Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.839/2008
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_839/2008 /hum

Urteil vom 16. Januar 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Mathys,
Gerichtsschreiber Borner.

Parteien
F.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hess,

gegen

Justiz- und Sicherheitsdepartement, Vollzugs- und Bewährungsdienste, Abteilung
Straf- und Massnahmenvollzug, Bundesplatz 14, 6002 Luzern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Strafvollzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 2.
September 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 12. April 2006 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern F.________
wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und mehrfacher
Geldwäscherei zu 7½ Jahren Zuchthaus und Fr. 20'000.-- Busse. Zudem verfügte es
die Aufrechterhaltung der Pass- und Schriftensperre bis zum Ende des
Strafvollzugs.

Die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde
wies das Bundesgericht am 17. März 2007 ab, soweit es auf die Beschwerden
eintrat.

B.
Am 7. Mai 2008 wiesen die Vollzugs- und Bewährungsdienste des Justiz- und
Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern die Gesuche von F.________ um
Verbüssung der Reststrafe in Form des Arbeitsexternates und um Aufhebung der
Pass- und Schriftensperre ab.

Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wie auch das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Bestellung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistandes wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern am 2. September
2008 ab.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt F.________, der angefochtene Entscheid
sei aufzuheben, und es seien die Gesuche um Verbüssung der Reststrafe in der
Vollzugsstufe des Arbeitsexternates, um Aufhebung der Schriftensperre und um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zu bewilligen. Eventuell sei die
Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen
beantragt F.________, es sei ihm für das Verfahren vor Bundesgericht die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer stellte am 1. Mai 2007 bei den Vollzugs- und
Bewährungsdiensten (im Folgenden Dienststelle genannt) ein Gesuch um Verbüssung
seiner Reststrafe in Halbfreiheit (Arbeitsexternat). Er wurde hierauf
aufgefordert, innerhalb einer Frist einen gültigen Arbeitsvertrag vorzulegen,
damit das Gesuch geprüft werden konnte. Trotz wiederholter Mahnungen kam der
Beschwerdeführer dieser Aufforderung nicht nach. Am 9. August 2007 teilte er
der Dienststelle mit, dass er am 30. Juni 2007 zusammengeschlagen worden war
und schwere Verletzungen davongetragen hatte. Nach Verlängerung der
Eingabefrist informierte der Beschwerdeführer, dass die verantwortliche Person
des Arbeitgebers nicht erreichbar sei und daher der Arbeitsvertrag nicht
zugestellt werden könne. Hierauf kam die Dienststelle am 7. Mai 2008 zum
Schluss, dass die Bedingungen für das Arbeitsexternat nicht erfüllt seien,
weshalb sie das Gesuch abwies und den Normalvollzug anordnete. Gleichzeitig
wies sie das Gesuch um Aufhebung der Pass- und Schriftensperre ab. In seiner
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 28. Mai 2008 erwähnte der Beschwerdeführer,
dass er seit dem 1. Mai 2008 zu 25% im Hotel "A.________" in E.________ tätig
sei. Der Arbeitsvertrag werde nachgereicht, was in der Folge jedoch unterblieb.

2.
2.1 Die Vorinstanz hält fest, der Beschwerdeführer habe seit Gesuchseinreichung
im Mai 2007 um die Notwendigkeit gewusst, ein Arbeitsverhältnis nachzuweisen.
Auch sei er mit Schreiben vom 27. Juli 2007 über die Konsequenzen informiert
worden. Selbst im Beschwerdeverfahren habe er es unterlassen, einen gültigen
Arbeitsvertrag vorzulegen, auch wenn dies in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
noch angekündigt worden sei. Entscheidend seien die tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheides. Heute sei
nicht erstellt, in welchem Pensum an welchen Tagen zu welchen Bedingungen bei
welchem Arbeitgeber der Beschwerdeführer arbeite. Es verstehe sich von selbst,
dass diese Rahmenbedingungen offengelegt werden müssten, um prüfen zu können,
ob die Vollzugsform des Arbeitsexternats überhaupt in Frage komme. Die
Dienststelle habe somit das Gesuch um Vollstreckung der Reststrafe im
Arbeitsexternat zu Recht abgewiesen

2.2 Bezüglich der Schriftensperre hat der Beschwerdeführer gemäss Vorinstanz
nichts vorgebracht, was für deren Aufhebung sprechen würde. Allein die
Tatsache, dass er Opfer einer schweren Gewalttat geworden ist, rechtfertige die
Aufhebung nicht. Auch die lange Verfahrensdauer, welche im Übrigen bereits bei
der Strafzumessung angemessen berücksichtigt worden ist, führe zu keinem
anderen Ergebnis. Nachdem der Strafvollzug noch nicht beendet sei, bleibe
deshalb die Pass- und Schriftensperre gemäss dem rechtskräftigen Urteil des
Obergerichts aufrechterhalten.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, für die Arbeitsstelle bei der
"A.________ GmbH, E.________/L.________" existiere erst seit dem 1. Oktober
2008 ein schriftlicher Arbeitsvertrag. Dem Ergebnisprotokoll Standortgespräch
vom 17. April 2008 (mit Datum vom 15. Mai 2008), das im Verfahren vor der
Vorinstanz aufgelegt worden sei, könne entnommen werden, dass er einen
Arbeitsvertrag zu 25% bei Herrn L.________, A.________, in E.________ habe. Der
Vorinstanz sei also bekannt gewesen, dass er über einen Teilzeit-Arbeitsvertrag
verfüge. Aufgrund der besonderen Umstände sei er nicht in der Lage gewesen,
weitergehend im Verfahren mitzuwirken, als er dies getan habe. Die neuen
Urkunden hätten nicht früher eingereicht werden können. Zudem habe die
Dienststelle den Ausgang eines hängigen Verfahrens gegen den Beschwerdeführer
abwarten wollen. Faktisch sei das Verfahren sistiert worden, wovon auch er
ausgegangen sei. Er habe annehmen dürfen, dass er - nach längerer Zeit - im
Hinblick auf den Entscheid nochmals Gelegenheit erhalten würde, die aktuelle
Situation darzulegen. Bei der Frage, ob Normalvollzug oder Vollzug im
Arbeitsexternat angeordnet werde, handle es sich um einen Entscheid mit
schwerwiegenden Folgen für den Betroffenen. Dass die Vorinstanz das Verhalten
der Dienststelle geschützt und alleine wegen behaupteter mangelnder Mitwirkung
einen ablehnenden Entscheid gefällt habe, sei qualifiziert unangemessen, beruhe
auf überspitztem Formalismus und sei im Ergebnis derart stossend, dass der
Entscheid wegen Willkür und Ermessensmissbrauch aufgehoben werden müsse.

3.2 In Bezug auf die Schriftensperre macht der Beschwerdeführer geltend, die
Vorinstanz habe nichts vorgebracht, woraus sich die Notwendigkeit der
Schriftensperre zur Sicherung des Strafvollzugs ergebe.

3.3 Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, indem die Vorinstanz
fälschlicherweise von einem fehlenden Arbeitsvertrag ausgehe, habe sie sein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu Unrecht abgewiesen. Das Verfahren sei
aus den von ihm dargelegten Gründen nicht aussichtslos und die Bedürftigkeit
erstellt gewesen.

4.
4.1 Nach Art. 77a StGB wird die Freiheitsstrafe in der Form des
Arbeitsexternates vollzogen, wenn der Gefangene einen Teil der Freiheitsstrafe,
in der Regel mindestens die Hälfte, verbüsst hat und nicht zu erwarten ist,
dass er flieht oder weitere Straftaten begeht (Abs. 1). Im Arbeitsexternat
arbeitet der Gefangene ausserhalb der Anstalt und verbringt die Ruhe- und
Freizeit in der Anstalt. Der Wechsel ins Arbeitsexternat erfolgt in der Regel
nach einem Aufenthalt von angemessener Dauer in einer offenen Anstalt. Als
Arbeiten ausserhalb der Anstalt gelten auch Hausarbeit und Kinderbetreuung
(Abs. 2).

4.2 Die Bewilligung des Arbeitsexternates setzt neben der günstigen Prognose
voraus, dass der Gefangene über einen geeigneten Arbeitsplatz ausserhalb der
Anstalt verfügt. Die Anstaltsleitung prüft vor dem Übertritt den Arbeitsvertrag
und bewilligt das Arbeitsverhältnis mittels einer Verfügung, in welcher dem
Arbeitgeber die besonderen Modalitäten des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt
werden und dieser die Bestimmungen des Halbfreiheitsregimes ausdrücklich
anerkennt (BENJAMIN Brägger, Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Auflage, Art.
77a StGB, N. 3). Die Vollzugsstufe des Arbeitsexternats, wo der Betroffene
ausserhalb der Anstalt in einem privaten oder öffentlichen Betrieb arbeitet,
setzt damit voraus, dass der Gesuchsteller eine Arbeitsstelle und damit auch
einen Arbeitsvertrag besitzt. Trotz Aufforderung unterliess es der
Beschwerdeführer noch bei der Vorinstanz, eine entsprechende Bestätigung
vorzulegen, was ihm ohne weiteres zuzumuten und wozu er auch verpflichtet war
(vgl. Art. 75 Abs. 4 StGB). Der - durch einen Rechsanwalt vertretene -
Beschwerdeführer begründet nicht näher, weshalb er dieser Verpflichtung nicht
habe nachkommen können.

Der heute eingereichte Arbeitsvertrag führt als Vertragsbeginn den 15. Oktober
2008 auf, weshalb er nicht geeignet ist, die vorinstanzliche Begründung in
Frage zu stellen. Abgesehen davon, wäre der Vertrag als neue Tatsache und neues
Beweismittel im vorliegenden Beschwerdeverfahren unzulässig (Art. 99 Abs. 1
BGG). Was der Beschwerdeführer im Übrigen vorbringt, vermag keine
Bundesrechtswidrigkeit darzutun. Er hätte es in der Hand gehabt, sein
behauptetes Arbeitsverhältnis bis zum vorinstanzlichen Entscheid zu belegen.
Unter den gegebenen Umständen war die Vorinstanz nicht gehalten, von sich aus
weitere Abklärungen zu treffen. Es kann auch keine Rede davon sein, dass er
annehmen durfte, das Verfahren sei sistiert, hat er doch in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 28. Mai 2008 an die Vorinstanz selbst in
Aussicht gestellt, den Vertrag nachzureichen. Weshalb die Vorinstanz ihr
Ermessen missbraucht haben und einem überspitzten Formalismus verfallen sein
soll, weil sie ihren Entscheid auf die fehlende Mitwirkung des
Beschwerdeführers abstützt, ist nicht einsichtig und wird auch nicht näher
dargetan. Die entsprechende Rüge ist unbegründet, soweit darauf überhaupt
eingetreten werden kann.

5.
Hinsichtlich der Pass- und Schriftensperre bezieht sich die Vorinstanz auf das
Urteil des Obergerichts vom 12. April 2006, wonach dieses Sicherungsmittel bis
zum Ende des Strafvollzuges aufrechtzuerhalten ist. Damit hat die Vorinstanz
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ausreichend dargetan, weshalb die
Sperre als notwendig erscheint. Mit der (sinngemässen) Begründung im
vorinstanzlichen Entscheid, der Strafvollzug sei noch nicht beendet, sondern
lediglich unterbrochen, weshalb die ursprüngliche Begründung der Pass- und
Schriftensperre nach wie vor gelten würde, setzt sich der Beschwerdeführer
nicht auseinander. Er legt auch nicht dar, weshalb die Schriftensperre im
heutigen Zeitpunkt nicht mehr notwendig sein soll. Die Rüge ist unbegründet,
soweit darauf einzutreten ist.

6.
Bei der gegebenen Sachlage durfte die Vorinstanz die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde als offensichtlich aussichtslos beurteilen und
deshalb das Begehren um unentgeltliche Rechtspflege abweisen. Die entsprechende
Rüge des Beschwerdeführers ist haltlos.

7.
Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da sein Rechtsbegehren von
vornherein als aussichtslos erschien, ist sein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seinen finanziellen Verhältnissen
kann bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung getragen werden (Art. 65
Abs. 2 BGG).

Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos geworden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Januar 2009

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Borner