Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.764/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_764/2008 /hum

Urteil vom 9. März 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari,
Gerichtsschreiber Stohner.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
2. Kammer, vom 12. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 12. März 2008 sprach das Bezirksgericht Lenzburg X.________ des
Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung gemäss Art. 292 StGB schuldig und
verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 1'400.--.

Die vom Verurteilten gegen dieses Urteil erhobene Berufung wies das Obergericht
des Kantons Aargau mit Urteil vom 12. August 2008 ab.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen sinngemäss mit den Anträgen, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 12. August 2008 sei aufzuheben,
und er sei freizusprechen.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Verurteilung des Beschwerdeführers liegt der folgende Sachverhalt zugrunde
(angefochtenes Urteil S. 2 f. mit Hinweis auf den Strafbefehl des Bezirksamts
Lenzburg vom 19. Juni 2007):

1.1 Am 15. Januar 2002 erteilte das Aargauische Versicherungsamt (nachfolgend
AVA) betreffend die Umnutzung (Ladenräume in eine Apotheke) einer Liegenschaft
in der Ortschaft A.________ eine kantonale Brandschutzbewilligung.

Anlässlich von zwei Kontrollen kam das AVA zum Schluss, die Eigentümerin der
Liegenschaft habe die in der Brandschutzbewilligung statuierte Auflage, dass
Notausgangstüren jederzeit ohne Schlüssel geöffnet werden können müssen, nicht
erfüllt, denn die Notausgangstüre im Untergeschoss sei mit einem
Schliesszylinder ausgerüstet und könne verriegelt werden. Das AVA forderte die
Eigentümerin mit Einschreiben vom 28. März 2003 auf, diesen Notausgang bis zum
31. Juli 2003 so anzupassen, dass er jederzeit ohne Schlüssel begehbar sei (zum
Beispiel durch den Einbau eines Drehzylinders). Die vom AVA am 14. August 2003
durchgeführte Brandschutzkontrolle ergab, dass die geforderte Anpassung des
Notausgangs nicht realisiert worden war.
Mit Einschreiben vom 22. Oktober 2003 erteilte das AVA der Eigentümerin eine
letzte Frist bis zum 31. Dezember 2003 zur Umsetzung der Massnahme und wies sie
zugleich darauf hin, nach Ablauf dieser Frist werde Strafanzeige gemäss Art.
292 StGB erstattet. Im Schreiben wurde der Inhalt der Bestimmung von Art. 292
StGB explizit wiedergegeben.

Mit Eingabe vom 24. August 2004 erstattete das AVA in der Folge beim Bezirksamt
Lenzburg gegen die Liegenschaftseigentümerin Strafanzeige wegen Ungehorsams
gegen eine amtliche Verfügung, da die Eigentümerin trotz Mahnung und
Strafandrohung vom 22. Oktober 2003 den brandschutztechnischen Mangel nicht
behoben habe.

Das Bezirksamt Lenzburg erliess am 28. Mai 2005 gegen den Beschwerdeführer als
Verantwortlichen der Liegenschaftseigentümerin (Präsident mit
Einzelunterschrift der betroffenen Aktiengesellschaft) einen Strafbefehl. Auf
Einsprache des Beschwerdeführers hin verurteilte das Bezirksgericht Lenzburg
diesen am 25. Oktober 2005 zu einer Busse von Fr. 1'000.--. Dieses Urteil ist
am 26. Januar 2006 in Rechtskraft erwachsen.

1.2 Mit Einschreiben vom 19. Januar 2007 teilte das AVA der
Liegenschaftseigentümerin mit, dass die am 13. Dezember 2006 durchgeführte
Brandschutzkontrolle ergeben habe, dass die mit Schreiben vom 22. Oktober 2003
verlangte Umsetzung der Brandschutzmassnahme gemäss der Brandschutzbewilligung
vom 15. Januar 2002 noch immer nicht erfolgt sei. Deshalb werde Strafanzeige
erstattet. Gleichzeitig setzte das AVA der Eigentümerin Frist bis zum 31. März
2007 zur Erledigung der Angelegenheit, ansonsten eine weitere Strafanzeige
gemäss Art. 292 StGB eingereicht werde. Gleichentags, d.h. ebenfalls am 19.
Januar 2007, erstattete das AVA beim Bezirksamt Lenzburg gegen die
Liegenschaftseigentümerin Strafanzeige wegen Ungehorsams gegen eine amtliche
Verfügung.

Die Nachkontrolle des AVA am 8. Mai 2007 zeigte, dass das Schloss und der
Zylinder der bemängelten Notausgangstüre nunmehr ausgebaut worden waren. Der
Beschwerdeführer gab insoweit an, er habe das Schloss am 13. März 2007
ausgewechselt.

Der Beschwerdeführer wurde, nachdem er gegen den am 19. Juni 2007 ergangenen
Strafbefehl des Bezirksamts Lenzburg Einsprache erhoben hatte, durch das
Bezirksgericht Lenzburg am 12. März 2008 des Ungehorsams gegen eine amtliche
Verfügung gemäss Art. 292 StGB für schuldig befunden. Die vom Beschwerdeführer
hiergegen erhobene Berufung wies die Vorinstanz mit Urteil vom 12. August 2008
ab.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, das Schreiben vom 22. Oktober 2003 hätte
als Verfügung bezeichnet sein und eine Begründung sowie eine
Rechtsmittelbelehrung enthalten müssen. Da diese Voraussetzungen nicht erfüllt
seien und es das AVA zudem unterlassen habe, ihm vor Erlass der Verfügung das
rechtliche Gehör zu gewähren, sei die Verfügung nichtig. Werde diese Verfügung
(wider Erwarten) nicht als nichtig eingestuft, so sei sie jedenfalls
unrechtmässig, denn die in der Brandschutzbewilligung vom 15. Januar 2002
statuierte Auflage sei von Anfang an erfüllt gewesen, habe sich die Türe des
Notausgangs doch wegen der zu kleinen Aussparung im Schliessblech gar nie
abschliessen lassen. Damit falle so oder anders die Grundlage einer Bestrafung
weg, weshalb er freizusprechen sei.

2.2 Die Vorinstanz hat demgegenüber zusammenfassend erwogen, sofern das
Schreiben vom 22. Oktober 2003 als Verfügung qualifiziert werde, sei diese
weder nichtig noch unrechtmässig. Vielmehr sei erstellt, dass der
Beschwerdeführer das Schloss erst anfangs 2007 ausgewechselt und damit bis zu
diesem Zeitpunkt die Auflagen der Brandschutzbewilligung nicht erfüllt habe.

2.3 Gemäss Art. 292 StGB mit dem Randtitel "Ungehorsam gegen amtliche
Verfügungen" wird mit Busse bestraft, wer der von einer zuständigen Behörde
oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses
Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet.

Eine mehrfache Bestrafung wegen Art. 292 StGB wegen wiederholten Ungehorsams
ist zulässig, sofern die fortwährende Missachtung der Verfügung die
Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustands bedeutet, es sich mithin um
eine Art Dauerdelikt handelt (GÜNTER STRATENWERTH/FELIX BOMMER, Schweizerisches
Strafrecht, Besonderer Teil II, 6. Aufl. 2008, § 51 N. 9; STEFAN TRECHSEL/HANS
VEST, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, Art. 292 N. 17;
Andreas Donatsch/Wolfgang Wohlers, Strafrecht IV, Delikte gegen die
Allgemeinheit, 3. Aufl. 2004, S. 342; Peter Stadler, Ungehorsam gegen amtliche
Verfügungen [Art. 292 StGB], Diss. Zürich 1990, S. 145; vgl. auch Thomas Merkli
/Arthur Aeschlimann/Ruth Herzog, Kommentar zum Gesetz über die
Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, 1997, Art. 116 N. 4). In solchen Fällen
muss eine erneute Bestrafung auch gestützt auf dieselbe Verfügung zulässig sein
(CHRISTOF RIEDO/BARBARA BONER, Basler Kommentar, StGB II, 2. Aufl. 2007, Art.
292 N. 100), denn mit der Verurteilung wegen Ungehorsams fällt die Verfügung
nicht einfach dahin, mithin auch nicht die darin enthaltene Strafandrohung.
Vielmehr gilt die von einer Verwaltungsbehörde auferlegte Pflicht zu einem Tun
bis zu ihrer Erfüllung weiterhin. Ohne dass die Androhung wiederholt werden
müsste, kann daher auf erneute Anzeige hin das Strafgericht aufgrund der
gleichen Verfügung erneut eine Ungehorsamsstrafe ausfällen (Walter Eigenmann,
Die Androhung von Ungehorsamsstrafen durch den Richter [Art. 292 StGB], Diss.
Zürich 1964, S. 31; Ernst Hafter, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil
II, 1943, S. 727).

2.4 Da mit der Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Bezirksgericht
Lenzburg vom 25. Oktober 2005 einzig die Nichterfüllung der
brandschutzrechtlichen Auflagen bis zu diesem Zeitpunkt abgegolten worden ist,
ist die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands nach dem Urteil als
selbständige Tat zu werten. Die Tateinheit wird durch die Verurteilung
aufgehoben, und für neue Delikte gilt der Grundsatz "ne bis in idem" nicht
(vgl. hierzu BGE 135 IV 6 E. 3.2).

Eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Nichterfüllens der
Brandschutzauflagen nach dem 25. Oktober 2005 gestützt auf dieselbe Verfügung
ist damit grundsätzlich zulässig, was vom Beschwerdeführer im Übrigen auch
nicht in Abrede gestellt wird. Dieser bestreitet vielmehr, wie dargelegt (E.
2.1 hiervor), den Verfügungscharakter des Schreibens vom 22. Oktober 2003 und
die Rechtmässigkeit der Brandschutzauflagen, da diese von Anbeginn an erfüllt
gewesen seien.

Der Argumentation des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden. Seine beiden
Vorbringen beziehen sich nicht auf die vorliegend zu beurteilende deliktische
Zeitspanne, sondern betreffen die Gültigkeit der Verfügung vom 22. Oktober 2003
bzw. die Rechtmässigkeit der in der Brandschutzbewilligung vom 15. Januar 2002
verlangten Auflagen und damit Aspekte, über welche das Bezirksgericht Lenzburg
bereits mit Urteil vom 25. Oktober 2005 zu seinen Ungunsten entschieden hat.
Dieses Urteil ist mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen. Der
Beschwerdeführer hätte seine vorliegend erhobenen Rügen mittels kantonaler
Berufung gegen das bezirksgerichtliche Urteil vom 25. Oktober 2005 vorbringen
müssen. Diese können nicht erneut zum Gegenstand gerichtlicher Beurteilung
gemacht werden, sind mithin verspätet, weshalb auf sie nicht näher einzugehen
ist.

3.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die
bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. März 2009

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Stohner