Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.1000/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_1000/2008

Urteil vom 27. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Grunder.

Parteien
AXA Versicherungen AG,
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdeführerin,

gegen

Z.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
16. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1988 geborene Z.________ arbeitete seit August 2006 als Lehrling in der
Kinderkrippe X.________ und war bei der AXA Winterthur (seit 19. März 2008: AXA
Versicherungen AG, Winterthur; im Folgenden: AXA) für die Folgen von Unfällen
und Berufskrankheiten obligatorisch versichert. Am 26. Juni 2007 riss sich ein
vierjähriger Junge, den die Versicherte, ein Kleinkind im linken Arm tragend,
an der rechten Hand hielt, mit mehreren heftigen Bewegungen los (Unfallmeldung
vom 28. Juni 2007; Stellungnahme zum Unfallhergang vom 30. Juli 2007). Wegen
einschiessender Schmerzen im oberen Rücken-/Brustbereich konsultierte die
Versicherte unmittelbar danach Dr. med. F.________, der ein akutes
thorakovertebrales Syndrom diagnostizierte (Bericht vom 14. August 2007). Laut
nachbehandelndem Arzt bestand tags darauf eine Blockierung auf Höhe der
Brustwirbelkörper Th 7/8 rechts, die manualtherapeutisch behandelt wurde und
eine Arbeitsunfähigkeit von beschränkter Dauer zur Folge hatte (Bericht des Dr.
med. G.________, Facharzt für Orthopädie, vom 12. September 2007). Mit
Verfügung vom 3. Dezember 2007 verneinte die AXA eine Leistungspflicht, weil
weder ein Unfall noch eine unfallähnliche Körperschädigung vorliege. Daran
hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 22. Mai 2008).

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz mit der Feststellung gut, dass die AXA für den Vorfall vom 26. Juni 2007
leistungspflichtig sei (Entscheid vom 16. Oktober 2008).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die AXA im
Hauptbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben; eventualiter sei
die Sache an das kantonale Gericht zur Prüfung der Frage, ob das Ereignis vom
26. Juni 2007 einen Unfall im Sinne von Art. 4 ATSG darstelle, zurückzuweisen.
Weiter wird um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der bundesgerichtlichen
Beschwerde ersucht.

Z.________ teilt in der Vernehmlassung zur Beschwerde sinngemäss mit, das
Gesuch um aufschiebende Wirkung sei abzuweisen. Das Bundesamt für Gesundheit
beantragt Gutheissung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).

2.
2.1 Das kantonale Gericht kam unter Darlegung der gesetzlichen Grundlagen zum
Unfallbegriff zum Schluss, es könne offen bleiben, ob das streitige
Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors und damit ein Unfall
im Sinne von Art. 4 ATSG vorliege, da das Ereignis vom 26. Juni 2006 jedenfalls
eine unfallähnliche Körperschädigung zur Folge gehabt habe.

2.2 Nach den unbestrittenen, in der kantonalen Beschwerde vom 20. Juni 2008
präzisierten Schilderungen der Versicherten trug sie bei einem Spaziergang vom
26. Juni 2007 auf dem linken Arm ein Kleinkind und fasste auf Geheiss der
Krippenleiterin einen vierjährigen quengelnden und tobenden Jungen, mit dem
diese "nicht mehr klar kam", an der rechten Hand. Dieser zerrte so heftig, dass
die Versicherte beim vierten Ruck einen Stich in Rücken und Brust verspürte und
den Jungen loslassen und das Kleinkind in den nebenstehenden Kinderwagen legen
musste.

2.3 Laut vorinstanzlichen Erwägungen stellt die von Dr. med. G.________
diagnostizierte BWS-Distorsion mit akuter Intercostalneuralgie Th 6-8 rechts
eine unfallähnliche Körperschädigung gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. b UVV
(Verrenkungen von Gelenken) dar. Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten.
Die AXA bringt zu Recht vor, dass Art. 9 Abs. 2 lit. b UVV nach der
Rechtsprechung nur eigentliche Gelenksverrenkungen (Luxationen), nicht aber
unvollständige Verrenkungen (Subluxationen) oder Torsionen (Verdrehungen) und
Distorsionen (Verstauchungen) erfasst (vgl. Urteile U 236/04 vom 10. Januar
2005 E. 3.1 mit Hinweis und U 385/01 vom 10. Januar 2003 E. 3). Im Übrigen
ergeben sich aus den ärztlichen Unterlagen keine Anhaltspunkte für das
Vorliegen einer anderen der in Art. 9 Abs. 2 UVV abschliessend (BGE 116 V 136
E. 4a S. 140, 145 E. 2b S. 147, je mit Hinweisen) aufgezählten unfallähnlichen
Körperschädigungen. Die von Dr. med. G.________ kurze Zeit nach dem Vorfall vom
26. Juni 2007 erwähnte Triggerpunkt-Behandlung (Bericht vom 12. September 2007)
deutet vielmehr auf ein weichteilrheumatisches Krankheitsgeschehen hin (vgl.
auch Stellungnahme des Dr. med. J.________, beratender Arzt der AXA, vom 26.
Oktober 2007). Insgesamt entfällt daher eine Leistungspflicht der AXA gestützt
auf Art. 9 Abs. 2 UVV.

2.4 Nachdem das kantonale Gericht die Beurteilung der im Einspracheentscheid
der AXA vom 22. Mai 2008 verneinten Frage, ob das Ereignis vom 26. Juni 2007
einen Unfall im Sinne von Art. 4 ATSG darstellt, offen liess, ist die Sache dem
Antrag in der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss
zurückzuweisen. Infolge Aufhebung des angefochtenen Entscheids wird das Gesuch
um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

3.
Ausnahmsweise wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs.
1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Beschwerde wird die Sache unter Aufhebung des Entscheids des
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 16. Oktober 2008 an dieses im Sinne
der Erwägung 2.4 zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. Februar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Grunder