Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.915/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_915/2008

Urteil vom 6. April 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Boog.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Mauro Lardi,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Einstellungsverfügung (fahrlässige Körperverletzung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden,
Beschwerdekammer, vom 9. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 3. Januar 2005, kurz nach 13.00 Uhr, war X.________ mit seinen beiden
Töchtern im Alter von vier und sechs Jahren auf dem Heimweg vom Skiübungshang
bei der Talstation der Celeriner Bergbahnen. Dazu benutzte er den Fussweg
"Truoch sur Crasta", um anschliessend beim Bahnübergang "Vietta da L'infiern",
der unbewacht und auf jeder Seite mit Andreaskreuzen signalisiert war, die
Geleise der Rhätischen Bahn zu überqueren. Die Kinder hatten zu diesem
Zeitpunkt ihre Skier angeschnallt, X.________ trug seine Skiausrüstung unter
dem Arm. Als er mit den Mädchen im Begriff war, den ersten Geleisestrang zu
überschreiten und dem kleineren der beiden dabei zu helfen, hörte er einen Zug
pfeifen. In der Folge drehte er sich um und sah den Zug aus Richtung St. Moritz
herannahen. Er packte das kleinere Kind und stellte es wieder auf den Fussweg.
Anschliessend ergriff er das zweite Mädchen und stiess es aus dem
Geleisebereich. Während er selbst vom Geleise wegzukommen versuchte, wurde er
vom noch ungebremst anfahrenden Zug gestreift. Dabei erlitt er Brüche am
rechten Fuss sowie diverse Brüche von Quer- und Dornfortsätzen der Wirbelsäule.

B.
B.a Am 5. Januar 2005 stellte X.________ Strafantrag gegen die Veranwortlichen
des Bahnunfalls. Die Staatsanwaltschaft Graubünden eröffnete daraufhin am 25.
Februar 2005 eine Strafuntersuchung, welche sie nach Einholen eines
Untersuchungsberichts der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe (UUS)
mit Verfügung vom 11. April 2007 einstellte. Eine hiegegen von X.________
geführte Beschwerde hiess die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von
Graubünden mit Entscheid vom 11. Juli 2007 gut, hob die angefochtene
Einstellungsverfügung auf und wies die Sache an die Staatsanwaltschaft
Graubünden zurück.
B.b Nach Durchführung weiterer Untersuchungshandlungen stellte die
Staatsanwaltschaft Graubünden die Strafuntersuchung mit Verfügung vom 23. April
2008 erneut ein. Eine gegen diesen Entscheid von X.________ erhobene Beschwerde
wies die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden mit Entscheid vom
9. Juli 2008 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde beim Bundesgericht, mit der er beantragt, der
angefochtene Entscheid und die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft
seien aufzuheben und die Sache sei zur Ergänzung der Untersuchung und Erhebung
der Anklage an die Staatsanwaltschaft Graubünden zurückzuweisen.

D.
Das Kantonsgericht von Graubünden und die Staatsanwaltschaft Graubünden haben
auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Nach Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Erhebung der Beschwerde in Strafsachen
berechtigt, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen oder keine
Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat
(lit. b; BGE 133 IV 121 E. 1.1). Bei Beschwerden gegen den einen
Einstellungsbeschluss bestätigenden Gerichtsentscheid ist nach der
Rechtsprechung die Legitimation des Opfers unabhängig davon gegeben, ob es bis
zu diesem Zeitpunkt im Strafverfahren Zivilforderungen adhäsionsweise geltend
gemacht hat (BGE 120 IV 44 E. 4a;127 IV 185 E. 1). Das Opfer muss aber
darlegen, aus welchen Gründen und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf
welche Zivilforderung auswirken kann (BGE 123 IV 254 E. 1).
Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist das Opfer zur Erhebung der
Beschwerde legitimiert, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die
Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken kann. Als Opfer im Sinne des
Opferhilfegesetzes gilt jede Person, die durch eine Straftat in ihrer
körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt
worden ist (Art. 2 Abs. 1 aOHG; vgl. nunmehr Art. 1 Abs. 1 OHG vom 23. März
2007), unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden ist und ob er sich
schuldhaft verhalten hat (BGE 131 I 455 E. 1.2.2; 129 IV 95 E. 3.1). Wird die
Beschwerde gegen einen Einstellungsbeschluss oder ein freisprechendes Urteil
geführt, genügt es, dass eine die Opferstellung begründende Straftat in
Betracht fällt (BGE 131 IV 195 E. 1.1.2, mit Hinweis).

1.2 Der Beschwerdeführer ist aufgrund der erlittenen Verletzungen in seiner
körperlichen Integrität unmittelbar beeinträchtigt. Es kommt ihm daher ohne
weiteres Opferstellung zu. Er hat am kantonalen Verfahren teilgenommen und
gegen die Einstellung des Verfahrens Beschwerde erhoben. Er ist durch den
Entscheid auch zweifellos in seinen zivilen Schadenersatz- und
Genugtuungsansprüchen betroffen (Art. 45 und 47 OR). Auf seine Beschwerde kann
daher eingetreten werden.

2.
2.1
2.1.1 Die Staatsanwaltschaft Graubünden gelangt in ihrer Einstellungsverfügung
vom 23. April 2008 zum Schluss, der Lokomotivführer habe unmittelbar nach dem
Erkennen der gefährlichen Situation die möglichen und zumutbaren Massnahmen zur
Verhinderung eines Unfalls in die Wege geleitet. Eine frühere Erkennbarkeit sei
aufgrund der Streckenführung und Topografie nicht möglich gewesen. Sein
Verhalten könne daher nicht als fahrlässig bezeichnet werden. Da Anhaltspunkte
für ein strafrechtlich relevantes Verhalten weiterer Personen fehlten, sei die
Strafuntersuchung einzustellen (Einstellungsverfügung, Untersuchungsakten,
Dossier 1, act. 33 = Beschwerdebeilage S. 16, S. 7; angefochtenes Urteil S. 3
f.).
2.1.2 Nach den Ausführungen der Vorinstanz befand sich rund 104 Meter vor dem
fraglichen Bahnübergang an einem Fahrleitungsmast eine Pfeiftafel, welche den
Lokomotivführer verpflichtete, ein Achtungssignal abzugeben. Der
Lokomotivführer habe die Pfeife indes erst rund 30 Meter oder 1,8 Sekunden nach
dieser Tafel betätigt, so dass dieses aufgrund der technischen Verzögerung erst
56 Meter vor dem Bahnübergang ertönt sei. Aufgrund dieser Sachlage nimmt die
Vorinstanz an, es bestünden hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich der
Beschwerdeführer einer Sorgfaltspflichtverletzung schuldig gemacht habe
(angefochtenes Urteil S. 5 f.; vgl. auch Beschwerde S. 6 f.).
Die Vorinstanz geht im Weiteren davon aus, der Beschwerdeführer sei nicht
frontal von der Lokomotive erfasst worden. Da die Lokomotive aufgrund des an
der Front montierten Pfluges das breiteste Profil der Zugskomposition aufweise,
müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer den
Gefahrenbereich kurzzeitig habe verlassen können, bevor er wenig später mit dem
hinteren Teil der Lokomotive oder mit einem Wagen kollidiert sei. Aus welchen
Gründen er sich wiederum dem Geleise genähert habe und so in das Lichtprofil
des Zuges geraten sei, lasse sich aufgrund der Akten nicht klären. Es bestehe
die Möglichkeit, dass dies ohne Fremdeinwirkung aufgrund eines Stolperns oder
Ausrutschens geschehen sei. Da sich der Beschwerdeführer somit anfänglich aus
dem Gefahrenbereich habe entfernen können und er sich erst danach wieder auf
das Geleise zubewegt habe, hätte der Unfall auch durch die rechtzeitige Abgabe
eines Warnsignals nicht verhindert werden können. Dies wäre nur dann der Fall
gewesen, wenn der Beschwerdeführer nachweislich frontal mit der Lokomotive
zusammengestossen wäre. Die Vorinstanz gelangt daher zum Schluss, es lasse sich
nicht rechtsgenüglich nachweisen, dass die allfällige
Sorgfaltspflichtverletzung des Lokomotivführers auch direkte Ursache für den
eingetretenen Erfolg gewesen sei. Damit stehe fest, dass ein zu einem früheren
Zeitpunkt abgegebenes Pfeifsignal den Unfall nicht mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit verhindert hätte (angefochtenes Urteil S. 6 f.).

2.2 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 12 Abs. 3 StGB. Er macht
geltend, aufgrund des Unfallhergangs müsse darauf geschlossen werden, dass die
Kollision bei einer früheren Reaktion des Lokomotivführers hätte verhindert
werden können (Beschwerde S. 8 f.). Die Vorinstanz habe die Beschwerde gegen
die Einstellungsverfügung mit unhaltbaren Erwägungen in Bezug auf die
Kausalität des sorgfaltswidrigen Verhaltens des Lokomotivführers abgewiesen
(Beschwerde S. 14). Die Vorinstanz verkenne, dass sich der Unfall innert
weniger Sekunden zugetragen habe. Das ergebe sich daraus, dass der
Lokomotivführer ihn erst spät erkannt und erst hernach das Pfeifsignal betätigt
habe. Er (der Beschwerdeführer) habe sich mithin von den Geleisen werfen
müssen, damit er überhaupt den Körper aus dem Lichtprofil des Lokomotive habe
bewegen können. Der Schluss der Vorinstanz, wonach er nachträglich wieder
zurück in den Zug gestolpert sei, erscheine unter diesen Umständen geradezu als
abwegig, da er sich nur von den Geleisen weg aus der Gefahrenzone habe bewegen
können. Wäre er nicht augenblicklich aus dem Gefahrenbereich geflüchtet, hätte
ihn aufgrund der kappen Zeitverhältnisse der Zug frontal erfasst. Abgesehen
davon bestünden verschiedene Anhaltspunkte für die Annahme, dass er entgegen
der Auffassung der Vorinstanz doch von der Lokomotive und nicht von einem
hinteren Wagen erfasst worden sei (Beschwerde S. 16 ff.). Bei sorgfaltsgemässem
Verhalten des Lokomotivführers hätten ihm mindestens 3,5 Sekunden mehr zur
Verfügung gestanden, so dass er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtzeitig
hätte in Sicherheit bringen können. Bei einer früheren Warnung durch das
Pfeifsignal hätte die Streifkollision mithin vermieden werden können. Der
Schluss der Vorinstanz, wonach die Sorgfaltspflichtverletzung des
Lokomotivführers keinen Einfluss auf den Geschehensablauf gehabt habe, sei
daher unhaltbar (Beschwerde S. 15, 18 f.). Im Weiteren macht der
Beschwerdeführer geltend, der Lokomotivführer habe auch unabhängig von der
Missachtung der Pfeiftafel sorgfaltswidrig gehandelt. Er habe gewusst, dass er
sich einem unbewachten Bahnübergang genähert habe, der von Fussgängern und
Skifahrern rege benutzt werde. Ausserdem hätte er ihn (den Beschwerdeführer)
auf eine Distanz von 132-148 Metern sehen können. Bei entsprechender
Aufmerksamkeit und rechtzeitiger Warnung wären ihm (dem Beschwerdeführer) 8-9
Sekunden verblieben, um sich mit seinen Kindern aus der Gefahrenzone
wegzubewegen. Der Pfiff sei jedoch erst 3,5 Sekunden vor Erreichen des
Bahnübergangs erfolgt. Selbst wenn dem Lokomotivführer für die Wahrnehmung der
Situation und die Reaktion bis zum Auslösen des Warnsignals eine Zeitspanne von
je 1 Sekunde zugebilligt würde, wären bis zum Erreichen des Bahnübergangs
immerhin noch 6,5 Sekunden verblieben. Der Lokomotivführer habe der Bahnstrecke
und dem Bahnübergang offensichtlich nicht genügend Beachtung geschenkt und sich
überraschen lassen. Damit bestünden keine hinreichenden Gründe für die
Einstellung des Strafverfahrens (Beschwerde S. 19 ff.).

3.
3.1 Die Eröffnung eines Strafverfahrens setzt voraus, dass der Beschuldigte
eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat. Fehlt es nach durchgeführter
Untersuchung an einem hinreichenden Tatverdacht bzw. ist das Vorliegen eines
Straftatbestandes nicht genügend dargetan (Art. 82 Abs. 1 StPO/GR), so dass
eine Verurteilung in der Hauptverhandlung nicht zu erwarten ist, darf der
Untersuchungsrichter davon absehen, der Strafanzeige weitere Folge zu geben,
und kann das Verfahrens einstellen. Die Beurteilung der Prozessaussichten steht
dabei im pflichtgemässen Ermessen der Untersuchungsbehörde. Dabei gilt der
Grundsatz, dass im Zweifel Anklage zu erheben ist. Als Richtschnur kann gelten,
dass Anklage erhoben werden muss, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher
erscheint als ein Freispruch. Dies gründet auf der Überlegung, dass bei nicht
eindeutiger Beweislage der Entscheid über einen Vorwurf nicht von den
Untersuchungs- oder Anklagebehörden, sondern von den für die materielle
Beurteilung zuständigen Gerichten getroffen werden soll. Bei der
Anklageerhebung gelangt daher der auf die gerichtliche Beweiswürdigung
zugeschnittene Grundsatz 'in dubio pro reo' nicht zur Anwendung. Der Grundsatz,
dass im Zweifelsfall nicht eingestellt werden darf, ist auch bei der
gerichtlichen Überprüfung von Einstellungsverfügungen zu beachten (BGE 97 I
107, S. 110 f.; Urteil der Strafrechtlichen Abteilung 6B_588/2007 vom 11.4.2008
E. 3.2.3 mit weiteren Hinweisen).

3.2 Gemäss Art. 12 Abs. 3 StGB (in der Fassung des Bundesgesetzes vom 13.
Dezember 2002, in Kraft seit 1. Januar 2007) handelt fahrlässig, wer die Folgen
seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder
darauf nicht Rücksicht nimmt (Satz 1). Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit,
wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und
nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Satz 2).
Das Mass der im Einzelfall zu beachtenden Sorgfalt richtet sich, wo besondere,
der Unfallverhütung und der Sicherheit dienende Normen ein bestimmtes Verhalten
gebieten, in erster Linie nach diesen Vorschriften (BGE 130 IV 7 E. 3.3; 127 IV
34 E. 2a mit Hinweisen). Das Gleiche gilt für entsprechende allgemein
anerkannte Verhaltensregeln (in Form von Empfehlungen, Richtlinien,
Merkblättern usw.), auch wenn diese keine Rechtsnormen darstellen. Wo eine
derartige Regelung fehlt, kann der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf
allgemeine Rechtsgrundsätze wie den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden
(BGE 134 IV 193 E. 7 mit Hinweisen).
Eine Sorgfaltspflichtverletzung ist nur anzunehmen, wenn der Täter eine
Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte voraussehen bzw. erkennen können
und müssen. Erkennbar bzw. voraussehbar ist die Gefahr des Erfolgseintritts für
den Täter nach dem Massstab der Adäquanz, wenn sein Verhalten geeignet ist,
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen
Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Die
Vorhersehbarkeit der zu beurteilenden Ursache für den Erfolg ist nur zu
verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines
Dritten oder Material- oder Konstruktionsfehler, als Mitursache hinzutreten,
mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer
wiegen, dass sie als wahrscheinlichste Ursache des Erfolgs erscheinen (BGE 134
IV 193 E. 7.3; 130 IV 7 E. 3.2; je mit Hinweisen).
Für die Zurechenbarkeit des Erfolgs genügt die blosse Vorhersehbarkeit nicht.
Erforderlich ist darüberhinaus dessen Vermeidbarkeit. Der Erfolg ist
vermeidbar, wenn er nach einem hypothetischen Kausalverlauf bei pflichtgemässem
Verhalten des Täters ausgeblieben wäre. Dabei genügt, wenn das Verhalten des
Täters mindestens mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit oder mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolges bildete (BGE
134 IV 193 E. 7.3; 130 IV 7 E. 3.2 je mit Hinweisen).

4.
4.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass der Unfallzug mit einer
Geschwindigkeit von 59,36 km/h fuhr. Ferner hat sich aus dem mit Video
aufgezeichneten Rekonstruktion des Bahnfahrt mit mitlaufender Stoppuhr ergeben,
dass der Lokomotivführer eine im Bereich des Bahnübergangs stehende Person
bestenfalls 8 Sekunden bzw. 132 Meter, bevor die Lokomotive den Übergang
erreicht, erkennen konnte. Die Bremsen des Zuges reagierten mit einer
Verzögerung von ca. 45 Metern. Von dem Augenblick an, an welchem die
Bremswirkung einsetzte, bewegte sich der Zug bis zu seinem Stillstand noch 175
Meter (vgl. Einstellungsverfügung, Untersuchungsakten, Dossier 1, act. 33 =
Beschwerdebeilage S. 16, S. 5 f.; vgl. auch Untersuchungsbericht der UUS,
Untersuchungsakten, Dossier 2 act. 9 S. 6 f.).
Die kantonalen Instanzen stellen ferner fest, dass rund 104 Meter vor dem
Bahnübergang an einem Fahrleitungsmast eine Pfeiftafel angebracht war, die den
Lokomotivführer verpflichtet, ein Achtungssignal abzugeben. Der Lokomotivführer
hat im zu beurteilenden Fall das Pfeifsignal indes erst rund 30 Meter bzw. 1,8
Sekunden nach dieser Tafel abgegeben. Aufgrund der technischen Verzögerung
ertönte das Pfeifsignal erst ca. 56 Meter vor dem Bahnübergang (angefochtenes
Urteil S. 5; Einstellungsverfügung vom 23. April 2008, Untersuchungsakten,
Dossier 1, act. 33, S. 5; Untersuchungsbericht der UUS, Untersuchungsakten,
Dossier 2, act. 9, S. 6 f.).

4.2 Ein mit einer Geschwindigkeit von 59,36 km/h fahrender Zug bewegt sich pro
Sekunde rund 16,5 Meter. Für die Distanz von 56 Metern zwischen dem Ertönen des
Pfeifsignals und Erreichen des Bahnübergangs benötigte der Zug im zu
beurteilenden Fall somit rund 3,5 Sekunden. Dem Beschwerdeführer stand diese
kurze Zeitspanne zur Verfügung, um seine Kinder und sich selbst aus dem
Gefahrenbereich zu retten.
Der für die Zurechnung des Erfolgs notwendige Kausalzusammenhang ist gegeben,
wenn die in Frage stehende Handlung oder Unterlassung des Täters in irgendeiner
Weise für den Erfolg wirksam geworden ist. Nach der Rechtsprechung ist ein
(pflichtwidriges) Verhalten im natürlichen Sinne kausal, wenn es nicht
hinweggedacht werden kann, ohne dass auch der eingetretene Erfolg entfiele. Das
Verhalten braucht nicht die alleinige oder unmittelbare Ursache des Erfolgs zu
sein (BGE 125 IV 195 E. 2b; 115 IV 199 E. 5b). Die natürliche Kausalität genügt
für sich allein für die Zurechenbarkeit des Erfolgs indes noch nicht. Nach der
Rechtsprechung ist darüber hinaus ein adäquater Kausalzusammenhang
erforderlich. Ein solcher liegt vor, wenn die Handlung oder Unterlassung
geeignet ist, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des
Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu
begünstigen. Die Adäquanz wird nach der Rechtsprechung nur verneint, wenn ganz
aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines Dritten oder Material-
oder Konstruktionsfehler, als Mitursachen hinzutreten, mit welchen schlechthin
nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als
wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolges erscheinen und so
alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des
Angeschuldigten - in den Hintergrund drängen (BGE 134 IV 255 E. 4.4.2; 131 IV
145 E. 5.1 und 5.2; 129 IV 282 E. 2.1).
Die Vorinstanz stellt mit ihrer Annahme, wonach sich der Beschwerdeführer
zunächst mit seinen Kindern aus der Gefahrenzone habe wegbegeben können und
sich hernach wieder den Geleisen genähert habe, im Grunde zunächst den
natürlichen Kausalzusammenhang in Frage. Nach den tatsächlichen Feststellungen
verblieben dem Beschwerdeführer nach Ertönen des Warnsignals, wie ausgeführt,
indes lediglich rund 3,5 Sekunden, um seine beiden Kinder, welche mit
angeschnallten Skis unterwegs waren, von den Bahngeleisen zu stossen und sich
selber in Sicherheit zu bringen. Die Annahme, dass ihm dies innerhalb dieser
kurzen Zeitspanne hätte gelingen können und er hernach, indem er sich wieder in
den Gefahrenbereich zurückbewegte, eine neue Kausalreihe eröffnet hätte,
erscheint als abwegig. Nach den Schilderungen der Beteiligten wurde der
Beschwerdeführer offensichtlich beim Versuch, sich selbst in Sicherheit zu
bringen, vom Zug gestreift, wobei lediglich nicht geklärt ist, ob er von der
Lokomotive oder einem nachfolgenden Wagen erfasst worden ist. Immerhin ergibt
sich aus der Aussage des Beschwerdeführers, wonach der letzte Wagen auf seiner
Höhe gehalten hatte, dass er bei einem Anhalteweg von 175 Metern mit dem
vordersten Teil des 180 Meter langen Zuges kollidiert sein muss
(Untersuchungsakten Dossier 2, act. 6 S. 1 und act. 9, S. 4 und 7).
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz liegt auch auf der Hand, dass die
verspätete Abgabe des Pfeifsignals im zu beurteilenden Fall nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens geeignet war, einen
Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen.
Aussergewöhnliche, als Mitursache hinzutretende Umstände, welche das Verhalten
des Lokomotivführers derart in den Hintergrund drängen würden, dass die
Adäquanz verneint werden müsste, sind nicht ersichtlich. Insbesondere reicht
hiefür ein aufgrund von Art. 93 Abs. 4 SSV allfällig zu bejahendes
Selbstverschulden des Beschwerdeführers nicht aus, zumal es im Strafrecht keine
Schuldkompensation gibt (BGE 106 IV 58 E. 1). Soweit die Vorinstanz zum Schluss
gelangt, es fehle an der Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen der
Sorgfaltspflichtverletzung des Lokomotivführers und den vom Beschwerdeführer
erlittenen Verletzungen, verletzt der angefochtene Entscheid Bundesrecht.
Jedenfalls erweist sich die Sachlage nicht als derart klar, dass mit
Bestimmtheit angenommen werden könnte, bei einer gerichtlichen Beurteilung sei
mit einem Freispruch zu rechnen.
Bundesrecht verletzt der angefochtene Entscheid schliesslich auch, soweit die
Vorinstanz annimmt, dass der Erfolg auch bei sorgfaltspflichtgemässem Verhalten
der Lokomotivführers eingetreten, wäre, und sie insofern dessen Vermeidbarkeit
verneint. Bei der Frage, ob der adäquat kausale Erfolg dem Täter zugerechnet
werden kann, folgt die Rechtsprechung der Wahrscheinlichkeitstheorie. Danach
hängt die Zurechnung davon ab, ob der Erfolg bei sorgfaltsgemässem Handeln mit
an Sicherheit grenzender oder mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit nicht
eingetreten wäre (BGE 134 IV 193 E. 7.3; 130 IV 7 E. 3.2; 116 IV 182 E. 4a, 306
E. 2a). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt sich im zu beurteilenden
Fall nicht sagen, der Unfall hätte sich höchstwahrscheinlich auch ereignet,
wenn das Pfeifsignal ordnungsgemäss auf der Höhe der Pfeiftafel abgegeben
worden wäre. Das ergibt sich zwanglos aus den gegebenen Umständen. Denn wenn es
dem Beschwerdeführer bei einer Zeitspanne von lediglich rund 3,5 Sekunden
möglich war, seine Töchter von den Geleisen zu stossen und sich selbst so aus
dem Gefahrenbereich zu werfen, dass er vom noch ungebremst daherfahrenden Zug
lediglich gestreift wurde, liegt der Schluss nahe, dass es ihm bei einer nur um
wenige Sekunden verlängerten Rettungszeit höchstwahrscheinlich gelungen wäre,
sich gänzlich in Sicherheit zu bringen, bevor der Zug den Bahnübergang erreicht
hätte. Jedenfalls erscheinen die Verhältnisse auch in diesem Kontext längst
nicht als derart geklärt, dass bei einer gerichtlichen Beurteilung mit
Sicherheit mit einem Freispruch gerechnet werden könnte.
Aus diesen Gründen beruht die Bestätigung der von der Staatsanwaltschaft
erlassenen Einstellungsverfügung durch die Vorinstanz auf einer
Ermessensverletzung. Die Beschwerde erweist sich als somit begründet.

5.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG) und ist dem
Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68
Abs. 2 BGG), die der unterliegende Kanton auszurichten hat (Art. 68 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden
vom 9. Juli 2008 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Graubünden hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden,
Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. April 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Boog