Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.1012/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_1012/2008

Urteil vom 17. August 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Parteien
Q.________,
vertreten durch Advokat Dr. Heiner Schärrer,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland,
Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(substituierte Begründung der Wiederwägung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November
2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 7. November 2006 setzte die IV-Stelle für Versicherte im
Ausland die Q.________ (Jg. 1962) seinerzeit von der damals zuständigen
IV-Stelle des Kantons Solothurn mit Verfügung vom 16. April 2003 für die Zeit
ab 1. September 1999 zugesprochene halbe Invalidenrente revisionsweise mit
Wirkung ab 1. Januar 2007 auf eine Viertelsrente herab.

B.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit
Entscheid vom 14. November 2008 ab, wobei es zwar die materiell-rechtlichen
Voraussetzungen für eine Rentenrevision verneinte, aber eine Wiedererwägung der
ursprünglichen Rentenverfügung aus dem Jahre 2003 wegen zweifelloser
Unrichtigkeit als zulässig und gerechtfertigt erachtete.

C.
Q.________ lässt beschwerdeweise die Aufhebung der Revisionsverfügung vom 7.
November 2006 und des diese im Ergebnis bestätigenden Entscheids des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2008 beantragen; eventuell sei die
Sache zu weiteren Abklärungen an die Verwaltung zurückzuweisen.

Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland schliesst auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97
Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Ändert sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich, so wird
gemäss Art. 17 ATSG die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die
Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Abs. 1; vgl. Art.
88a IVV). Der Revisionsordnung nach Art. 17 ATSG geht der Grundsatz vor, dass
die Verwaltung befugt ist, jederzeit von Amtes wegen auf formell rechtskräftige
Verfügungen, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung
gebildet haben, zurückzukommen, wenn sie zweifellos unrichtig sind und ihre
Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (Art. 53 Abs. 2 ATSG). Unter diesen
Voraussetzungen kann die Verwaltung eine Rentenverfügung auch dann abändern,
wenn die Revisionsvoraussetzungen des Art. 17 ATSG nicht erfüllt sind. Wird die
zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung erst vom Gericht
festgestellt, kann es die auf Art. 17 ATSG gestützte Revisionsverfügung mit
dieser substituierten Begründung schützen (vgl. BGE 125 V 368 E. 2 S. 369).

2.2 Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit ist in der Regel erfüllt,
wenn eine Leistungszusprache auf Grund falsch oder unzutreffend verstandener
Rechtsregeln erfolgt ist oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder
unrichtig angewandt wurden. Anders verhält es sich, wenn der
Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller Anspruchsvoraussetzungen liegt,
deren Beurteilung notwendigerweise Ermessenszüge aufweist. Erscheint die
Beurteilung einzelner Schritte bei der Feststellung solcher
Anspruchsvoraussetzungen (Invaliditätsbemessung, Arbeitsunfähigkeitsschätzung,
Beweiswürdigung, Zumutbarkeitsfragen) vor dem Hintergrund der Sach- und
Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprache
darbot, als vertretbar, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus.
Zweifellos ist die Unrichtigkeit, wenn kein vernünftiger Zweifel daran möglich
ist, dass die Verfügung unrichtig war. Es ist nur ein einziger Schluss -
derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung - denkbar (Urteil 9C_575/2007 vom
18. Oktober 2007, E. 2.2 mit Hinweisen auf Doktrin und Rechtsprechung).

3.
Unbestrittenermassen haben sich weder der Gesundheitszustand der
Beschwerdeführerin noch dessen erwerbliche Auswirkungen seit der
Rentenzusprache im Jahre 2003 in einer Weise verändert, welche eine
Rentenrevision nach Art. 17 ATSG rechtfertigen könnte. Das
Bundesverwaltungsgericht hat die seinerzeit von der IV-Stelle des Kantons
Solothurn nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) vorgenommene
Bestimmung des Invaliditätsgrades einer Prüfung unterzogen und ist dabei zum
Schluss gelangt, dass diese sowohl bezüglich des mutmasslichen Verdienstes ohne
Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) als auch bezüglich der trotz
gesundheitlicher Beeinträchtigung noch realisierbaren Einkünfte
(Invalideneinkommen) Mängel aufweise, welche die Rentenverfügung vom 16. April
2003 als zweifellos unrichtig erscheinen liessen und es daher rechtfertigten,
darauf im Sinne einer Wiedererwägung (E. 2.1 hievor) zurückzukommen. So befand
es einerseits, das Valideneinkommen könne nicht - wie in der ursprünglichen
Rentenverfügung ohne Begründung geschehen - auf Fr. 57'200.- festgelegt werden,
sondern belaufe sich gemäss nachträglich beigebrachtem Lohnausweis für das Jahr
1997 unter Berücksichtigung der seitherigen Kaufkraftentwicklung auf Fr.
61'304.-. Was das Invalideneinkommen anbelangt, stellte es andererseits fest,
dass der der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik für das Jahr
2000 (LSE 2000) entnommene Tabellenwert der damals in den Bereichen Industrie
und verarbeitendes Gewerbe betriebsüblichen Arbeitszeit von 41,3 Wochenstunden
anzupassen und zudem um einen behinderungsbedingten Abzug von höchstens 10 %
statt - wie von der Verwaltung angenommen - 25 % zu reduzieren sei. Dies würde
ein jährliches Invalideneinkommen von Fr. 35'002.- ergeben, wogegen die
IV-Stelle des Kantons Solothurn noch von Fr. 28'251.- ausgegangen ist.
Angesichts der so begründeten und zu einem Invaliditätsgrad von (gerundet) 43 %
statt - wie ursprünglich verfügt - 51 % führenden Berichtigungen qualifizierte
das Bundesverwaltungsgericht die Rentenverfügung vom 16. April 2003 als
zweifellos unrichtig, weshalb es die angefochtene Rentenreduktion mit der
substituierten Begründung der Wiedererwägung bestätigte.

4.
4.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat damit die Invaliditätsbemessung der
IV-Stelle des Kantons Solothurn in verschiedenen seiner Auffassung nach von der
Verwaltung nicht korrekt erfassten Punkten korrigiert und angesichts des so
erzielten Resultats die ursprüngliche Rentenverfügung vom 16. April 2003 als
zweifellos unrichtig betrachtet. Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit
darf die Wiedererwägung indessen rechtsprechungsgemäss nicht zum Instrument
einer voraussetzungslosen Neuprüfung von Dauerleistungen werden lassen. Es
entspricht nicht dem Sinn der Wiedererwägung, laufende Ansprüche zufolge
nachträglich gewonnener "besserer Einsicht" der Durchführungsorgane jederzeit
einer Neubeurteilung zuführen zu können (Urteil [des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts] I 248/06 vom 25. August 2006, E. 3.2). Einer einmal in
Rechtskraft erwachsenen Leistungszusprache muss schon im Hinblick auf die
Rechtssicherheit eine gewisse Beständigkeit zuerkannt werden, weshalb ein
späteres Zurückkommen auf früher gefällte Entscheide von vornherein nur bei
Vorliegen triftiger Gründe in Betracht fallen darf. Indem das vorinstanzliche
Gericht die Invaliditätsbemessung der IV-Stelle des Kantons Solothurn unter
verschiedenen - naturgemäss mit einem grossen Anteil dem jeweiligen Ermessen
der rechtsanwendenden Behörde anheimgestellten - Aspekten relativ geringfügig
bereinigt, vermag es keine hinreichend gewichtigen Argumente für die
Wiedererwägung einer vor Jahren erlassenen und seither ständig umgesetzten
Verfügung aufzuzeigen. Es geht nicht an, die - regelmässig doch recht komplexe
- Bemessung der Invalidität auf Grund einzelner ihr anhaftender kleinerer
Mängel insgesamt als zweifellos unrichtig zu bezeichnen.

4.2 Zwar mag zutreffen, dass das Valideneinkommen auf Grund des erst im
Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beigebrachten
Lohnausweises für das Jahr 1997 unter Berücksichtigung der seitherigen
Lohnentwicklung höher als seinerzeit von der IV-Stelle des Kantons Solothurn
angenommen zu beziffern wäre. Dasselbe gilt hinsichtlich des als Ausgangspunkt
für die Ermittlung des Invalideneinkommens geltenden Wertes, der sich - bei
Beachtung der branchenüblichen Normalarbeitszeit - aus der massgeblichen
Tabelle der LSE ergibt. Anzumerken bleibt, dass das Bundesverwaltungsgericht
mit dem Beizug des Lohnausweises für das Jahr 1997 und damit eines neuen
Beweismittels nicht - wie von der Rechtsprechung verlangt (E. 2.2 hievor) -
streng auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ursprünglichen
Rentenverfügung abgestellt zu haben scheint. Unklar ist auch, weshalb es als
Referenzjahr für den Einkommensvergleich nicht das Jahr 1999, in welches der
Rentenbeginn fällt (BGE 129 V 222 E. 4.1 S. 223), sondern das Jahr 2000 gewählt
hat. Insoweit weist auch die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung
Ungereimtheiten auf. Diese können jedoch vernachlässigt werden, weil sie für
den Ausgang des aktuellen Verfahrens nicht von entscheidender Bedeutung sind.

4.3 Für die hier interessierenden Belange ist festzuhalten, dass allein die
allenfalls angezeigten Berichtigungen der ursprünglichen Invaliditätsbemessung
wegen der vorinstanzlichen Erhöhung des Valideneinkommens und des für die
Feststellung des Invalideneinkommens massgebenden Tabellenwertes der LSE bei im
Übrigen gleich bleibenden Berechnungsfaktoren noch keine die angefochtene
Rentenreduktion rechtfertigende Verminderung des Invaliditätsgrades bewirken
würden. Wie in der Beschwerdeschrift mit Recht vorgebracht wird, ergäbe sich
angesichts der doch erheblichen Erhöhung des Valideneinkommens einerseits und
der deutlich geringeren Anhebung des Invalideneinkommens andererseits - ohne
Änderung des behinderungsbedingten Abzuges - sogar ein gegenüber der
ursprünglichen Rentenverfügung höherer Invaliditätsgrad. Auch nach den
Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts könnte demnach einzig die Höhe des
behinderungsbedingten Abzuges von dem das Invalideneinkommen mitbestimmenden
Tabellenwert nach LSE den Ausschlag für die Annahme einer bloss in einem
Ausmass verminderten Erwerbsfähigkeit geben, welches keinen Anspruch auf eine
halbe Invalidenrente mehr begründen würde. Nachdem die IV-Stelle des Kantons
Solothurn - soweit auf Grund der Aktenlage ersichtlich ohne jegliche Begründung
- den nach der Rechtsprechung höchstzulässigen Abzug von 25 % (BGE 126 V 75 E.
5b/cc S. 80) gewährt hat, sind mit der Vorinstanz doch gewisse Bedenken
anzumelden, ist doch nicht ohne weiteres klar, welchen konkreten Umständen
überhaupt abzugsrelevante Bedeutung zukommen könnte. Die Vorinstanz hat von den
einzelnen für einen solchen Abzug in Betracht fallenden Kriterien lediglich die
eher bescheidene Ausbildung und die geringe Berufserfahrung der
Beschwerdeführerin als möglichen Anlass für eine unterdurchschnittliche
Entlöhnung durch einen potentiellen neuen Arbeitgeber gesehen. Ihrer Ansicht
nach würden diese Aspekte höchstens einen 10%igen Abzug rechtfertigen. Zwar
räumt das Bundesverwaltungsgericht ein, dass nicht ausgewiesen ist, ob die
IV-Stelle des Kantons Solothurn bei der Gewährung des maximal zulässigen
Abzuges von 25 % nur diese Kriterien berücksichtigt hat. Unter diesen Umständen
lässt sich aber der Schluss auf eine zweifellose Unrichtigkeit der
ursprünglichen Rentenverfügung kaum rechtfertigen, zumal die damals zuständig
gewesene IV-Stelle des Kantons Solothurn nach der Wohnsitzverlegung der
Beschwerdeführerin nach Spanien und dem damit einhergehenden Wechsel der
zuständigen IV-Stelle keine Gelegenheit erhalten hat, zur vorgesehenen
Qualifikation ihrer Rentenverfügung als zweifellos unrichtig Stellung zu
nehmen. Die Beschwerdeführerin jedenfalls zeigt in ihrer Rechtsschrift
diskutable Gründe auf, welche den von der IV-Stelle des Kantons Solothurn
berücksichtigten Abzug allenfalls rechtfertigen konnten. Auch wenn die maximale
Ausschöpfung des für die Höhe eines leidensbedingten Abzuges geltenden Rahmens
tatsächlich übersetzt sein dürfte, erscheint die damit erfolgte
Ermessensausübung doch als noch vertretbar, was der Annahme einer zweifellosen
Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung vom 16. April 2003
entgegensteht (vgl. E. 2.2 hievor). Die gegenteilige Auffassung der IV-Stelle
für Versicherte im Ausland und des Bundesverwaltungsgerichts ist
bundesrechtswidrig und kann daher nicht geschützt werden.

5.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten von der
beschwerdegegnerischen IV-Stelle als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BBG). Der obsiegenden Beschwerdeführerin steht für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG). Es wird Sache des Bundesverwaltungsgerichts sein, die Kosten für das
kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses
neu zu verlegen und über eine der Beschwerdeführerin zustehende
Parteientschädigung zu befinden (Art. 68 Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
vom 14. November 2008 und die Verfügung der IV-Stelle für Versicherte im
Ausland vom 7. November 2006 werden aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt
für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. August 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Krähenbühl