Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.114/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_114/2008

Urteil vom 9. September 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Parteien
M.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Helsana-advocare, Zürichstrasse 130, 8600
Dübendorf,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 18. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
M.________, geboren 1988, leidet seit Juni 1998 an Morbus Perthes rechts. Im
Universitäts-Kinderspital X.________ erfolgten am 20. Januar 2000 zur
rechtsseitigen Hüftmobilisation die Resektion einer lateralen
Femurkopfkalzifikation und am 13. September 2000 die Korrekturosteotomie.
Weitere operative Eingriffe wurden vorgenommen. Die IV-Stelle des Kantons
Aargau, bei welcher sich M.________ am 31. Januar 2000 zum Leistungsbezug
angemeldet hatte, gewährte verschiedene medizinische Eingliederungsmassnahmen.
Gemäss rechtskräftiger Verfügung vom 27. April 2006 teilte die IV-Stelle dem
Versicherten und seiner zuständigen Krankenpflegeversicherung mit, die
operative Behandlung des Morbus Perthes sei im Oktober 2004 abgeschlossen
worden. Die Behandlung des Morbus Perthes sei eine Leidenstherapie, die
Kostenübernahme von Kontrollen und Physiotherapie gehe nicht zu Lasten der
Invalidenversicherung, weshalb das Leistungsgesuch abgelehnt werden müsse. Am
30. Oktober 2006 meldete sich der Versicherte erneut zum Leistungsbezug an und
ersuchte die IV-Stelle um Übernahme der für für das Jahr 2007 vorgesehenen
operativen Beinverlängerung rechts. Bei einer damals aktuellen
Beinlängendifferenz von -2,7 Zentimetern am rechten Oberschenkel beabsichtigte
der behandelnde Dr. K.________ des Spitals X.________, den operativen Eingriff
am 27. September 2007 vorzunehmen. Nach Einholung einer Stellungnahme des
Regionalen Ärztlichen Dienstes der Invalidenversicherung (RAD) verneinte die
IV-Stelle einen Anspruch auf Übernahme der auf den 27. September 2007
terminierten operativen Beinverlängerung, weil es sich dabei nicht um eine
medizinisch notwendige Eingliederungsmassnahme zur Vermeidung eines drohenden
Defektes handle (Verfügung vom 2. April 2007).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde des M.________ wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau mit Entscheid vom 18. Dezember 2007 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt M.________
beantragen, die IV-Stelle sei unter Aufhebung des angefochtenen
Gerichtsentscheides und der Verfügung vom 2. April 2007 anzuweisen, dem
Versicherten "die Kostengutsprache für die Operationskosten der geplanten
Beinverlängerung zu gewähren. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz
zurück zu weisen mit der Auflage, auf Kosten der [IV-Stelle] eine hinreichende
medizinische Abklärung durchzuführen."

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann nach Art. 95
lit. a BGG die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden. Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von
Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den grundsätzlichen Anspruch
auf Eingliederungsmassnahmen (Art. 8 Abs. 1 IVG) sowie den Anspruch auf
medizinische Eingliederungsmassnahmen im Allgemeinen (Art. 12 Abs. 1 IVG in der
bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) und bei nicht erwerbstätigen
Personen vor dem vollendeten 20. Altersjahr im Speziellen (Art. 12 in
Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 IVG [in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung]
und Art. 8 Abs. 2 ATSG [in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung]) sowie
die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 131 V 9 E. 4.2 S. 21 mit Hinweisen)
zutreffend dargelegt. Richtig ist auch, dass der Eingliederungserfolg, für sich
allein betrachtet, im Rahmen des Art. 12 IVG kein taugliches
Abgrenzungskriterium ist, zumal praktisch jede ärztliche Vorkehr, die
medizinisch erfolgreich ist, auch im erwerblichen Leben eine entsprechende
Verbesserung bewirkt (BGE 102 V 42 und AHI 1999 S. 127 E. 2b, I 115/98, je mit
Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Die Vorinstanz stellte in tatsächlicher Hinsicht für das Bundesgericht
grundsätzlich verbindlich fest, dass nach dem Bericht des Dr. H.________,
Kinderorthopädische Klinik des Spitals X.________, vom 3. Februar 2006 der
Beckenschiefstand nach rechts im Stehen mit Unterlage von 3 Zentimetern
ausgeglichen sei, sich trotz klinischer Beinlängendifferenz von -3,5
Zentimetern ein kaum beeinträchtigtes Gangbild zeige, die Physiotherapie
einstweilen sistiert werden könne und beim Sport keine Einschränkungen
bestünden. "Bezüglich der Beinlängendifferenz [könne] eine operative Korrektur
durchgeführt werden[,] aktuell [wünsche] dies der Patient jedoch nicht." Weiter
hielt das kantonale Gericht fest, der Versicherte habe am 7. August 2006 eine
Lehre als Logistikassistent angetreten. Anlässlich der Konsultationen vom 18.
Oktober und 5. Dezember 2006 habe er gegenüber Dr. K.________ seine Absicht
geäussert, sicher nicht ein Leben lang Einlagen und Schuherhöhungen tragen zu
wollen (Bericht vom 15. Januar 2007). Angesichts der Befunde der Dres.
H.________ und K.________ sowie unter Berücksichtigung der übrigen
medizinischen Akten fehlten Anhaltspunkte dafür, dass innerhalb eines Jahres
oder in den nächsten Jahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Eintritt
einer wesentlichen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit drohe. Der Wunsch nach
einer operativen Korrektur der Beinlängendifferenz sei zwar nachvollziehbar,
aber bei fehlender Eingliederungswirksamkeit nicht als medizinische Massnahme
von der Invalidenversicherung zu übernehmen.

3.2 Demgegenüber beanstandet der Beschwerdeführer, der Bericht des Spitals
X.________ vom 15. Januar 2007 gebe "nicht die wahren beziehungsweise
vollständigen Tatsachen über die Dringlichkeit der erforderlichen Behandlung
wieder." Der nachträglich von Seiten der Rechtsvertretung des Versicherten bei
Dr. K.________ eingeholte Bericht vom 7. Februar 2008 habe "die medizinischen
Unterlagen, auf welche sich die Vorinstanz abstütze, wesentlich relativiert. In
jedem Falle [sei] der Sachverhalt nicht hinreichend abgeklärt beziehungsweise
es [bestünden] sich widersprechende medizinische Unterlagen."

4.
Mit in allen Teilen zutreffender Begründung, auf welche verwiesen wird (Art.
109 Abs. 3 BGG), hat das kantonale Gericht zu Recht bestätigt, dass der
Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Übernahme der operativen Beinverlängerung
als medizinische Eingliederungsmassnahme zu Lasten der Invalidenversicherung
hat, weil er weder bei Antritt der Lehrstelle am 7. August 2006 noch bis zur
Verwirklichung des zeitlich massgebenden Sachverhalts (BGE 132 V 113 E. 3.1 S.
115 mit Hinweisen) bei Erlass der strittigen Verfügung (hier: vom 2. April
2007) von Invalidität unmittelbar bedroht oder von einer voraussichtlich
bleibenden, mindestens teilweisen Erwerbsunfähigkeit betroffen war (Art. 8 Abs.
1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG). Daran ändert auch der Bericht des
Dr. K.________ zuhanden des Rechtsvertreters des Versicherten vom 7. Februar
2008 nichts. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich und wird auch nicht
geltend gemacht, dass sich die aktuelle Beinlängendifferenz des
Beschwerdeführers nicht durch Absatz- und Sohlenerhöhung ausgleichen lässt
(vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 276/02 vom 10. Oktober
2002 E. 4.1). Der Versicherte vermag die unmissverständliche fachärztliche
Feststellung des Dr. H.________ vom 3. Februar 2006, wonach sich ein kaum
beeinträchtigtes Gangbild zeige, auch unter Berücksichtigung der diesbezüglich
nicht nachvollziehbaren Äusserungen des Dr. K.________ vom 7. Februar 2008
nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Der Beschwerdeführer legt nicht dar,
inwiefern der Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt worden sei oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhe (Art. 97 Abs. 1
BGG). Angesichts dieser Sachlage besteht keine Veranlassung zu weiteren
Beweisvorkehren, weil davon keine neuen entscheidwesentlichen Erkenntnisse zu
erwarten wären (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 90 E. 4b S. 94, 122 V
157 E. 1d S. 162, je mit Hinweisen). Die vorinstanzlich bestätigte Verneinung
des Anspruchs auf Übernahme der operativen Beinverlängerung zu Lasten der
Invalidenversicherung ist nicht zu beanstanden.

5.
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt.

6.
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. September 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Hochuli