Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.959/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_959/2008/bri

Urteil vom 22. Januar 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Besser,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin,
handelnd durch die Amtsvormundin,
Generalprokurator des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Schwere Körperverletzung, einfache Körperverletzung an in Obhut stehendem Kind;
zweifelhafte Schuldfähigkeit; Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer,
vom 8. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ wird vorgeworfen, das in ihrer Obhut stehende, am 25. April 2005
geborene Baby A.________ mehrmals misshandelt zu haben, so dass dieses
verschiedene Verletzungen davontrug, so unter anderem ein Schütteltrauma,
Rippen- und Schädelbrüche.

B.
Das Obergericht des Kantons Bern erklärte X.________ im Berufungsverfahren am
8. Mai 2008 schuldig der schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1
StGB, begangen am 9./10. August 2005, indem sie dem Baby A.________ durch
Schütteln lebensgefährliche Verletzungen zufügte, und der einfachen
Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3 StGB, mehrfach begangen
in der Zeit von ca. Mai 2005 bis 10. August 2005 durch Zufügen von Schädel- und
Rippenbrüchen. Von den Anschuldigungen der schweren Körperverletzung, angeblich
begangen im Zeitraum von Mai/Juli 2005 durch Schütteln, sowie der einfachen
Körperverletzung, angeblich begangen vom 29. April bis 10. August 2005 durch
Zufügen einer Arm- und Beinfraktur, sprach es sie hingegen frei. Das
Obergericht verurteilte X.________ zu einer bedingt vollziehbaren
Freiheitsstrafe von 16 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren.

C.
X.________ wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie
beantragt, es sei das angefochtene Urteil des Obergerichts des Kantons Bern
aufzuheben und sie von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die
Sache zur Ergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht sie um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.

D.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin rügt, das Obergericht habe gegen den Anklagegrundsatz
verstossen und Art. 29 Abs. 2, Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 und 3 EMRK
sowie Art. 257 StrV/BE verletzt.

1.1 Der Anklagegrundsatz dient dem Schutz der Verteidigungsrechte des
Angeklagten und konkretisiert insofern das Prinzip der Gehörsgewährung (Art. 29
Abs. 2 BV und Art. 6 EMRK; BGE 120 IV 348 E. 2b). Nach diesem Grundsatz
bestimmt die Anklage das Prozessthema. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens
können mithin nur Sachverhalte sein, die dem Angeklagten in der Anklageschrift
vorgeworfen werden. Diese muss die Person des Angeklagten sowie die ihm zur
Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise umschreiben, dass die
Vorwürfe im objektiven und subjektiven Bereich genügend konkretisiert sind
(Umgrenzungsfunktion). An diese Anklage ist das Gericht gebunden. Die Anklage
fixiert somit das Verfahrens- und Urteilsthema (Immutabilitätsprinzip). Zum
anderen vermittelt sie dem Angeschuldigten die für die Durchführung des
Verfahrens und die Verteidigung notwendigen Informationen. Sie dient insofern
dem Schutz der Verteidigungsrechte des Angeklagten (Informationsfunktion).
Beiden Funktionen kommt gleiches Gewicht zu (BGE 126 I 19 E. 2a; 120 IV 348 E.
2b und c; 116 Ia 455 E. 3a/cc je mit Hinweisen; ferner BGE 103 Ia 6).

1.2
1.2.1 Im Überweisungsbeschluss vom 12. April 2006, genehmigt vom zuständigen
Prokurator am 13. Juni 2006, wurde die Beschwerdeführerin an das Kreisgericht
VIII Bern-Laupen überwiesen wegen einfacher Körperverletzung im Sinne von Art.
123 Ziff. 2 StGB, indem sie dem unter ihrer Obhut stehenden Pflegekind
A.________ in der Zeit vom 29. April bis 10. August 2005 in Bern unter mehreren
Malen auf nicht bekannte Art und Weise mittels Gewalteinwirkung Verletzungen
(Schädelbrüche, Rippenbrüche, Arm- und ev. Beinfraktur) zugefügt habe (Ziffer
1), und wegen einfacher Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 StGB
sowie Aussetzung im Sinne von Art. 127 StGB bzw. wegen schwerer
Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB, ev. mehrfach begangen, indem sie
ihr Pflegekind wahrscheinlich am 9. oder 10. August 2005 sowie ev. bereits
früher geschüttelt und es dadurch verletzt (Einblutungen unter die Hirnhaut)
sowie einer Gefahr für das Leben ausgesetzt bzw. es dadurch lebensgefährlich
verletzt habe (Ziffer 2).

1.2.2 Das Obergericht erachtet den Anklagesachverhalt, gestützt auf das
IRM-Gutachten vom 8. November 2005, als erstellt (vgl. angefochtenen Entscheid,
S. 6 ff., insbesondere S. 10-12).

1.2.3 Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber im Wesentlichen geltend, der
Anklage fehle es an einer hinreichend konkreten Umschreibung des ihr
vorgeworfenen Lebenssachverhalts. Insbesondere sei aufgrund der Formulierung,
wonach sie ihrem Pflegekind auf unbekannte Weise mittels Gewalteinwirkung
Verletzungen (Schädelbrüche, Rippenbrüche) zugefügt habe, nicht klar, welche
Tathandlungen ihr effektiv vorgeworfen würden. Das Obergericht sehe sich denn
auch gezwungen, zu deren Präzisierung bzw. Eingrenzung auf die Akten,
insbesondere auf das IRM-Gutachten, zurückgreifen, was unzulässig sei. Seinem
Entscheid lege es im Ergebnis zwei Sachverhalte zugrunde, die sich der Anklage
so nicht entnehmen liessen. Der Vorwurf, gegen den sie sich zu verteidigen
habe, ergebe sich erst aus dem angefochtenen Entscheid, was mit dem
Anklageprinzip nicht zu vereinbaren sei.

1.3 Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 257 StrV/ BE rügt,
ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Die Beschwerdeführerin macht in
diesem Zusammenhang keine willkürliche Anwendung der genannten Norm geltend,
sondern beschränkt sich auf die Rüge der Verletzung des Anklagegrundsatzes. Der
blosse Verstoss gegen einfaches Gesetzesrecht der Kantone kann nicht mit
Beschwerde in Strafsachen gerügt werden (vgl. Art. 95 BGG).

1.4 Im Übrigen sind die erhobenen Rügen unbegründet. Der Überweisungsbeschluss
schildert den Anklagesachverhalt rechtsgenüglich. Er wirft der
Beschwerdeführerin unter ausreichender örtlicher und zeitlicher Eingrenzung die
wesentlichen Tathandlungen hinlänglich genau vor, so dass sich diese ein für
eine wirksame Verteidigung genügendes Bild des eingeklagten Lebenssachverhalts
machen konnte. Das gilt zunächst ohne weiteres für den in Ziffer 2 des
Überweisungsbeschlusses formulierten Vorwurf, sie habe ihr Pflegekind mehrfach
geschüttelt, aber auch für das ihr in Ziffer 1 des Beschlusses vorgehaltene
Verhalten, ihrem Pflegekind unter mehreren Malen auf unbekannte Art und Weise
mittels Gewalteinwirkungen Schädel- und Rippenbrüche, eine Arm- und ev. eine
Beinfraktur zugefügt zu haben. Dass die Tathandlung diesbezüglich vornehmlich
vom Verletzungsbild des Opfers her umschrieben wird, ist - worauf das
Obergericht zu Recht verweist - unter dem Gesichtspunkt des Anklagegrundsatzes
nicht zu beanstanden, zumal aus der Formulierung des Überweisungsbeschlusses
deutlich hervorgeht, dass der Beschwerdeführerin insofern ein aktives Tun
vorgeworfen wird, indem sie unter Anwendung von Gewalt auf ihr Kind eingewirkt
hat. Der Anklagevorwurf in Ziffer 1 wird dadurch genügend konkret
gekennzeichnet. Darin, dass das Obergericht in diesem Zusammenhang zusätzlich
auf das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern (IRM)
vom 8. November 2005 Bezug nimmt, welches drei Entstehungsvarianten für die
Verletzungen des Opfers nennt, liegt entgegen der Vorbringen der Verteidigung
kein unzulässiger Rückgriff auf die Akten. Denn dies geschieht zu
Beweiszwecken, nicht aber dazu, den Tatvorwurf in Abweichung der Anklage zu
definieren (vgl. ARMAND MEYER, Die Bindung des Strafrichters an die eingeklagte
Tat, Diss. Zürich 1972, S. 67 Anm. 64). Dass dem Urteil eine von der Anklage
abweichende Tat zugrunde liegt bzw. sich der Tatvorwurf erst dem angefochtenen
Entscheid entnehmen lässt, ist insoweit entgegen der Beschwerde nicht
ersichtlich. Eine Verletzung des Anklageprinzips liegt mithin nicht vor.

2.
Die Beschwerdeführerin zieht das IRM-Gutachten vom 8. November 2005 in Zweifel.
Sie macht dabei insbesondere eine Verletzung des Anspruchs auf einen
unabhängigen und unparteiischen Sachverstän-digen infolge Vorbefassung geltend
(Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 30 Ziff. 9 StrV/BE).

2.1 Nach der materiell unverändert von Art. 58 aBV in Art. 30 Abs. 1 BV
überführten, ebenfalls in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Garantie des
verfassungsmässigen Richters hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache
von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne
Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver
Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und die
Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie
verletzt (BGE 127 I 196 E. 2b). Für Sachverständige gelten grundsätzlich die
gleichen Ausstands- und Ablehnungsgründe, wie sie für Richterinnen und Richter
vorgesehen sind (BGE 120 V 357 E. 3a S. 364). Da sie nicht Mitglied des
Gerichts sind, richten sich die Anforderungen zwar nicht nach Art. 30 Abs. 1
BV, sondern nach Art. 29 Abs. 1 BV. Hinsichtlich der Unparteilichkeit und
Unbefangenheit kommt Art. 29 Abs. 1 BV indessen ein mit Art. 30 Abs. 1 BV
weitgehend übereinstimmender Gehalt zu (BGE 127 I 196 E. 2b).

2.2 Die Einwände der Verteidigung zur Befangenheit der Gutachterin im Sinne
einer unzulässigen Vorbefassung wurden vom Obergericht in der Hauptbegründung
als verspätet und gegen Treu und Glauben verstossend bewertet. Eventualiter
erschienen sie ihm als nicht stichhaltig. Es kann offen bleiben, ob hier - wie
die Beschwerdeführerin behauptet - ein nicht verwirkbarer Ausschluss- oder
Unfähigkeitsgrund im Sinne von Art 30 StrV/BE vorliegt oder lediglich ein
Ablehnungsgrund gemäss Art. 31 StrV/BE, da sich die Vorbringen in der
Beschwerde jedenfalls als unbegründet erweisen.

2.3 Das definitive Gutachten des IRM datiert vom 8. November 2005. Es enthält
den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass es in Kenntnis von Art. 307 StGB
verfasst wurde. Verantwortlich zeichnet Dr. B.________, wobei Prof. C.________,
der Leiter Forensische Medizin des IRM, das Gutachten visierte. Dieser
erläuterte als Experte vor Kreisgericht das von Dr. B.________ erarbeitete
Gutachten. Dieses basiert u.a. auf den schriftlichen Unterlagen bzw. der
Krankengeschichte des Inselspitals Bern, mündlichen Auskünften von Dr.
D.________, leitender Arzt der Kinderradiologie der Kinderklinik des
Inselspitals, sowie von PD Dr. E.________, leitender Arzt der Neuroradiologie
des Inselspitals, einem Arztbericht der Kinderärztin sowie einer bereits am 11.
August 2005 erfolgten körperlichen Untersuchung des Kindes durch die
Verfasserin des Gutachtens. Herzstück des Gutachtens bilden die Befunderhebung
und deren rechtsmedizinische Beurteilung. Vor Erstellung des definitiven
Gutachtens hatte die Sachverständige B.________ dem zuständigen
Untersuchungsrichteramt am 17. August 2005 den vorliegenden Fall im Rahmen des
vorläufigen rechtsmedizinischen Gutachtens wegen dringenden Verdachts auf ein
akutes Schütteltrauma und vermutlich mehrfache und teilweise länger
zurückliegende Misshandlungen durch stumpfe Gewalteinwirkung gemeldet.
Daraufhin wurde die Strafuntersuchung eingeleitet.

2.4 Wiewohl es unter dem Aspekt der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des
Sachverständigen problematisch sein kann, eine Person, die sich schon früher
mit der Angelegenheit befasste oder deren Feststellungen oder Meldungen zur
Einleitung des Strafverfahrens führten, als Gutachter zu bestellen, begründet
der Umstand, dass Dr. B.________ das Kind A.________ bereits vorgängig am 11.
August 2005 körperlich untersucht und den Fall gemeldet hatte, entgegen der
Beschwerde nicht den Anschein der Befangenheit im Sinne einer unzulässigen
Vorbefassung. Dies gilt insbesondere deshalb, weil Dr. B.________ nie
verschiedenen Funktionen, beispielsweise diejenige einer behandelnden Ärztin,
inne hatte bzw. wahrnahm, sondern von Anfang erkennbar als aussenstehende
Sachverständige auftrat bzw. beigezogen wurde und ihre vorgängige Befassung,
die körperliche Untersuchung des Kindes, keinen Einfluss auf irgendeinen
Entscheidungsspielraum hatte, zumal es hier - etwa im Unterschied zu einer
psychiatrischen Begutachtung - um die Feststellung eines objektiven
Verletzungsbilds ging, das keine Wertungen beinhaltet.

2.5 Soweit die Beschwerdeführerin das Gutachten vom 8. November 2005 auch
deshalb als mangelhaft erachtet, weil es sich auf die mündlichen, nicht
protokollierten und damit nicht überprüfbaren sowie ohne Hinweis auf Art. 307
StGB ergangenen Befundbeurteilungen von Dr. D.________ und Dr. E.________
stütze, ist auf die Beschwerde mangels rechtsgenügender Begründung nicht
einzutreten. Das Obergericht hat diese Einwände gegen die Verwertbarkeit des
Gutachtens klar als verspätet beurteilt. Damit setzt sich die Beschwerde mit
keinem Wort auseinander (Art. 42 Abs. 2 BGG).

3.
Die Beschwerdeführerin erachtet die Tatsachenfeststellungen und die
Beweiswürdigung des Obergerichts als willkürlich.

3.1 Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger bundesgerichtlicher
Rechtsprechung einzig vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer
schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht bzw.
im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 129 I 173 E. 3.1 mit Hinweisen).

3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, der angefochtene Entscheid basiere auf in sich
widersprüchlichen Feststellungen, aufgrund deren sie wegen zwei zeitlich
verschiedener Schüttelvorgängen schuldig gesprochen worden sei. Wie sich aus
dem angefochtenen Entscheid deutlich ergibt, geht das Obergericht in
Auseinandersetzung mit dem Gutachten vom 8. November 2005 davon aus, dass die
Beschwerdeführerin das Kind A.________ lediglich einmal, am 9./10. August 2005,
geschüttelt und dadurch lebensgefährlich (Hirnunterblutung) verletzt hat. Eine
Mehrfachbegehung in Bezug auf die Verursachung von Schütteltraumen scheide aus
(angefochtener Entscheid, S. 35). Weiter hält das Obergericht fest, die beim
Kind festgestellten beidseitigen Schädelbrüche seien entweder als Folge des
Schüttelns im Sinne eines "Shaken-impact-Syndroms" (Schütteln und Anprall)
entstanden oder aber zu einem anderen (früheren) Zeitpunkt durch zwei heftige,
stumpfe Gewalteinwirkungen verursacht worden (angefochtener Entscheid, S. 36).
Dass und inwieweit die diesbezüglichen Feststellungen des Obergerichts in sich
widersprüchlich sein sollten, ist weder gestützt auf die Vorbringen in der
Beschwerde noch sonst wie erkennbar. Das Obergericht hat vielmehr wiederholt
festgehalten, dass der Beschwerdeführerin ein Schütteln für die Zeit vor dem 9.
August 2005 nicht habe nachgewiesen werden können. Von Willkür kann insoweit
keine Rede sein.

3.3 Ebenso wenig beruht die Bejahung der akuten Lebensgefahr auf einer
willkürlichen Interpretation der gutachterlichen Einschätzung. Aus dem
IRM-Gutachten vom 8. November 2005 geht hervor, dass eine akute Lebensgefahr
wegen des Schütteltraumas in Anbetracht der eingeschränkten Bewusstseinslage
bei Spitaleintritt in engeren Betracht gezogen werden musste. Angesprochen auf
diese Problematik anlässlich der Hauptverhandlung vor Kreisgericht führt Prof.
C.________ als Experte präzisierend aus, dass die Lebensgefahr bei einem
Schütteltrauma von der Heftigkeit des Schüttelns abhänge. Ein Todeseintritt sei
aufgrund erhöhten Hirndrucks und Atemlähmung möglich. Ein Viertel der
geschüttelten Kinder würde sterben. Auf die Frage, ob das Kind A.________ - von
der Intensität des Übergriffs her - einfach wahnsinniges Glück gehabt habe oder
ein tödlicher Ausgang möglich gewesen wäre, gibt der Experte im Wesentlichen
an, dass die Blutungen von A.________ - gemeint sind subdurale unter der
Hirnhaut liegende Blutungen - erheblich gewesen seien, so dass man hier
tatsächlich von Glück reden könne. Es sei ganz nahe an der Grenze (gewesen),
bei der es ganz anders rauskommen und fatal hätte werden könne (kantonale
Akten, act. 297). Mit Blick auf diese Ausführungen durfte das Obergericht, ohne
in Willkür zu verfallen, darauf schliessen, dass der IRM-Gutachter Prof.
C.________ die akute Lebensgefahr bei A.________ - wenn auch vorsichtig, so
doch - bejaht hat.

4.
Entgegen der Ansicht der Verteidigung ist die Verurteilung der
Beschwerdeführerin wegen schwerer eventualvorsätzlicher Körperverletzung im
Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB nicht bundesrechtswidrig. Das Obergericht hat
gestützt auf das IRM-Gutachten und die Angaben des Experten anlässlich der
Hauptverhandlung willkürfrei dargelegt, dass die Beschwerdeführerin das Kind am
9./10. August schüttelte, dadurch subdurale Blutungen verursachte und es in
akute Lebensgefahr brachte. Bei dieser Sachlage hat es den objektiven
Tatbestand von Art. 122 Abs. 1 StGB zu Recht als erfüllt betrachtet. Nichts
anderes gilt für den subjektiven Tatbestand, der vorsätzliches Handeln
erfordert, wobei Eventualvorsatz genügt. Ein solcher liegt vor, wenn der Täter
den Eintritt des Erfolgs, die Tatbestandsverwirklichung, für möglich hält, aber
dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf
nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 131 IV 1 E.
2.2; 130 IV 58 E. 8.2). Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid gilt
heute als bekannt, dass das heftige Schütteln eines Säuglings zu bleibenden
Schädigungen des Hirns oder gar zum Tod führen kann. Jeder Vater und jede
Mutter wisse heute um die Notwendigkeit, den Kopf eines Babies zu stützen, weil
dieser schwer und im Verhältnis zum Körper überdimensional gross sei und vom
Säugling mit der eigenen Nackenmuskulatur nicht gehalten werden könne.
Dementsprechend sei es auch der Beschwerdeführerin bekannt gewesen, dass das
Schütteln des Kindes A.________ zu schweren Schädigungen und einer
(unmittelbaren) Lebensgefahr führen könne. Vom verbindlich und nachvollziehbar
festgestellten Wissen um den möglichen Erfolgseintritt hat das Obergericht zu
Recht aus den im angefochtenen Entscheid aufgeführten Gründen auf das Wollen
der Beschwerdeführerin im Sinne der Inkaufnahme des Erfolgs schliessen und
damit ohne Bundesrechtsverletzung den Eventualvorsatz bejahen dürfen.

5.
Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung von Art. 13 aStGB (bzw. Art. 20
StGB) geltend, weil das Obergericht kein psychiatrisches Gutachten eingeholt
habe. Wegen der im angefochtenen Entscheid festgestellten totalen Überforderung
und Verzweiflung, in der sie sich zur Tatzeit befunden habe, hätten sich dem
Obergericht ernsthafte Zweifel an ihrer Zurechnungsfähigkeit aufdrängen müssen.

5.1 Nach Art. 13 Abs. 1 aStGB ist eine Untersuchung des Beschuldigten
anzuordnen, wenn Zweifel an dessen Zurechnungsfähigkeit bestehen. Der Richter
soll seine Zweifel nicht selber beseitigen, etwa indem er psychiatrische
Fachliteratur beizieht. Vielmehr ergibt sich aus Art. 13 Abs. 2 aStGB, dass er
bei Zweifeln einen Sachverständigen beiziehen muss. Art. 13 aStGB gilt nicht
nur, wenn der Richter tatsächlich Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit hat,
sondern auch, wenn er nach den Umständen des Falles Zweifel haben sollte (BGE
119 IV 120 E. 2a; 116 IV 273 E. 4a; 106 IV 241 E. 1a mit Hinweisen). Dabei
genügt es, wenn ernsthafter Anlass zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit auf
Grund eines solchen Umstandes bestand (BGE 98 IV 156 E. 1). Es fragt sich,
welche Umstände gegeben sein müssen, um anzunehmen, der Richter müsse im
dargelegten Sinn ernsthafte Zweifel haben. Das Bundesgericht hat dies
beispielsweise angenommen bei Drogenabhängigkeit (BGE 102 IV 74 und 106 IV 241
E. 2), bei einer Frau, die mit einer schizophrenen Tochter zusammenlebte (BGE
98 IV 156), bei einem Sexualdelinquenten mit möglicherweise abnorm starkem
Geschlechtstrieb (BGE 71 IV 190) sowie bei einem Ersttäter, bei dem der Beginn
der Straffälligkeit mit dem Ausbruch einer schweren allergischen oder
psychosomatischen Hautkrankheit zusammenfiel (BGE 118 IV 6, zum Ganzen BGE 132
IV 29 E. 5.1). Die Notwendigkeit, eine sachverständige Person zuzuziehen, ist
mithin erst gegeben, wenn Anzeichen vorliegen, die geeignet sind, Zweifel
hinsichtlich der vollen Zurechnungsfähigkeit zu erwecken, wie etwa ein
Widerspruch zwischen Tat und Täterpersönlichkeit oder völlig unübliches
Verhalten. Zeigt das Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat, dass
ein Realitätsbezug erhalten war, dass er sich an wechselnde Erfordernisse der
Situation anpassen, auf eine Gelegenheit zur Tat warten oder diese gar
konstellieren konnte, so hat eine schwere Beeinträchtigung nicht vorgelegen
(BGE 133 IV 145 E. 3.3)

5.2 Zunächst ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin weder vor
Kreisgericht noch vor Obergericht beantragte, ihre Zurechnungsfähigkeit durch
einen Sachverständigen abklären zu lassen. Es stellt sich daher einzig die
Frage, ob das Obergericht an der Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin
hätte zweifeln müssen, obwohl damals offenbar weder sie selber noch ihr
Verteidiger solche Zweifel hegten.

5.3 Das Obergericht hat bei der Strafzumessung auf die Erwägungen der ersten
Instanz verwiesen. Diesen ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin aus
einer totalen Überforderungs- und Verzweiflungssituation heraus gehandelt hat.
Wohl können Affektzustände ernsthafte Zweifel an der vollen
Zurechnungsfähigkeit begründen, dies entgegen der Beschwerde jedoch nicht eo
ipso und in jedem Fall. Entscheidend ist die objektive Sachlage. Diese spricht
vorliegend gegen eine Pflicht zur Begutachtung im Sinne von Art. 13 aStGB. So
zeichnet sich die Tatausführung als solche durch keinerlei besonderen
Auffälligkeiten aus. Ebenso wenig deutet das Nachtatverhalten der
Beschwerdeführerin auf einen Verlust des Realitätsbezuges hin. Wie sich aus dem
angefochtenen Entscheid ergibt, suchte diese, nachdem das Kind A.________ im
Rosengarten erbrochen hatte, sofort den Kinderarzt auf. Daraufhin brachte sie
es (mit ihrem Mann) notfallmässig in das Inselspital Bern. Die
Beschwerdeführerin gab im Eintrittsbericht vom 10. August 2005 an, das Kind sei
ihr beim Baden aus dem Arm gerutscht und auf den Badewannerand gefallen (vgl.
Akten Inselspital, Eintrittsbericht). Ihr Verhalten erscheint insoweit überlegt
und koordiniert und zeigt, dass sie sich an wechselnde Erfordernisse der
Situation anpassen konnte. Sodann sind weder besondere Verhaltensweisen oder
Auffälligkeiten in der jüngeren Biographie oder den Lebensumständen der
Beschwerdeführerin ersichtlich. Es fehlt somit an konkreten Hinweisen auf eine
rechtserhebliche Beeinträchtigung ihrer Zurechnungsfähigkeit. Das Obergericht
musste somit auch keine ernsthaften Zweifel diesbezüglich haben. Eine
Verletzung von Art. 13 aStGB liegt mithin nicht vor.

6.
Nach dem Dafürhalten der Beschwerdeführerin hätte das Obergericht bei der
Strafzumessung den Strafmilderungsgrund des Handelns in schwerer Bedrängnis
(Art. 64 al. 2 aStGB) anwenden müssen. Gemäss diesem Strafmilderungsgrund kann
der Richter die Strafe mildern, wenn der Täter in schwerer Bedrängnis gehandelt
hat. Nach der Praxis setzt dieser eine notstandsähnliche Situation voraus. Der
Täter muss derart zum Handeln gegen das Strafgesetz gedrängt worden sein, dass
er unter dem Druck dieser Bedrängnis einen Ausweg nur in der Begehung der
Straftat finden zu können glaubte (BGE 107 IV 94). Von einer solchen Bedrängnis
kann im zu beurteilenden Fall nicht gesprochen werden. Einerseits erreicht die
im angefochtenen Entscheid bei der Begehung der Taten festgestellte
Überforderung und Verzweiflung der Beschwerdeführerin die erforderliche
Intensität der Notlage nicht, andererseits wäre Abhilfe auf andere Weise
möglich gewesen. Der fragliche Strafmilderungsgrund ist somit nicht gegeben,
und es ist daher im Ergebnis unerheblich, dass sich das Obergericht damit nicht
ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Im Übrigen hat es die psychische Belastung
der Beschwerdeführerin nach Massgabe von Art. 63 aStGB ausreichend
strafmindernd berücksichtigt. Der angefochtene Entscheid verletzt mithin auch
in diesem Punkt kein Bundesrecht.

7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Kosten (Art.
66 Abs. 1 BGG). Sie hat ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung gestellt. (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Beschwerdeführerin ist
nicht erwerbstätig und verfügt über kein eigenes Vermögen. Ihr Ehemann verdient
indes netto rund Fr. 80'000.-- pro Jahr (amtliche Steuerübersicht der Eheleute
X.________). Mangels Bedürftigkeit kann das Gesuch nicht bewilligt werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2009

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Favre Arquint Hill