Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.788/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_788/2008/bri

Urteil vom 26. Dezember 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Zünd,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Leonhardt,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Archivgasse 1, 6430 Schwyz,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Versuchte vorsätzliche Tötung; Strafzumessung; bedingter Strafvollzug,
Probezeit,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz,
Strafkammer, vom 17. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 23. November 2007 sprach das kantonale Strafgericht Schwyz
X.________ schuldig der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111
aStGB in Verbindung mit Art. 22 Abs.1 aStGB. Vom Vorwurf der Widerhandlung
gegen das Betäubungsmittelgesetz sprach es ihn hingegen frei. Es verurteilte
ihn zu einer unbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 30 Monaten, unter
Anrechnung von 48 Tagen Untersuchungshaft.

B.
Gegen dieses Urteil legte X.________ Berufung ein, welcher sich die
Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz anschloss. Das Kantonsgericht Schwyz
hiess die Berufung, soweit darauf einzutreten war, und die Anschlussberufung
teilweise gut. Im Übrigen wies es sie ab. Es erklärte X.________ schuldig
sowohl der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in
Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB als auch der Widerhandlung gegen das BetmG
im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG und bestrafte ihn mit 24 Monaten
Freiheitsstrafe, abzüglich 48 Tagen erstandene Untersuchungshaft, und einer
Busse von Fr. 50.--, als Zusatzstrafe zum Strafbefehl des Bezirksamts
Einsiedeln vom 17. Dezember 2007, lautend auf eine Geldstrafe von 120
Tagessätzen. Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es im Umfang von 16 Monaten
auf und setzte die Probezeit auf drei Jahre fest. Im Übrigen, d.h. im Umfang
von acht Monaten, abzüglich 48 Tagen erstandene Untersuchungshaft, liess es die
Freiheitsstrafe vollziehen.

C.
Dagegen wendet sich X.________ mit Beschwerde in Strafsachen an das
Bundesgericht. Er beantragt, er sei wegen versuchter schwerer Körperverletzung
im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB zu
verurteilen und mit einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, abzüglich erstandener
Untersuchungshaft, und einer Busse von Fr. 50.--, als Zusatzstrafe zum
Strafbefehl des Bezirksamts Einsiedeln vom 17. Dezember 2007, zu bestrafen.
Dabei sei ihm der bedingte Strafvollzug zu gewähren und die Probezeit auf drei
Jahre festzusetzen. Eventualiter sei das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz im
Strafpunkt dahingehend zu berichtigen, dass in Dispositiv-Ziffer 1.2 die
Freiheitsstrafe auf 23 (statt auf 24) Monate festgelegt werde. Im Weiteren
verlangt X.________ die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

D.
Das Kantonsgericht Schwyz und die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz
beantragen in ihren Vernehmlassungen vom 11. Dezember 2008 die Abweisung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Nach dem Dafürhalten des Beschwerdeführers ist der vorinstanzliche Schluss auf
eine eventualvorsätzliche Tötung verfehlt. Er habe dem Opfer weder tödliche
Verletzungen zufügen wollen noch solche in Kauf genommen. Ausgehend vom
festgestellten Sachverhalt könne ihm nur die Inkaufnahme einer allfällig
schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB vorgeworfen werden.

1.1 Die Vorinstanz geht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der
Beschwerdeführer, ohne zuvor provoziert oder bedroht worden zu sein, mit einem
Küchenmesser in der Hand (Klingenlänge von ca. 20 cm und Klingenbreite von max.
2,8 cm) auf das Opfer zugegangen sei und diesem gezielt zwei Stichverletzungen
in den Bauch und den Rücken versetzt habe, nachdem es das Messer mit einem
Fusstritt vergeblich abzuwehren versucht habe. Insbesondere die 8 - 10 cm tiefe
Stichverletzung im Rücken neben der Wirbelsäule rechts habe der
Beschwerdeführer mit einigem Kraftaufwand bzw. mit einer erheblichen
Schwungbewegung ausgeführt, zumal das Opfer mit Pullover und Jacke bekleidet
gewesen sei. Dass es letztlich bei leicht zu qualifizierenden Stichverletzungen
geblieben sei, sei nur dem Zufall zu verdanken: Der Stichkanal am rechten
Oberbauch habe einen organnahen Verlauf aufgewiesen bzw. die Leber touchiert.
Wäre die Stichverletzung nur geringfügig tiefer gegangen, hätte sich gemäss
ärztlicher Einschätzung rasch ein lebensgefährlicher Zustand entwickeln können
(angefochtener Entscheid, S. 26).

1.2 Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs bzw.
die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er
den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet,
mag er ihm auch unerwünscht sein. Für den Nachweis des Vorsatzes kann sich das
Gericht - soweit der Täter nicht geständig ist - regelmässig nur auf äusserlich
feststellbare Indizien und auf Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse
von den äusseren Umständen auf die innere Einstellung des Täters erlauben. Zu
den äusseren Umständen, aus denen der Schluss gezogen werden kann, der Täter
habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, zählen auch die Grösse des
dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der
Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser dieses Risiko ist und je schwerer die
Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der Täter
habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 131 IV 1 E. 2.2; 130
IV 58 E. 8.2).

1.3 Der vorinstanzliche Schuldspruch wegen versuchter eventualvorsätzlicher
Tötung verletzt kein Bundesrecht. Es ist offensichtlich, dass derjenige, der
einen anderen mit Kraftaufwand gezielt in den Bauch und den Rücken sticht,
weiss, dass das Opfer sterben könnte, und dass er den Tod für den Fall, dass er
eintritt, auch in Kauf nimmt. Der Schluss der Vorinstanz, der Beschwerdeführer
habe eventualvorsätzlich gehandelt, ist daher nicht zu beanstanden. Soweit
dieser mit seinen rechtlichen Ausführungen zum Eventualvorsatz vom
festgestellten Sachverhalt der Vorinstanz abweicht, ist darauf mangels
substanziierter Sachverhalts- bzw. Willkürrügen nicht einzutreten (Art. 106
Abs. 2 BGG). Ansonsten ist die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen.

2.
Der Beschwerdeführer wendet sich im Hinblick auf die Gewährung des bedingten
Strafvollzugs gegen die Strafzumessung. Er macht insbesondere geltend, dass
vorliegend auch die Festsetzung einer Gesamtstrafe von 24 Monaten, statt einer
solchen von 27 Monaten, vertretbar gewesen wäre. Mit dieser Frage habe sich die
Vorinstanz nicht auseinandergesetzt, obschon im angefochtenen Entscheid
ausführlich begründet werde, dass trotz der zu Ungunsten des Beschwerdeführers
sprechenden Fakten die Prognose insgesamt nicht als ungünstig zu werten sei.

2.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum neuen Recht sind die Folgen
einer unbedingten Freiheitsstrafe bei der Strafzumessung nach wie vor mit
einzubeziehen. Dass der Verurteilte durch die Verbüssung einer Freiheitsstrafe
aus einem günstigen Umfeld he-rausgerissen wird, kann sich deshalb wie bisher
strafmindernd auswirken und zur Folge haben, dass die auszufällende Strafe
unter der schuldangemessenen Strafe liegt. Angesichts der einschneidenden
Konsequenzen des Vollzugs hat der Richter bei der Strafzumessung folglich den
Umstand mit zu berücksichtigen, dass die subjektiven Voraussetzungen des
Strafaufschubs im Sinne einer günstigen beziehungsweise nicht ungünstigen
Prognose im konkreten Fall an sich erfüllt sind. Liegt die ins Auge gefasste
Sanktion in einem Bereich, der die Grenze für den bedingten Vollzug (24 Monate)
beziehungsweise für den teilbedingten Vollzug (36 Monate) mit umfasst, hat sich
der Richter daher die Frage zu stellen, ob eine Strafe, welche die Grenze nicht
überschreitet, noch vertretbar wäre. Bejaht er sie, hat er diese Strafe zu
verhängen. Andernfalls ist es ihm unbenommen, auch nur eine unwesentlich über
den Grenzwert liegende - angemessene und begründbare - Strafe auszufällen (BGE
134 IV 17 E. 3.4-3.5).

2.2 Ausgehend von einer Freiheitsstrafe von 5 ½ Jahren erkennt die Vorinstanz
nach einlässlicher Strafzumessung auf eine (hypothetische) Gesamtstrafe von 27
Monaten, welche die gesetzliche Obergrenze für den bedingten Strafvollzug
mithin um drei Monate übersteigt (Art. 42 Abs. 1 StGB). In ihre Erwägungen hat
die Vorinstanz die Gesichtspunkte der persönlichen Verhältnisse und der
Auswirkungen des Vollzugs einer Freiheitsstrafe auf das Leben des
Beschwerdeführers explizit mit einbezogen und zu seinen Gunsten berücksichtigt
(vgl. angefochtenen Entscheid, S. 32, 33, 37). Nach Würdigung aller
massgeblichen Umstände kommt sie zum Schluss, dass vorliegend eine
(hypothetische) Gesamtstrafe auszusprechen sei, die die Gewährung des bedingten
Strafvollzugs nicht mehr zulasse (vgl. angefochtenen Entscheid, S. 34). Damit
bringt sie zum Ausdruck und begründet entgegen der Beschwerde im Sinne von Art.
50 StGB hinreichend, dass bzw. weshalb sie eine Freiheitsstrafe im Grenzbereich
zum bedingten Strafvollzug ausschliesst bzw. eine weitere Reduktion der Strafe
nicht mehr für angemessen hält. Die Erwägungen der Vorinstanz sind
nachvollziehbar und ihre Schlüsse leuchten ein. Das ihr zustehende weite
Ermessen hat sie nicht überschritten. Eine Rechtsverletzung liegt nicht vor.
Die Beschwerde ist in diesem Punkt mithin ebenfalls unbegründet.

3.
3.1 Im angefochtenen Entscheid geht die Vorinstanz von einer hypothetischen
Gesamtfreiheitsstrafe von 27 Monaten aus. Die davon abzuziehende Grundstrafe
gemäss Strafbefehl des Bezirksamts Einsiedeln vom 17. Dezember 2007 lautet auf
eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen, was einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten
entspricht. Die Zusatzstrafe wird von der Vorinstanz mit 24 Monaten angegeben
(angefochtenes Urteil, S. 33 E. 6h).

3.2 Der Beschwerdeführer stellt sich vor diesem Hintergrund auf den Standpunkt,
dass der Vorinstanz bei der Umrechnung der Grundstrafe von 120 Tagessätzen
Geldstrafe (auf drei Monate Freiheitsstrafe) offensichtlich ein Versehen
unterlaufen sei, welches zu berichtigen sei. Die Zusatzstrafe betrage
richtigerweise 23 und nicht 24 Monate. Die Vorinstanz und die
Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz bringen in ihren Stellungnahmen zur
Beschwerde demgegenüber zum Ausdruck, dass nicht die Festsetzung der Höhe der
Zusatzstrafe irrtümlich erfolgte, sondern die zahlenmässige Umschreibung der
(hypothetischen) Gesamtfreiheitsstrafe. Da der Tötungsversuch mit 24 Monaten
Freiheitsstrafe sanktioniert worden sei und die rechtskräftige Grundstrafe 120
Tagessätze Geldstrafe betrage, sei vorliegend von einer Gesamt(freiheits)strafe
von 28 Monaten statt von 27 Monaten auszugehen.

3.3 Anhaltspunkte, die für die in den Stellungnahmen geäusserten Auffassungen
der Vorinstanz und der Staatsanwaltschaft sprechen, lassen sich dem
angefochtenen Entscheid nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
In Bezug auf die vorgenommene Festsetzung der hypothetischen
Gesamtfreiheitsstrafe auf 27 Monate ergibt sich denn auch nichts, was auf einen
entsprechenden Verschrieb im angefochtenen Entscheid hindeuten würde, zumal es
sich bei der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Festsetzung der
hypothetischen Gesamtstrafe um eine gedankliche Gesamtbewertung aller zu
beurteilenden Straftaten und damit um eine Frage der Methodik handelt, und
nicht wie bei der in einem zweiten Schritt zu erfolgenden Ermittlung der
Zusatzstrafe um eine rechnerische Operation (hypothetische Gesamtstrafe minus
Grundstrafe). Bei näherer Betrachtung der zur Beschwerde eingereichten
Stellungnahmen von Vorinstanz und Staatsanwaltschaft zeigt sich, dass der
behauptete Verschrieb bei der Gesamtstrafenfestsetzung rein rechnerisch anhand
einer methodisch ohnehin fehlerhaften Addition von Zusatzstrafe und Grundstrafe
begründet wird. Darauf ist nicht abzustellen. Unter diesen Umständen ist, wie
im angefochtenen Entscheid ausdrücklich festgehalten wurde, von einer
Gesamtstrafe von 27 Monaten auszugehen. Davon ist die rechtskräftige
Grundstrafe in Abzug zu bringen. Wie erwähnt entsprechen 120 Tagessätze
Geldstrafe vier und nicht drei Monaten Freiheitsstrafe. Die konkret
auszufällende Zusatzstrafe beträgt folglich 23 Monate. Die Beschwerde erweist
sich in diesem Punkt als begründet und der angefochtene Entscheid ist unter
Rückweisung an die Vorinstanz aufzuheben. Bei der Neubeurteilung wird sie den
zu vollziehenden und den aufzuschiebenden Teil der Freiheitsstrafe neu
festsetzen müssen.

4.
Die Beschwerde ist damit teilweise gutzuheissen, im Übrigen ist sie abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer wird im Rahmen seines
Unterliegens kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er ersucht um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung. Soweit er obsiegt, wird das Gesuch
gegenstandslos, im Übrigen war die Beschwerde aussichtslos und ist das Gesuch
deshalb abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung der Gerichtskosten
ist seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Soweit der
Beschwerdeführer obsiegt, hat er Anspruch auf Parteientschädigung. Der Kanton
Schwyz hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche
Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts
Schwyz vom 17. Juni 2008 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen; im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit
darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht
gegenstandslos geworden ist.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Der Kanton Schwyz hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt
Matthias Leonhardt, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu
entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz,
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Dezember 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Arquint Hill