Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.795/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_795/2008 /hum

Urteil vom 27. November 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Stohner.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Eduard M. Barcikowski,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Thomas Rohner,
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Nötigung (Art. 181 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 16. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 13. Dezember 2007 sprach der Einzelrichter in Strafsachen des
Bezirks Zürich X.________ von den Vorwürfen der versuchten Nötigung (Art. 181
i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) und der Drohung (Art. 180 StGB) frei.

B.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin befand das Obergericht des Kantons
Zürich X.________ mit Urteil vom 16. Juni 2008 der versuchten Nötigung (Art.
181 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer
Geldstrafe von 15 Tagessätzen à Fr. 90.--, unter Aufschub des Vollzugs bei
einer Probezeit von zwei Jahren.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. Juni 2008 sei aufzuheben, und er sei
freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Des Weiteren ersucht X.________ um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhaltes durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Verletzung von schweizerischem
Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105
Abs. 2 BGG). Die Wendung "offensichtlich unrichtig" entspricht dem
Willkürbegriff im Sinne von Art. 9 BV (Botschaft des Bundesrates vom 28.
Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4338). Die Rüge
der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts, mithin der
Verletzung des Willkürverbots, prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2
BGG nur insoweit, als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und
substantiiert begründet worden ist (BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 IV 286 E.
1.4).

2.
2.1 Die Vorinstanz geht von folgendem Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer erschien am 29. September 2005 gegen 14.00 Uhr
unangemeldet in den Geschäftsräumen der Firma B.________ in Zürich und
verlangte eine Besprechung mit dem Beschwerdegegner als Vizedirektor der Firma.
Zu Beginn der Besprechung legte der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner ein
als Aktionsplan bezeichnetes Dokument vor. Das Deckblatt des Schriftstücks
enthielt den Satz: "Ein Anleger rechnet ab und rächt sich, egal, was es kostet.
Sein erklärtes Ziel: B.________ muss büssen und zahlt mindestens das Zehnfache
oder mehr." Gemäss diesem Aktionsplan kündigte der Beschwerdeführer der Firma
B.________ unter anderem an, dass er die Presse einschalten, eine Aktion mit 10
bis 20 Personen vor dem Geschäftshaus der Firma durchführen und eine Webseite
erstellen werde, um die Vielzahl und Schwere der von der Firma B.________
begangenen Pflichtverletzungen anzuprangern, welche dazu geführt hätten, dass
ihm in Zusammenhang mit seiner im Jahr 2000 getätigten Anlage von rund 1,704
Mio. US$ ein grosser Verlust erwachsen sei.

Der Beschwerdeführer erklärte dem Beschwerdegegner weiter, dass es dieser in
der Hand habe, ihn zu entschädigen, und wies ihn darauf hin, dass er wisse,
dass es ihm gut gehe, er in einem schönen Haus wohne, eine schöne Familie habe,
ein schönes Leben führe und eine Tagesmutter bzw. eine Kinderfrau beschäftige.
Der Beschwerdegegner entgegnete, er akzeptiere es nicht, dass seine Familie
bedroht werde, worauf der Beschwerdeführer erwiderte, dies sei keine Drohung
(vgl. angefochtenes Urteil S. 9-31, insb. S. 30).

2.2 Die Vorinstanz hat erwogen, die Vorfälle vom 29. September 2005, d.h. das
Vorlegen des Aktionsplans durch den Beschwerdeführer und die von diesem dem
Beschwerdegegner gegenüber gemachten Äusserungen, seien als eine Einheit zu
betrachten. Zwischen dem Beschwerdeführer und der Firma B.________ sei zum
damaligen Zeitpunkt ein Zivilverfahren hängig gewesen, und der Beschwerdeführer
habe mit seinen angekündigten öffentlichen Aktionen, welche sich für die Firma
B.________ geschäftsschädigend hätten auswirken können, den Beschwerdegegner
als Vizedirektor der Firma dazu zu bewegen versucht, die von ihm erhobenen
zivilrechtlichen Forderungen zu erfüllen. Um seinem Ansinnen Nachdruck zu
verleihen, habe der Beschwerdeführer den Aktionsplan mit dem Hinweis auf die
von ihm in Erfahrung gebrachten familiären Verhältnisse des Beschwerdegegners
verknüpft. Dieser Hinweis sei geeignet gewesen, den Beschwerdegegner in Bezug
auf seine Familie in Angst und Schrecken zu versetzen und ihn dazu zu bringen,
dafür besorgt zu sein, dass die Firma B.________ dem Beschwerdeführer Zahlungen
leistet. Dass der Beschwerdeführer, wie von ihm behauptet, mit der Erwähnung
der Familie des Beschwerdegegners an dessen Menschlichkeit habe appellieren
wollen, sei nicht glaubhaft. Vielmehr habe er einzig die Einschüchterung des
Beschwerdegegners bezweckt. Das nachträgliche Dementi des Beschwerdeführers,
dies sei keine Drohung, vermöge hieran nichts zu ändern. Da die Androhung
ernstlicher Nachteile im Ergebnis jedoch erfolglos geblieben sei, habe sich der
Beschwerdeführer (lediglich) der versuchten Nötigung schuldig gemacht
(angefochtenes Urteil S. 31-37).

2.3 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche Beweiswürdigung
und eine Missachtung des Grundsatzes "in dubio pro reo" vor.

Er führt aus, die Vorinstanz habe zu Unrecht auf die Aussagen des
Beschwerdegegners abgestellt und seine eigenen Vorbringen fälschlicherweise als
unglaubhaft eingestuft. Des Weiteren habe er die im Aktionsplan aufgeführten
Massnahmen nicht alleine umsetzen können, so dass sich die angekündigten
Aktionen auch nicht geschäftsschädigend hätten auswirken können. Mit seinem
Vorgehen habe er nicht die Begleichung der eingeklagten Forderung erzwingen,
sondern einzig den Beschwerdegegner mittels moralischem Druck zu
Vergleichsgesprächen bewegen wollen. Hierzu habe er sich über die privaten
Verhältnisse des Beschwerdegegners informiert, was aber nicht strafbar sei.
Sein Hinweis auf die Familie des Beschwerdegegners könnte man allenfalls als
Drohung missverstehen. Er habe jedoch, wovon auch die Vorinstanz ausgegangen
sei, dem Beschwerdegegner gegenüber sofort klargestellt, dass seine Bezugnahme
auf die familiären Verhältnisse nicht als Drohung, sondern als Appell an die
Menschlichkeit zu verstehen gewesen sei. Indem die Vorinstanz seine Äusserung
dennoch als Androhung ernstlicher Nachteile interpretiert habe, habe sie die
Sachlage willkürlich gewürdigt, den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt und
ihn im Ergebnis zu Unrecht der versuchten Nötigung für schuldig befunden
(Beschwerde S. 5-23).

2.4 Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger bundesgerichtlicher
Rechtsprechung einzig vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer
schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht bzw.
im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 129 I 173 E. 3.1 mit Hinweisen). Dass das angefochtene Urteil mit der
Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung
oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt
praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (BGE 131 IV 100 nicht publ.
E. 4.1; 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen).

Als Beweiswürdigungsregel besagt der aus der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1
BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK) abgeleitete Grundsatz "in dubio pro reo", dass sich
das Strafgericht nicht von einem für die Beschuldigten ungünstigen Sachverhalt
überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob
sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Inwiefern dieser Grundsatz verletzt
ist, prüft das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür, d.h. es
greift nur ein, wenn das Sachgericht den Beschuldigten verurteilte, obgleich
bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche bzw.
schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an dessen Schuld fortbestanden.
Bloss abstrakte und theoretische Zweifel sind nicht massgebend, weil solche
immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann (BGE 127
I 38 E. 2 und 4 mit Hinweisen).

2.5 Was der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz anführt,
ist nicht geeignet, Willkür darzutun. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen
hat, ist der Sachverhalt weitestgehend erstellt. Umstritten geblieben ist
einzig, ob der Beschwerdeführer im Gespräch mit dem Beschwerdegegner erwähnt
hat, wieviele Kinder dieser hat. Dieser Aspekt ist jedoch nicht von Relevanz,
und die Vorinstanz ist ohnehin zugunsten des Beschwerdeführers davon
ausgegangen, dass er einzig auf die Familie des Beschwerdegegners und die
Tagesmutter bzw. Kinderfrau hingewiesen, die Anzahl Kinder jedoch nicht
explizit genannt hat.

Des Weiteren ist die Vorinstanz nicht in Willkür verfallen, indem sie
geschlossen hat, der Hinweis auf die Familie des Beschwerdegegners sei
angesichts des gleichzeitig vorgelegten Aktionsplans - selbst wenn dessen
Umsetzung zum Teil nicht vom alleinigen Willen des Beschwerdeführers abhängig
gewesen sei - geeignet gewesen, den Betroffenen in Angst und Schrecken zu
versetzen. Nicht unhaltbar ist auch die Folgerung im angefochtenen Urteil, das
Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe einzig das Mitgefühl des
Beschwerdegegners ansprechen wollen, erscheine als Schutzbehauptung. Wie die
Vorinstanz willkürfrei erwogen hat, hätte es bei einem blossen Appell an die
Menschlichkeit des Beschwerdegegners genügt, die eigene Situation darzustellen,
ohne dabei die familiären Verhältnisse des Beschwerdegegners ins Spiel zu
bringen. Dass der Beschwerdeführer seinen Hinweis auf die Familie des
Beschwerdegegners nachträglich dadurch abzuschwächen versuchte, dies sei keine
Drohung, ändert nichts daran, dass dem Beschwerdegegner klar geworden war, dass
der Beschwerdeführer über seine privaten Verhältnisse Recherchen angestellt
hatte und nunmehr wusste, wo er wohnte und dass er Kinder hatte. Vor diesem
Hintergrund durfte die Vorinstanz den Schluss ziehen, der Beschwerdeführer habe
mit seinem Vorgehen - d.h. dem Vorlegen des Aktionsplans in Kombination mit dem
Hinweis auf die Familie des Beschwerdegegners und dem Ausspruch, dieser habe es
selbst in der Hand, ihn zu entschädigen - dem Beschwerdegegner ernstliche
Nachteile angedroht, um die Begleichung seiner geltend gemachten Forderung zu
erreichen.

Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass die Vorinstanz weder die Beweise
willkürlich gewürdigt noch den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt hat. Die
Verurteilung wegen versuchter Nötigung verletzt im Ergebnis mithin kein
Bundesrecht.

3.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdeführer ersucht
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Da das Rechtsmittel von
vornherein aussichtslos war, kann dem Gesuch nicht entsprochen werden (Art. 64
Abs. 1 BGG).

Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung der
Gerichtsgebühr ist seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. November 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Stohner