Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.1038/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_1038/2008

Urteil vom 20. April 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.

Parteien
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdeführerin,

gegen

V.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechsanwalt Fabian Kapfhamer.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 1. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
A.a Der 1957 geborene V.________ hatte am 8. Mai 1978 während des
Militärdienstes einen Unfall erlitten, der eine Kniegelenks-Luxation links mit
Ruptur aller Bänder und eine schwere Weichteilverletzung am Oberschenkel links
verursachte. Die Militärversicherung golt die verbliebenen gesundheitlichen
Folgen mit einer Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 20 %
ab.

Am 10. Dezember 1985 war V.________, seit Juli 1982 als Chauffeur bei der Firma
J.________ angestellt und dadurch bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) u.a. gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen versichert, mit seinem Lastenzug in einen schweren
Verkehrsunfall verwickelt, bei welchem er sich eine laterale
Schenkelhalsfraktur links, eine Oberschenkel-Schaftfraktur links, eine
Tibiakopf-Impressionsfraktur lateral links, eine Malleolar-Fraktur medial und
eine Fibula-Fraktur rechts sowie Rissquetschwunden am Kopf parietal links und
an der Ferse lateral links zuzog.

Seit 7. August 2000 bei der im Bereich Gütertransporte tätigen Unternehmung
X.________ als Chauffeur beschäftigt und dadurch ebenfalls bei der SUVA
unfallversichert, verletzte V.________ sich am 11. März 2001 anlässlich eines
Sturzes beim Ausmisten des Stalles an der rechten Schulter (Ruptur des Musculus
subscapularis).
A.b Auf Rückfallmeldungen vom 26. Mai 2003 (Schulter- und Hüftverletzung) sowie
26. Juli 2005 (Hüftverletzung) hin klärte die SUVA die Verhältnisse in
beruflich-erwerblicher sowie medizinischer Hinsicht ab. Gestützt darauf sprach
sie dem Versicherten mit Verfügung vom 7. Februar 2007 für die aus den Unfällen
vom 10. Dezember 1985 und 11. März 2001 resultierenden bleibenden Schädigungen
eine Rente auf der Grundlage einer Invalidität von 19 % und eine
Integritätsentschädigung entsprechend einer Einbusse von 45 % zu. Die dagegen
erhobene Einsprache wurde abgewiesen (Einspracheentscheid vom 14. Februar
2008).

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hiess die hiegegen eingereichte
Beschwerde gut, hob den angefochtenen Einspracheentscheid auf und wies die
Sache zur ergänzenden medizinischen Abklärung im Sinne der Erwägungen und zum
Neuentscheid an die SUVA zurück (Entscheid vom 1. Oktober 2008).

C.
Die SUVA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren um Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids.

Während das kantonale Gericht und V.________ Nichteintreten auf das
Rechtsmittel, eventualiter dessen Abweisung beantragen (lassen), verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren
abschliessen (Art. 90 BGG). Gegen selbstständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die
Beschwerde zulässig (Art. 92 Abs. 1 BGG). Gegen andere selbstständig eröffnete
Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde nach Art. 93 BGG zulässig, wenn
sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a); oder
wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und
damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).

1.2 Als Endentscheide gelten Entscheide, die das Verfahren prozessual
abschliessen, sei es mit einem materiellen Entscheid oder Nichteintreten. Beim
Teilentscheid handelt es sich um eine Variante des Endentscheids. Vor- und
Zwischenentscheide sind alle Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen
und daher weder End- noch Teilentscheide sind; sie können formell- oder
materiellrechtlicher Natur sein. Ein Rückweisungsentscheid schliesst das
Verfahren nicht ab und ist somit nach der Regelung des BGG kein Endentscheid,
sondern ein Zwischenentscheid (BGE 133 V 477 E. 4.3 S. 482; Urteil [des
Bundesgerichts] 9C_827/2008 vom 9. März 2009 E. 1.2).

2.
2.1 Die Beschwerde richtet sich in casu gegen einen Rückweisungsentscheid, mit
welchem das kantonale Gericht den Unfallversicherer verhalten hat, nach
weiterer Abklärung in medizinischer Hinsicht neu zu verfügen. Dieser schliesst
das Verfahren mithin nicht ab, weshalb sich das Eintreten auf die Beschwerde
vorab danach bestimmt, ob der angefochtene Entscheid einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), wobei die
Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu ergänzender oder weiterer Abklärung
und neuer Entscheidung in der Regel keinen im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirkt (BGE 133 V 645 E. 2.1 S. 647
mit Hinweisen und seitherige Rechtsprechung). Letzteres gilt selbst für den
Fall, dass die vorinstanzliche Feststellung, der rechtserhebliche Sachverhalt
sei ungenügend abgeklärt, offensichtlich unrichtig wäre oder auf einer
qualifiziert unrichtigen oder sogar willkürlichen Beweiswürdigung beruhte
(Urteil [des Bundesgerichts] 8C_969/2008 vom 2. März 2009 E. 1.2 mit Hinweis).
2.1.1 Der Beschwerde führende Unfallversicherer begründet das Vorliegen des
nicht wieder gutzumachenden Nachteils mit dem Argument, die Vorinstanz
schränke, indem sowohl die Form der Abklärung (polydisziplinär) wie auch die zu
beauftragenden Gutachter (Medizinische Abklärungsstelle [MEDAS]), auf deren
Ergebnis abzustellen sei, konkret vorgegeben würden, seinen Handlungsspielraum
in einem Masse ein, der praktisch einem Entzug der in Art. 43 f. ATSG
verankerten Hoheit über das Abklärungsverfahren gleichkäme.
2.1.2 Dieser Betrachtungsweise ist entgegenzuhalten, dass der angefochtene
Rückweisungsentscheid keine materiell verbindlichen Anordnungen enthält, welche
die SUVA zwingen, eine ihrer Ansicht nach rechtswidrige Verfügung zu erlassen.
Derartige den Beurteilungsspielraum des Versicherungsträgers wesentlich
einschränkende Vorgaben wurden etwa bejaht - und damit auch der irreversible
Nachteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG als erwiesen angenommen - in
einem Fall, in dem das kantonale Gericht festlegte, dass die Prüfung des
adäquaten Kausalzusammenhangs nicht nach der Rechtsprechung für psychische
Unfallfolgen, sondern anhand der Schleudertraumapraxis vorzunehmen sei, und die
Beurteilung der Adäquanz durch den Unfallversicherer generell als verfrüht
betrachtete (Urteil [des Bundesgerichts] 8C_76/2008 vom 15. Januar 2009 E.
1.2.2 und 1.2.3). Ferner erachtet das Bundesgericht die Eintretensvoraussetzung
als gegeben in Konstellationen, in welchen der Versicherungsträger zum Schluss
gelangt war, eines von mehreren kumulativ zu erfüllenden
Anspruchserfordernissen sei zu verneinen, ohne die anderen
Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen, und im anschliessenden kantonalen
Verwaltungsgerichtsverfahren diese eine Voraussetzung bejaht wurde. Würde eine
Anfechtung solcher Rückweisungsentscheide durch den Sozialversicherer als
unzulässig qualifiziert, so hätte dies zur Folge, dass er zur Prüfung der
weiteren Anspruchsvoraussetzungen schreiten müsste und - sollten diese gegeben
sein - gezwungen wäre, eine seines Erachtens unzutreffende
leistungszusprechende Verfügung zu erlassen. Diese könnte er in der Folge nicht
selber weiterziehen; da die Gegenpartei ihrerseits in der Regel kein Interesse
haben wird, den allenfalls zu ihren Gunsten rechtswidrigen Endentscheid
anzufechten, wäre der kantonale Vorentscheid nicht mehr korrigierbar und würde
zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil für den Versicherungsträger
führen (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.; zur Leistungsvoraussetzung der
[natürlichen und adäquaten] Kausalität: Urteile [des Bundesgerichts] 8C_519/
2008 vom 28. Januar 2009 E. 1.4 mit Hinweisen, 8C_686/2008 vom 23. Januar 2009
E. 1.3 und 1.4, 8C_554/2007 vom 20. Juni 2008 E. 1.4 sowie 8C_277/2008 vom 4.
Dezember 2008 E. 1.4; zur Bejahung des Unfallcharakters eines Ereignisses:
Urteil [des Bundesgerichts] 8C_749/2008 vom 15. Januar 2009 E. 1.4). Solche
Umstände sind vorliegend nicht auszumachen. Weder ist die Beschwerdeführerin
durch die Anordnung einer Begutachtung in einer MEDAS übermässig in ihrem
Handlungsfreiraum eingeschränkt, steht es ihr doch offen, im Falle des von ihr
monierten - wohl nur ausnahmsweise auftretenden - befangenen (MEDAS-)Experten
die Abklärungen bei einer anderen MEDAS vornehmen zu lassen, noch ergibt sich
eine derartige Restriktion aus der Tatsache der polydisziplinären Natur der
geforderten Massnahmen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine bereits seitens
des SUVA-Kreisarztes Dr. med. W.________, Facharzt FMH orthopädische Chirurgie,
mit Beurteilung vom 23. Januar 2008 empfohlene Vorkehr. Ebenso wenig lässt sich
ein entsprechender Schluss aus der Tatsache ziehen, dass die Beschwerdeführerin
seit Mitte 2007 über eine eigene - im hier zu beurteilenden Fall indes nicht
beigezogene - Gutachten-Clearing-Stelle verfügt, obliegt es im
Verfahrensstadium des vorinstanzlichen Beschwerdeprozesses doch den kantonalen
Richtern, die geeigneten zusätzlichen Beweiserhebungen zu benennen und, bei
Bedarf, hinsichtlich Art und Ort der Durchführung zu konkretisieren.
Schliesslich entspricht der Umstand einer blossen Verlängerung oder Verteuerung
des Verfahrens durch weitere Abklärungen allein nach mehrfach bestätigter
Rechtsprechung nicht dem Kriterium von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (BGE 133 V 477
E. 5.2.1 und 5.2.2 S. 483; Urteile [des Bundesgerichts] 8C_901/2008 vom 4.
Februar 2009 E. 3.1 in fine und 9C_878/2008 vom 18. November 2008 E. 1.2.2, je
mit Hinweisen).

2.2 Auch in Bezug auf den Eintretensgrund von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ist die
selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen
Gründen eine Ausnahme, die restriktiv zu praktizieren ist. Dies gilt umso mehr,
als die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einem
Zwischenentscheid nicht selbst opponieren, können sie ihn doch, soweit er sich
auf dessen Inhalt auswirkt, mit dem Endentscheid anfechten (Art. 93 Abs. 3
BGG). Das Bundesgericht prüft nach freiem Ermessen, ob bei einer Gutheissung
der Beschwerde ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren erspart werden kann, und damit die Voraussetzungen von Art. 93
Abs. 1 lit. b BGG erfüllt sind (BGE 133 IV 288 E. 3.2 S. 292; Urteil [des
Bundesgerichts] 9C_19/2007 vom 28. Januar 2008 E. 3).
2.2.1 Die Beschwerdeführerin wendet unter diesem Titel im Wesentlichen ein, es
könne nicht angehen, dass sich Sozialversicherer mit der vorinstanzlichen
Anordnung unnötiger und letztlich nicht zum Ziel führender Abklärungen
konfrontiert sähen, welche, jedenfalls gemäss herrschender Praxis namentlich
der beiden sozialrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts, in jedem Fall zu
akzeptieren seien. In krassen Konstellationen müsse es - nach Massgabe der
Rechtsprechung der zivil- und öffentlichrechtlichen Abteilungen (beispielsweise
in den Bereichen Baubewilligungsverfahren und Haftpflichtprozess) - eine
Handhabe geben, um einen Rückweisungsentscheid ausnahmsweise weiterziehen zu
können.
2.2.2 Im vorinstanzlichen Entscheid wurde einlässlich dargelegt, dass sich die
gesundheitliche Situation des Beschwerdegegners, welcher in den letzten
Jahrzehnten mehrere Unfälle mit teilweise gravierenden Folgen erlitten hat, als
äusserst komplex erweist. Insbesondere die Frage nach der Unfallkausalität der
geklagten Beschwerden wie auch diejenige nach den dem Versicherten noch
zumutbaren erwerblichen Verrichtungen lassen sich auf Grund der vorhandenen
medizinischen Akten nicht ohne weiteres beurteilen. Es ist somit nicht
ersichtlich, wie das Bundesgericht ohne weitere Sachverhaltsabklärungen
unmittelbar einen Endentscheid herbeiführen könnte. Dass mit der Rückweisung
der Sache an den Unfallversicherer zur Vornahme zusätzlicher medizinischer
Erhebungen ein weiterer Zeit- und Kostenaufwand einhergeht, liegt sodann auf
der Hand. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente vermögen
indessen nicht darzutun, dass es sich dabei um einen nach Art. 93 Abs. 1 lit. b
BGG erforderlichen zeitlich und kostenmässig bedeutenden (Mehr-)Aufwand
handelt, stellen die angeordneten gutachterlichen Abklärungen
rechtsprechungsgemäss (vgl. etwa Urteile [des Bundesgerichts] 9C_827/2008 vom
9. März 2009 E. 2.3 und 9C_446/2007 vom 5. Dezember 2007 E. 3) doch kein
weitläufiges Beweisverfahren im Sinne des von der Beschwerdeführerin geltend
gemachten "krassen" Falles dar.

2.3 Nach dem Gesagten sind die alternativen Sachurteilsvoraussetzungen des Art.
93 Abs. 1 BGG nicht gegeben, weshalb auf die Beschwerde - ohne nähere Prüfung
der materiellen Entscheidgrundlagen - nicht einzutreten ist.

3.
Die gemäss Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG zu erhebenden Gerichtskosten werden dem
Ausgang des Verfahrens entsprechend der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66
Abs. 1 BGG). Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner steht ferner eine
Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. April 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Fleischanderl