Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.824/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_824/2008 /hum

Urteil vom 27. Dezember 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Briw.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Prechtl,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Zweifelhafte Schuldfähigkeit (Art. 20 StGB),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom
24. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Das Kantonsgericht St. Gallen hat am 24. Juni 2008 X.________ der schweren
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, des Betäubungsmittelkonsums und
der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen und ihn
unter Einbezug des Strafbescheids des Untersuchungsamts Altstätten vom 7. April
2004 zu einer Gesamtstrafe von 37 Monaten und einer Busse von 300 Franken
verurteilt.

B.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das
kantonsgerichtliche Urteil im Schuld-, Straf- und Kostenpunkt aufzuheben und
die Sache zur Ergänzung und Neubeurteilung zurück zu weisen, eventualiter die
Schuldsprüche zu bestätigen und ihn mit einer Gesamtstrafe von 24 Monaten und
einer Busse von 300 Franken zu bestrafen. Es sei ihm die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, aufgrund seines exzessiven
Drogenmissbrauchs und des grossen Abhängigkeitspotenzials von Kokain und Heroin
sei entgegen der Ansicht der Vorinstanz von einer Einschränkung seiner
Steuerungsfähigkeit auszugehen.

1.2 Die Vorinstanz nimmt an, es bestehe kein ernsthafter Anlass, an der
Schuldfähigkeit zu zweifeln. Daher erübrige sich die Einholung eines Gutachtens
zu dieser Frage.

1.3 Gemäss Art. 20 StGB ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die
sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an, wenn ernsthafter
Anlass besteht, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln. Es ist bei der
Prüfung der Frage, ob eine Untersuchung des Beschuldigten anzuordnen ist, zu
berücksichtigen, dass nicht jede geringfügige Herabsetzung der Fähigkeit, sich
zu beherrschen, genügt, um verminderte Zurechnungsfähigkeit anzunehmen. Der
Betroffene muss vielmehr, zumal der Begriff des normalen Menschen nicht eng zu
fassen ist, in hohem Masse in den Bereich des Abnormen fallen. Umstände, welche
beim Gericht ernsthaft Zweifel hervorrufen müssen, sind nach der
bundesgerichtlichen Praxis beispielsweise bei Drogenabhängigkeit gegeben.
Indessen ist die Notwendigkeit, einen Sachverständigen beizuziehen, erst
gegeben, wenn Anzeichen vorliegen, die geeignet sind, Zweifel hinsichtlich der
vollen Schuldfähigkeit zu wecken. Zeigt das Verhalten des Täters vor, während
und nach der Tat, dass ein Realitätsbezug erhalten war, dass er sich an
wechselnde Erfordernisse der Situation anpassen, auf eine Gelegenheit zur Tat
warten oder diese gar konstellieren konnte, so hat eine schwere
Beeinträchtigung nicht vorgelegen (BGE 133 IV 145 E. 3.3 mit Hinweisen).

1.4 Gegen einen ernsthaften Anlass zu Zweifeln an der Schuldfähigkeit des
Beschwerdeführers sprechen seine während des ganzen Verfahrens gezeigten
widersprüchlichen Angaben. Diese reichen vom Bestreiten, drogensüchtig zu sein
oder Drogen überhaupt einzunehmen, bis zur Angabe, täglich ca. 2 g Kokain und
Cannabis konsumiert zu haben. Mit der Vorinstanz kann auch ausgeschlossen
werden, dass der Drogenkonsum in der kurzen Zeit zwischen Dezember 2006 und
Februar 2007 - falls er in diesem Ausmasse stattgefunden haben sollte - bereits
sein Handeln beeinträchtigt bzw. sich auf seine Straftat ausgewirkt haben
könnte. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf BGE 109 IV 143 E. 3b ist
unbehelflich. In diesem Entscheid wurde zwar ausgeführt, dass eine
Applikationsmenge von 10 mg und regelmässiger Konsum während eines halben
Jahres genüge, um eine Person in ihrer Gesundheit zu schädigen. Dabei ging es
aber um die Bestimmung des schweren Falls gemäss Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
und nicht um die Beschränkung der Schuldfähigkeit.

1.5 Schliesslich hält die Vorinstanz fest, dass keine Hinweise zu finden seien,
die darauf hindeuten würden, dass die Kokaingeschäfte im Zusammenhang mit dem
Drogenkonsum des Beschwerdeführers gestanden hätten. Diesen Zusammenhang will
der Beschwerdeführer damit herstellen, dass er auf fehlendes Vermögen und
Nichterwerbstätigkeit während des Deliktzeitraums hinweist, so dass es auf der
Hand liege, dass die Drogengeschäfte inbesondere der Finanzierung des
Eigenkonsums gedient hätten. Diese Darstellung genügt den
Begründungsanforderungen nicht (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG), so
dass darauf nicht einzutreten ist. Massgebend ist der vorinstanzlich
festgestellte Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG).

2.
Im Übrigen begründet der Beschwerdeführer die gestellten Rechtsbegehren (oben
E. B) nicht, so dass darauf nicht weiter einzutreten ist.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64
BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers kann mit herabgesetzten
Gerichtskosten Rechnung getragen werden (Art. 65 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Dezember 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Briw