Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.101/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_101/2008

Urteil vom 6. August 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Holzer.

Parteien
C.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Guy Reich, Münchhaldenstrasse 24, 8008 Zürich,

gegen

Hotela Kranken- und Unfallkasse des Schweizer Hotelier-Vereins, Rue de la Gare
18, 1820 Montreux,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Michel Duc, Avenue de la
Gare 1, 1003 Lausanne.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 19. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1935 geborene C.________ war als Nachtportier im Hotel X.________ bei der
Hotela Kranken- und Unfallkasse des Schweizer Hotelier-Vereins (nachstehend:
die Hotela) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 7. Dezember
2002 Opfer eines Verkehrunfalles wurde. Die Hotela erbrachte die gesetzlichen
Leistungen für die Folgen dieses Ereignisses. Mit Urteil U 372/06 vom 12.
Januar 2007 entschied das Bundesgericht, dass die über den 28. Oktober 2004
hinaus anhaltend geklagten Beschwerden nicht mehr in einem rechtsgenüglichen
Kausalzusammenhang zum Unfall standen; die Leistungen wurden ab diesem Termin
eingestellt.
C.________, der seine angestammte Tätigkeit zu 50 % wieder aufgenommen hatte,
war weiterhin bei der Hotela gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er
in der Nacht vom 10. auf den 11. August 2005 Opfer eines bewaffneten
Raubüberfalles wurde. Die Hotela anerkannte ihre grundsätzliche
Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses, lehnte jedoch mit Verfügung
vom 21. Dezember 2005 ihre Leistungspflicht für die nach dem 11. September 2005
behandelten somatischen Beschwerden ab. In teilweiser Gutheissung der von
C.________ hiegegen erhobenen Einsprache anerkannte die Hotela mit
Einspracheentscheid vom 2. August 2007 ihre Leistungspflicht bis zum 15. Januar
2006.

B.
Die von C.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. Dezember
2007 ab.

C.
Mit Beschwerde beantragt C.________, die Hotela sei unter Aufhebung des
Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, die
gesetzlichen Leistungen zu erbringen.
Während die Hotela auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
2.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Bestimmung über den Anspruch auf
Leistungen der Unfallversicherung im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG) und die
Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht vorausgesetzten natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden
(Krankheit, Invalidität, Tod: BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.2 Zu ergänzen ist, dass dann, wenn die Unfallkausalität einmal mit der
erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, die Leistungspflicht des
Unfallversicherers erst entfällt, sobald der Unfall nicht mehr die natürliche
und adäquate Ursache des Gesundheitsschadens darstellt, wenn also Letzterer nur
noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Dies trifft dann
zu, wenn entweder der (krankhafte) Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor
dem Unfall bestanden hat (status quo ante) oder aber derjenige Zustand, wie er
sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch
ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (status quo sine), erreicht
ist. Ebenso wie der leistungsbegründende natürliche Kausalzusammenhang muss das
Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen eines
Gesundheitsschadens mit dem im Sozialversicherungsrecht allgemein üblichen
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Die blosse
Möglichkeit nunmehr gänzlich fehlender ursächlicher Auswirkungen des Unfalles
genügt nicht. Da es sich hiebei um eine anspruchsaufhebende Tatfrage handelt,
liegt aber die entsprechende Beweislast - anders als bei der Frage, ob ein
leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist - nicht beim
Versicherten, sondern beim Unfallversicherer (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 326 [U 180
/93]).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin zu Recht ihre Leistungen
per 15. Januar 2006 eingestellt hat.

4.
4.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer beim
Überfall vom 11. August 2005 mindestens eine Schädelkontusion mit zwei
Riss-Quetsch-Wunden, eine Kontusion der linken Schulter und eine Kontusion des
rechten Rippenbogens zugezogen hat. Die sichtbaren Verletzungen verheilten
rasch. Ebenfalls liegt zu Recht ausser Streit, dass der Versicherte in der
Folge des Unfalles eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelte.

4.2 Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, darf vorliegend nicht ausser
Acht gelassen werden, dass er im Zeitpunkt des Unfalles nicht vollständig
gesund war. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Versicherte im August
2005 weiterhin an einem teils somatischen, teils neuropsychologischen
Beschwerdekomplex litt, welchen er auf das Unfallereignis vom 7. Dezember 2002
zurückführte. Das Urteil des Bundesgerichts U 372/06 vom 12. Januar 2007, mit
welchem die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis im
Jahre 2002 und den über den 28. Oktober 2004 hinaus anhaltend geklagten
Beschwerden verneint wurde, darf nicht dahingehend interpretiert werden, dass
der Versicherte nach diesem Datum beschwerdefrei gewesen wäre. Der Gehalt
dieses Urteils erschöpft sich vielmehr darin, dass die weiterhin geklagten
Beschwerden juristisch nicht mehr dem Ereignis im Jahre 2002 zugerechnet werden
können.

4.3 Wie Dr. med. H.________ in seinem Bericht vom 3. November 2005
nachvollziehbar darlegt, führte der Überfall vom 11. August 2005 zu einer
Verstärkung dieses Beschwerdekomplexes. Es ist somit davon auszugehen, dass
durch diesen Überfall ein krankhafter Vorzustand - eben dieser
Beschwerdekomplex - verschlimmert wurde. Für diese Verschlimmerung ist die
Unfallversicherung grundsätzlich so lange leistungspflichtig, bis entweder der
(krankhafte) Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden
hat (status quo ante) oder aber derjenige Zustand, wie er sich nach dem
schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall
früher oder später eingestellt hätte (status quo sine), erreicht ist.

4.4 Zur Linderung seiner vorbestehenden Beschwerden besuchte der Versicherte im
Frühjahr und Sommer 2005 eine Entspannungstherapie mit Autogenem Training und
Hypnose. Gemäss der Angabe seiner Therapeutin war der Verlauf der Therapie sehr
positiv, so dass in der Therapiesitzung vom 21. Juli 2005 die Möglichkeit
erörtert wurde, bald wieder ein volles Pensum leisten zu können. Dem Schreiben
seiner Arbeitgeberin vom 14. September 2007 ist zu entnehmen, dass eine
vollständige Wiederaufnahme seines ursprünglichen Vollzeitpensums auf circa
Ende September 2005 vorgesehen war. Dies wurde indessen durch das Ereignis vom
11. August 2005 einstweilen verunmöglicht. Aus den Arztberichten des Dr. med.
H.________ vom 3. März 2006, vom 12. Oktober 2006 und vom 5. März 2007 geht
hervor, dass der Versicherte ab dem 16. Januar 2006 wieder zu 50 % und ab dem
12. Februar 2007 wieder zu 100 % arbeitsfähig war. Daraus folgt, dass der
status quo ante am 16. Januar 2006 noch nicht erreicht war und dass von der
Behandlung weiterhin eine namhafte Verbesserung des Gesundheitszustandes
erwartet werden konnte.

4.5 War der Versicherte ab dem 12. Februar 2007 wieder zu 100 % arbeitsfähig,
so ist daraus zu schliessen, dass es ihm zu diesem Zeitpunkt überwiegend
wahrscheinlich gesundheitlich besser ging als unmittelbar vor dem Überfall vom
10. August 2005. Demgegenüber bestätigte Dr. med. H.________ am 12. Oktober
2006 noch eine bloss 50%ige Arbeitsfähigkeit. Der Gesundheitszustand erreichte
somit zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen dem 12. Oktober 2006 und dem 12.
Februar 2007 den status quo ante. Da einerseits durch weitere verhältnismässige
Abklärungen keine genauere Eingrenzung des Zeitpunktes, an dem dieser
Gesundheitszustand erreicht wurde, zu erwarten ist und andererseits die
Beweislast für diese leistungsaufhebende Tatsache bei der Unfallversicherung
liegt (vgl. E. 2.2 hievor), und weil der Beschwerdeführer ohne den Überfall vom
10./11. August 2005 voraussichtlich Ende September 2005, infolge dieses
Ereignisses aber erst am 12. Februar 2007 wieder voll erwerbsfähig wurde, sind
die Leistungen auf den 11. Februar 2007 zu terminieren.

4.6 Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen; der Beschwerdeführer hat Anspruch
auf Heilbehandlung und Taggelder zu Lasten der Unfallversicherung bis zum 11.
Februar 2007.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Als unterliegende Partei hat
die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE
133 V 642 E. 5). Diese hat dem Beschwerdeführer überdies eine
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 19. Dezember 2007 und der Einspracheentscheid der Hotela
Kranken- und Unfallkasse des Schweizer Hotelier-Vereins vom 2. August 2007
werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf
Heilbehandlung und Taggelder bis zum 11. Februar 2007 hat.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2000.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 6. August 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Holzer