Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.1049/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_1049/2008

Urteil vom 9. April 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiber Holzer.

Parteien
S.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Beratungsstelle für Ausländer,

gegen

IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
12. November 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1956 geborene S.________ war zuletzt als "Mitarbeiterin B.________" bei der
Firma X.________ erwerbstätig gewesen, als sie sich am 5. Mai 2004 bei der
IV-Stelle Schwyz zum Leistungsbezug anmeldete und eine Rente beantragte. Die
IV-Stelle Schwyz verneinte zunächst mit Verfügung vom 11. Mai 2004 und
Einspracheentscheid vom 20. Juli 2005 einen Rentenanspruch der Versicherten;
zog diesen Einspracheentscheid jedoch auf Beschwerde hin mit Entscheid vom 21.
September 2005 in Wiedererwägung und veranlasste weitere Abklärungen. Im Zuge
dieser Abklärungen nahm sie insbesondere einen Bericht des Dienstes Y.________
vom 5. Oktober 2005 zu den Akten und liess die Versicherte bei Dr. med.
C.________ psychiatrisch begutachten (Gutachten vom 8. Oktober 2007). Mit
Einspracheentscheid vom 31. Dezember 2007 hielt die IV-Stelle Schwyz bei einem
Invaliditätsgrad von 33 % an ihrer Rentenablehnung fest, sprach der
Versicherten jedoch berufliche Massnahmen in Form von Arbeitsvermittlung zu.

B.
Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz mit Entscheid vom 12. November 2008 ab.

C.
Mit Beschwerde beantragt S.________, ihr sei unter Aufhebung des Einsprache-
und des kantonalen Gerichtsentscheides eine ganze IV-Rente zuzusprechen,
eventuell sei die Sache zwecks weiterer medizinischen Abklärungen an die
Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

Während das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz auf Abweisung der Beschwerde
schliesst, verzichten die IV-Stelle Schwyz und das Bundesamt für
Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

D.
In ihren weiteren Eingaben hielt S.________ an ihren Begehren fest.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2 Da der vorinstanzliche Entscheid nicht Geldleistungen der Unfall- oder der
Militärversicherung betrifft, prüft das Bundesgericht nur, ob das
vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde.

2.
2.1 Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem
voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar
bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG (SR 830.1) die
voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise
Erwerbsunfähigkeit.

2.2 Wie das kantonale Gericht zutreffend erwogen hat, ist hinsichtlich des
Beweiswertes eines Arztberichtes entscheidend, ob der Bericht für die
streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch
die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in
der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die
Schlussfolgerungen des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für den
Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch
die Bezeichnung der eingereichten oder in Auftrag gegebenen Stellungnahme als
Bericht oder Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352).

2.3 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dagegen ist
die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach
Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil
I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 3.2).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie
das Vorliegen eines invalidisierenden Gesundheitsschadens verneinte.

4.
4.1 Das kantonale Gericht hat in Würdigung der gesamten medizinischen Akten für
das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt, dass der
Beschwerdeführerin eine leidensangepasste Tätigkeit vollzeitlich zumutbar wäre.
Die Versicherte macht geltend, Vorinstanz und Verwaltung hätten in
psychiatrischer Hinsicht zu Unrecht dem Gutachten des Dr. med. C.________,
Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 8. Oktober 2007 vollen
Beweiswert zuerkannt; diese Begutachtung sei in verschiedener Hinsicht
fehlerbehaftet.

4.2 Die Versicherte bringt gegen das Gutachten vor, der Gutachter habe sich
nicht für die Inzestproblematik interessiert. Dr. med. C.________ hat im
vorinstanzlichen Verfahren zu diesem Vorwurf mit Schreiben vom 15. April 2008
Stellung genommen. In dieser Stellungnahme führt er aus, die Versicherte habe
beim Begutachtungsgespräch vom 31. Mai 2007 einen Missbrauch in ihrer Kindheit
mit keinem Wort erwähnt und auch in den Akten fänden sich keine Hinweise auf
solche traumatischen Erfahrungen. Diese Behauptung des Gutachters ist jedoch
aktenwidrig: Bereits im Bericht des Dienstes Y.________ vom 5. Oktober 2005 -
mithin in jenem Bericht, der erst Anlass zu einer psychiatrischen Begutachtung
gab - wurden sexuelle Übergriffe auf die Versicherte in ihrer Jugend
thematisiert. Dass der Gutachter die Darstellung der Anamnese in jenem Bericht
nicht zur Kenntnis genommen hat, spricht dafür, dass er bei der Ausarbeitung
seines Gutachtens nicht die notwendige Sorgfalt aufgewendet hat. Zudem ist ein
Gutachten, welches die medizinischen Vorakten unzureichend berücksichtigt,
unvollständig und vermag daher nicht zu Ergebnissen zu führen, welche auf
gesamthafter Würdigung der medizinischen Lage beruhen. Einer solchen Expertise
fehlt rechtsprechungsgemäss die erforderliche Überzeugungs- und Beweiskraft
selbst dann, wenn die auf der Grundlage der vom Experten selbst erhobenen
Befunde gezogenen Schlüsse an sich einleuchten und vom Rechtsanwender prüfend
nachvollzogen werden können (Urteil 9C_51/2008 vom 15. Juli 2008 E. 2.2 mit
weiteren Hinweisen). Somit haben Vorinstanz und Verwaltung gegen Bundesrecht
verstossen, als sie dem Gutachten des Dr. med. C.________ vom 8. Oktober 2007
uneingeschränkten Beweiswert zuerkannt haben. Bei dieser Ausgangslage braucht
auf die weiteren Vorbringen der Versicherten gegen die Begutachtung nicht näher
eingegangen zu werden.

4.3 Kommt dem erwähnten Gutachten kein voller Beweiswert zu, so erweist sich
der Sachverhalt in psychiatrischer Hinsicht als zu wenig abgeklärt, um ohne
Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes über den Gesundheitszustand der
Beschwerdeführerin befinden zu können. Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen,
der Einsprache- und der kantonale Gerichtsentscheid sind aufzuheben und die
Sache ist an die IV-Stelle Schwyz zurückzuweisen, damit sie nach Durchführung
einer bundesrechtskonformen psychiatrischen Begutachtung der Versicherten durch
eine andere Gutachtensperson über den Leistungsanspruch neu entscheide.

5.
Die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren werden der
Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat
für das bundesgerichtliche Verfahren Anspruch auf eine Parteientschädigung
(Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz vom 12. November 2008 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle
Schwyz vom 31. Dezember 2007 werden aufgehoben. Die Sache wird an die IV-Stelle
Schwyz zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der
Erwägungen, über den Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin neu verfüge.

2.
Die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 500.- werden
der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 300.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. April 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Holzer