Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.880/2008
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_880/2008/sst

Urteil vom 2. Februar 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiberin Koch.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Massimo Aliotta,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Einstellungsbeschluss (fahrlässige schwere Körperverletzung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 17. September 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 3. April 2003 erlitt X.________ einen Arbeitsunfall. Er und A.________
transportierten über einen Handseilzug Isolierelemente in die Höhe. X.________
bediente den Handseilzug, während A.________ die Isolierelemente oben auf dem
Baugerüst in Empfang nahm. Bei diesem Vorgang stürzte ein Paket Isolierelemente
auf X.________ und verletzte ihn. X.________ erstattete am 12. September 2005
Strafanzeige gegen Unbekannt wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung.

B.
Mit Verfügung vom 15. Januar 2007 stellte die Staatsanwaltschaft See/ Oberland
die Strafuntersuchung wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung gegen
Unbekannt ein. Sie hielt fest, dass die Verletzungen, soweit sie auf den Unfall
zurückzuführen sind, nicht schwer sind und dass ein Strafantrag wegen einfacher
Körperverletzung innert der dreimonatigen Antragsfrist nicht eingereicht worden
sei.

C.
Das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, wies den dagegen
erhobenen Rekurs von X.________ mit Beschluss vom 17. September 2008 ab.

D.
X.________ erhebt gegen diesen Beschluss Beschwerde in Strafsachen an das
Bundesgericht. Er beantragt, die Sache zur Fortführung der Strafuntersuchung
und Anklageerhebung an die Staatsanwaltschaft See/Oberland zurückzuweisen.
Weiter beantragt er, es sei ihm im Rahmen der Strafuntersuchung die Gelegenheit
zu geben, eine Zivilforderung einzureichen, und die B.________ AG sei zu
verpflichten, alle sachdienlichen Dokumente zur Strafuntersuchung zu edieren.

E.
Das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege hat X.________ am 24. November 2008 zurückgezogen.
Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde frist- und formgerecht eingereicht.
Er ist Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG (SR 312.5), und daher gestützt auf
Art. 81 Abs. 1 Ziff. 5 BGG zur Beschwerde gegen den letztinstanzlichen
kantonalen Einstellungsbeschluss legitimiert. Auf die Beschwerde ist somit
einzutreten.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Anspruchs auf den
verfassungsmässigen Richter nach Art. 30 Abs. 1 BV. Er macht geltend, die
Strafuntersuchung gegen "Unbekannt" sei durch die Staatsanwaltschaft als nicht
richterliche Behörde eingestellt worden. Die Einstellungsverfügung habe er mit
Rekurs an das Obergericht des Kantons Zürich weiterziehen können. Trotz der
umfassenden Kognition der Vorinstanz könne das Verfahren nicht gleichgesetzt
werden mit einem ordentlichen Hauptverfahren vor dem zuständigen Strafrichter
nach § 161 ff. der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO
/ZH, LS 321), in welchem der Geschädigte über diverse prozessuale Rechte
verfüge. Die Ausübung dieser Rechte hätte dazu führen können, dass der
zuständige Strafrichter zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre als die
Staatsanwaltschaft oder Vorinstanz. Indem die Staatsanwaltschaft als erste
Instanz und die Vorinstanz als Rekursinstanz über materiellrechtliche Fragen
entschieden hätten, sei Art. 30 BV verletzt.

2.2 Art. 30 Abs. 1 BV garantiert den Anspruch auf Beurteilung einer Rechtssache
durch ein gesetzlich geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches
Gericht. Inhalt der Garantie bildet der Anspruch auf den gesetzlichen, in
institutioneller, persönlicher, zeitlicher, örtlicher und sachlicher Hinsicht
unabhängigen Richter (BGE 134 I 184 E. 3.1; 134 I 125 E. 3.3; 134 I 16 E. 4.2,
je mit Hinweisen). Bei der Ausgestaltung der Gerichtsorganisation kommt dem
Gesetzgeber ein weiter Spielraum zu; es besteht kein grundrechtlicher Anspruch
auf eine bestimmte institutionelle Ausgestaltung (BGE 134 I 16 E. 4.2; 132 I
140 E. 2.2 je mit Hinweisen). Insbesondere lässt sich aus der Rechtsweggarantie
nach Art. 29a und Art. 191b BV sowie der Rechtsmittelgarantie nach Art. 32 Abs.
3 BV lediglich ein Anspruch auf Beurteilung durch zwei kantonale Instanzen,
nicht aber durch auf einen doppelten kantonalen gerichtlichen Instanzenzug
herleiten (MARC THOMMEN, in: Basler Kommentar Bundesgerichtsgesetz, 1. Aufl.
2008, N. 7 zu Art. 80 BGG). Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer keinen
Anspruch auf eine Gerichtsbehörde als erste urteilende kantonale Instanz bzw.
einen doppelten Instanzenzug vor zwei kantonalen gerichtlichen Behörden zur
Beurteilung der von ihm gerügten Einstellungsverfügung aus Art. 30 Abs. 1 BV
geltend machen kann. Art. 30 Abs. 1 BV spricht sich lediglich zum Erfordernis
der Unabhängigkeit der Gerichtsbehörden, nicht aber der erstinstanzlich
entscheidenden kantonalen Verwaltungsbehörden aus. Über die
Einstellungsverfügung hat mit dem Obergericht eine von den Ermittlungsbehörden
unabhängige, gerichtliche Instanz mit voller Kognition als Rechtsmittelinstanz
im Rekursverfahren entschieden (§ 398 Abs. 1 und§ 402 Ziff. 1 StPO/ZH ), womit
Art. 30 Abs. 1 BV nicht verletzt ist.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt als weiteren Punkt, die Vorinstanz habe das
Willkürverbot bei der Sachverhaltsfeststellung nach Art. 9 BV verletzt. Sie
habe seine Zeugenaussage und die Aussagen des Zeugen C.________ willkürlich
gewürdigt, indem sie festgestellt habe, es sei nicht erwiesen, dass A.________
das Paket mit dem Isolationsmaterial in den Händen gehalten habe, bevor es auf
den Beschwerdeführer gefallen sei, obwohl sich der Zeuge C.________ gegenteilig
geäussert habe. Der Beschwerdeführer habe das Isolationsmaterial am Handseilzug
fertig hochgezogen. Durch die Übernahme der hochgezogenen Last sei die
Verantwortung auf A.________ übergegangen. A.________ habe das Isolationspaket
in den Händen gehalten und fallen lassen. Damit habe er seine
Sorgfaltspflichten verletzt. Ebenfalls willkürlich sei die Annahme der
Vorinstanz, es seien mehrere Unfallursachen möglich und es stehe nicht fest, ob
der Beschwerdeführer die Last am Seil korrekt befestigt habe. Massgebend ist
nach Ansicht des Beschwerdeführers vielmehr, dass A.________ das Paket in den
Händen gehalten habe, bevor es auf ihn gefallen sei. Damit bestehe eine
genügende Grundlage für eine Anklageerhebung vor Gericht.

3.2 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde in gedrängter
Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt
voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Genügt die Beschwerdeschrift diesen
Begründungsanforderungen nicht, so ist darauf nicht einzutreten. Strengere
Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten, wie z.B. des
Willkürverbots, geltend gemacht wird. Die Begründungsanforderungen entsprechen
jenen Anforderungen, wie sie gestützt auf Art. 90 Abs. 1 lit. b OG für die
staatsrechtliche Beschwerde gegolten haben (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 mit
Hinweisen). Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz
gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw.
welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid
verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene
und belegte Rügen. Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid
tritt es nicht ein. Es prüft die Verletzung des Willkürverbots nur insofern,
als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist
(Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer muss sich dazu mit den
Entscheidgründen der Vorinstanz auseinandersetzen und präzise angeben, worin er
die Rechtsverletzung erblickt bzw. inwiefern der Entscheid an einem
qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 V 53 E. 3.3. mit
Hinweisen; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2; 130 I 258 E. 1.3 mit Hinweisen).

3.3 Nach der bundesgerichtlichen Praxis liegt Willkür in der Beweiswürdigung
nach Art. 9 BV vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings
unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht bzw. im Ergebnis
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE
133 III 393 E. 6). Das Bundesgericht hebt einen Entscheid nur auf, wenn nicht
bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Für die Annahme
von Willkür genügt es nicht, wenn eine andere Lösung auch als vertretbar oder
sogar zutreffender erscheint (BGE 132 I 175 E. 1.2; 131 I 467 E. 3.1, je mit
Hinweisen).

3.4 Was der Beschwerdeführer vorbringt, erschöpft sich weitgehend in
appellatorischer Kritik. Er legt in seiner Beschwerdeschrift auf Seite 10 bis
Seite 16 dar, wie er selbst die Aussagen des Zeugen C.________, des am Unfall
beteiligten A.________ und seine eigenen Aussagen sowie das betriebsinterne
Protokoll der B.________ AG gewürdigt hätte und welcher Sachverhalt sich nach
seiner Ansicht zugetragen hat, ohne darzulegen, weshalb der Entscheid der
Vorinstanz im Ergebnis schlechterdings unhaltbar sein sollte. Auf seine
diesbezüglichen Vorbringen ist nicht einzutreten.

3.5 Entgegen den Einwänden des Beschwerdeführers hat sich die Vorinstanz
umfassend mit den verschiedenen möglichen Hypothesen zur Frage des Sachverhalts
und damit zur Unfallursache auseinandergesetzt. Sie hat in ihrer
Beweiswürdigung die Aussagen des Beschwerdeführers als Unfallopfer und des
Unfallbeteiligten A.________ zur Frage der Befestigung der Last ausführlich
gegeneinander abgewogen. Gestützt auf diese Aussagen ist sie zum Schluss
gelangt, es sei nicht erwiesen, dass der Beschwerdeführer die Last am Seil
korrekt befestigt habe, zumal der Beschwerdeführer seine Aussagen dahingehend
präzisiert habe, dass er das Seil ein wenig oberhalb der Mitte angebunden habe
(angefochtener Entscheid S. 6). Sie hat ebenfalls berücksichtigt, dass
A.________ nach den Aussagen des Zeugen C.________ das Paket bereits in der
Hand gehalten hat, bevor es auf den Beschwerdeführer heruntergefallen ist (vgl.
angefochtener Entscheid S. 7 Mitte). Die Vorinstanz hat im angefochtenen
Entscheid die Aussage des Zeugen C.________ wiedergegeben, wonach er zwar
gesehen habe, dass sich A.________ nach dem Paket gestreckt und es in die Hände
genommen habe, dass er aber nicht mehr im Detail wisse, wie A.________ das
Paket angefasst habe, und nicht gesehen habe, wie die Last hinuntergestürzt
sei. Die Vorinstanz ist unter Berücksichtigung dieser Aussage zum Schluss
gelangt, es lasse sich nicht anklagegenügend erhärten, dass A.________ das
Paket entglitten und dies die Unfallursache gewesen sei. Es könne aufgrund des
Untersuchungsergebnisses nicht eruiert werden, wo das Seil am Paket befestigt
gewesen sei, ob der Handseilzug einwandfrei funktioniert und der
Beschwerdeführer diesen korrekt bedient habe. Die Vorinstanz hat weiter
festgestellt, dass ein Widerspruch besteht zur Frage, ob das Paket mit dem
Isoliermaterial "regennass" gewesen sei, da einerseits der Unfallbericht der
Arbeitgeberfirma B.________ AG an die SUVA besage, dass dem im vierten Geschoss
auf dem Gerüst stehenden Mitarbeiter das wegen Regen nasse und rutschige Paket
aus der Hand gerutscht sei, und andererseits der Wetterbericht der
Meteo-Schweiz, festhalte, dass die Messstation Uster im Zeitraum zwischen dem
3. April 2003, 7.00 Uhr, und dem 4. April 2003, 7.00 Uhr, keinen Niederschlag
verzeichnete. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände hat die Vorinstanz
die Einstellung des Strafverfahrens geschützt.

3.6 Die Vorinstanz durfte willkürfrei zum Schluss gelangen, der Unfallablauf
könne bei der gegebenen Beweislage nicht mehr rekonstruiert werden und es
fehlten hinreichende Anhaltspunkte für eine Anklageerhebung, zumal der einzige
Augenzeuge des Unfalls, der Zeuge C.________, nicht gesehen hat, wie und
weshalb das Paket mit dem Isoliermaterial heruntergefallen ist, er sich nicht
mehr im Detail erinnern kann, wie A.________ das Paket in die Hände genommen
hat und im Übrigen die zwei Unfallbeteiligten - der Beschwerdeführer und
A.________, welche beide ein finanzielles Interesse an der Klärung der
Unfallursache haben - gegenläufige Aussagen zum Unfallhergang machen. Dass
andere Zeugen zum Unfallhergang existieren, behauptet auch der Beschwerdeführer
ausdrücklich nicht (vgl. S. 11 Ziff. 1.5 der Beschwerdeschrift).

4.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist die Beschwerde insgesamt abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der
Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Februar 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Favre Koch