Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.804/2008
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_804/2008

Urteil vom 31. März 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari,
Gerichtsschreiber Briw.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
Advokat Christian von Wartburg,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3a, 4410 Liestal,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Entschädigung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Zivil- und Strafrecht, vom 19. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft warf X.________ vor, er habe als Wirt
seine Angestellte im Jahre 2002 im Sinne von Art. 193 Abs. 1 StGB ausgenützt.
Das Strafgericht Basel-Landschaft erklärte ihn am 16. Januar 2007 der
Ausnützung einer Notlage gemäss Art. 193 Abs. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn
mit einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 80.--,
bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hiess am 13. Mai 2008 die von X.________
erhobene Appellation gut und sprach ihn vom Vorwurf der Ausnützung der Notlage
frei (Art. 193 Abs. 1 StGB). Der Anklage der sexuellen Belästigung wurde
aufgrund der Verjährung keine Folge gegeben (Art. 109 und Art. 198 Abs. 2
StGB). Die Zivilforderungen des Opfers wurden auf den Zivilweg verwiesen, die
Verfahrenskosten des Strafgerichts und des Kantonsgerichts sowie die Kosten der
Opfervertretung wurden dem Staat auferlegt.

B.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies am 19. August 2008 einen Antrag von
X.________ auf Zusprechung einer Entschädigung für die Anwaltskosten (Fr.
14'746,05), Reisespesen (Fr. 361,10) und Erwerbsausfall (Fr. 920.--) ab.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, den
kantonsgerichtlichen Beschluss vom 19. August 2008 aufzuheben, die Sache an das
Kantonsgericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen und ihm die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren.
Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in Strafsachen ist in der vorliegenden Sache das zutreffende
Rechtsmittel (BGE 135 IV 43 E. 1.1.1).

2.
Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten nur insofern, als eine
solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist
(Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III 439 E. 3.2; 133 IV 286 E. 1.4). Auf rein
appellatorische Kritik tritt es nicht ein (BGE 133 II 396 E. 3.1).

2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, da für Kostenauflage und Entschädigung
die gleichen Grundsätze gelten würden, sei es unhaltbar, ihm im angefochtenen
Beschluss die Entschädigung zu verweigern, nachdem im freisprechenden
Strafurteil vom 13. Mai 2008 die Kosten dem Staat auferlegt worden seien. Daran
könnten die Ausführungen zu seinem widerrechtlichen Verhalten nichts ändern.
Hinzu komme, dass die Appellation notwendig gewesen und das strafgerichtliche
Urteil aufgehoben worden sei. Die Verweigerung der Entschädigung sei auch vor
dem Hintergrund der Verletzung des Beschleunigungsgebots unhaltbar.

2.2 Die Vorinstanz stützt sich auf § 33 Abs. 3 StPO/BL. Nach dieser Bestimmung
wird die Entschädigung verweigert oder herabgesetzt, wenn die angeschuldigte
oder verurteilte Person das Verfahren durch ihr Verhalten verschuldet oder in
unzulässiger Weise erschwert hat. Sie hält dazu fest, für die Verweigerung
einer Entschädigung bei Einstellung des Verfahrens oder bei Freispruch würden
die gleichen Grundsätze wie für eine Kostenauflage in solchen Fällen gelten. In
der Folge prüft sie, ob der Beschwerdeführer in zivilrechtlich vorwerfbarer
Weise gegen eine Verhaltensnorm der Rechtsordnung verstossen und dadurch das
Strafverfahren veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat (zu dieser
Rechtsprechung kann auf den angefochtenen Beschluss S. 3 f. verwiesen werden;
Art. 109 Abs. 3 BGG).
Sie bejaht das. Das Kantonsgericht habe im Strafurteil vom 13. Mai 2008 die
sexuellen Handlungen als weitgehend erstellt erachtet, nicht aber das
Tatbestandsmerkmal der Ausnützung der Notlage. Die mehrfachen sexuellen
Belästigungen im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB seien aber verjährt
(Strafurteil S. 17). Der Beschwerdeführer habe mit diesen sexuellen Übergriffen
in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen diverse Verhaltensnormen der
schweizerischen Rechtsordnung verstossen, nämlich gegen die Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers gemäss Art. 328 Abs. 1 OR sowie Art. 6 Abs. 1 ArG und Art. 4 i.V.m
Art. 3 GlG. Er habe sich damit widerrechtlich im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR
verhalten. Diese Darstellung bestreitet der Beschwerdeführer nicht.

2.3 Mit der Tatsache, dass im rechtskräftigen Strafurteil die Kosten dem Staat
auferlegt und im angefochtenen Beschluss eine Entschädigung verweigert wurde,
lässt sich keine willkürliche Anwendung von von § 33 Abs. 3 StPO/BL begründen.
Im Strafurteil wurde eine Entschädigung gemäss § 33 StPO/BL nicht geprüft
(Strafurteil S. 18). Eine willkürliche Anwendung von § 33 Abs. 3 StPO/BL kann
sich aber auch nicht daraus ergeben, dass trotz Freispruchs und der somit
erfolgreichen Appellation dennoch eine Entschädigung verweigert wurde. Denn
genau für diesen Fall, dass die angeschuldigte Person freigesprochen oder das
Verfahren eingestellt wird (§ 33 Abs. 1 StPO/BL), sieht § 33 Abs. 3 StPO/BL
vor, dass die Entschädigung unter den gesetzlichen Voraussetzungen verweigert
werden kann. Dass der Beschwerdeführer "das Verfahren durch [sein] Verhalten
verschuldet [...] hat" (§ 33 Abs. 3 StPO/BL) und damit die gesetzlichen
Voraussetzungen insoweit gegeben sind, wird in der Beschwerde zu Recht nicht
bestritten. Die Verletzung des Beschleunigungsgebots hatte keine gravierenden
Auswirkungen auf die Verteidigungsrechte (Strafurteil S. 15). Der
Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass er deshalb zusätzliche Aufwendungen
gehabt hätte. Die Beschwerde ist unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist
bereits wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen, so dass eine
Bedürftigkeit nicht mehr zu prüfen ist (Art. 64 StGB). Der Beschwerdeführer hat
die Kosten vor Bundesgericht zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. März 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Briw