusseren schädigenden Faktor fehlt es beim
"normalen" Joggen an plötzlichen, ruckartigen und unkontrollierten Bewegungen,
sondern beinhaltet dieses vielmehr einen gleichmässigen Bewegungsablauf im
Rahmen einer physiologisch normalen und psychologisch beherrschten
Beanspruchung des Körpers. Insofern ist der vorliegende Sachverhalt - wie die
Vorinstanz bereits ausgeführt hat - vergleichbar mit demjenigen, bei dem eine
Versicherte während des Turnens nach 40 Minuten beim Rennen einen stechenden
Schmerz in der Wade verspürt hatte und eine unfallähnliche Körperschädigung
verneint wurde (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 100/03 vom
31. Oktober 2003, E. 3.3). Vergleichbar ist die Sachlage schliesslich mit dem
Vorfall, der dem Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 258/04 vom
23. November 2006 zu Grunde lag: Der damalige Beschwerdeführer verspürte beim
Bergabgehen anlässlich einer mehrstündigen Wanderung einen stechenden Schmerz
im Fuss. Die grösstenteils bereits im kantonalen Verfahren vorgebrachten
Einwendungen der Beschwerdeführerin vermögen daran nichts zu ändern.

3.4 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unter Berücksichtigung aller
Umstände ein in den Bewegungsablauf hineinspielendes äusseres Moment und damit
ein ausserhalb des Körpers liegendes, objektiv feststellbares, sinnfälliges,
unfallähnliches Ereignis nicht nachgewiesen ist. Die Vorinstanz und die
"Zürich" haben demnach zu Recht Leistungen der Unfallversicherung abgelehnt.

4.
4.1 Die Beschwerdeführerin hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

4.2 Nach Art. 68 Abs. 3 BGG wird obsiegenden Behörden oder mit
öffentlichrechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine
Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis
obsiegen. In Anwendung dieser Bestimmung hat das Bundesgericht der SUVA und den
privaten UVG-Versicherern sowie - von Sonderfällen abgesehen - den
Krankenkassen keine Parteientschädigungen zugesprochen, weil sie als
Organisationen mit öffentlichrechtlichen Aufgaben zu qualifizieren sind. Das
gilt grundsätzlich auch für die Trägerinnen oder Versicherer der beruflichen
Vorsorge gemäss BVG (BGE 126 V 143 E. 4a S. 150 mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 23. Oktober 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Kopp Käch