Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.756/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_756/2008/sst

Urteil vom 20. Januar 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Stohner.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Rudolf,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Qualifizierter Raub (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m.
Ziff. 2 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer,
vom 5. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ und vier andere Mittäter überfielen am Sonntag, 13. Februar 2005, um
23.30 Uhr, die Asylbewerber-Unterkunft der Caritas in Ebikon und beraubten
alsdann eine dort anwesende Frau und sieben Männer.

B.
Am 5. Mai 2008 sprach das Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer,
X.________ zweitinstanzlich des qualifizierten Raubes nach Art. 140 Ziff. 1
Abs. 1 i.V.m. Ziff. 4 StGB schuldig. Es bestrafte ihn bei Annahme einer in
leichtem bis mittlerem Grade verminderten Schuldfähigkeit mit vier Jahren und
sechs Monaten Freiheitsstrafe, unter Anrechnung von 14 Tagen Untersuchungshaft,
dies als Gesamtstrafe unter Einschluss der Strafverfügung des
Amtstatthalteramtes Luzern vom 26. März 2007.

C.
Dagegen richtet sich die Beschwerde in Strafsachen von X.________. Er
beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und die Sache sei zu seiner
Verurteilung wegen qualifizierten Raubes nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m.
Ziff. 2 StGB, eventuell wegen qualifizierten Raubes nach Art. 140 Ziff. 1 Abs.
1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 2 StGB sowie zur Neuverteilung der Kosten des
obergerichtlichen Verfahrens an das Obergericht des Kantons Luzern
zurückzuweisen. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens seien dem Kanton
Luzern aufzuerlegen. Des Weiteren sei er für die anwaltliche Vertretung
angemessen zu entschädigen. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde
aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
Erwägungen:

1.
1.1 Zum Schuldspruch wegen qualifizierten Raubes führt die Vorinstanz aus, der
Beschwerdeführer habe auch die Voraussetzungen des In-Lebensgefahr-Bringens im
Sinne von Art. 140 Ziff. 4 StGB als Mittäter von Y.________ erfüllt, weil er
ihm mit allen Mitteln geholfen habe, die für die Opfer lebensgefährliche
Situation aufrecht zu erhalten; auch habe er sich Y.________ entsprechenden
Willen angeschlossen und somit sämtliche Voraussetzungen des in Mittäterschaft
begangenen Raubes nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 4 StGB erfüllt. Ob
der Beschwerdeführer in den anderen Phasen zusätzlich noch einen anderen
qualifizierten Raubtatbestand erfüllt habe, brauche wegen einer allfälligen
Konsumation nicht weiter geprüft zu werden (angefochtenes Urteil S. 21 - 23).

1.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe den qualifizierten Tatbestand
von Art. 140 Ziff. 3 Abs. 2 StGB nicht erfüllt, weil er keine besondere
Gefährlichkeit offenbart habe (Beschwerdeschrift S. 6 oben). Vor allem aber
rügt er, die Vorinstanz habe zu Unrecht die Qualifizierung gemäss Art. 140
Ziff. 4 StGB angenommen (Beschwerdeschrift S. 9 - 15).
Er behauptet nicht, die Vorinstanz sei von einem bundesrechtswidrigen Begriff
des In-Lebensgefahr-Bringens gemäss Art. 140 Ziff. 4 StGB ausgegangen. Er
bringt vielmehr vor, sie habe in Verletzung von Bundesrecht Art. 140 Ziff. 4
StGB als erfüllt erachtet. Erstens werde das Verhalten des Mittäters Y.________
selbst nicht von Art. 140 Ziff. 4 StGB erfasst, und zweitens sei das Verhalten
von Y.________ ihm ohnehin nicht anzurechnen, so dass von einer Bestrafung
wegen qualifizierten Raubes nach Art. 140 Ziff. 4 StGB abzusehen sei. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann
nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 BGG).

1.3 Der Beschwerdeführer erhebt ausdrücklich keine Rüge im Sinne von Art. 97
BGG (Beschwerdeschrift S. 4). Allerdings legt er teilweise seiner Beschwerde
nicht den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Dies ist
im Lichte von Art. 97 und Art. 105 BGG nicht statthaft, so dass in diesen
Punkten auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Beispielsweise ergibt sich
aus dem angefochtenen Urteil nicht, dass Y.________ die Schusswaffe lediglich
verwendet habe, um die Opfer einzuschüchtern (Beschwerdeschrift S. 11, 13 und
15). Ebenso richtet sich der Beschwerdeführer unzulässigerweise gegen die
tatsächliche Feststellung der Vorinstanz, wenn er bestreitet, er habe sich dem
Willen von Y.________ angeschlossen (Beschwerdeschrift S. 13). Gegen eine
tatsächliche Feststellung der Vorinstanz richtet sich der Beschwerdeführer
zudem, wenn er anführt, die über eine Einschüchterung hinausgehende Verwendung
der Waffe durch Y.________ sei vom Tathergang nicht gedeckt gewesen
(Beschwerdeschrift S. 13), überdies, wenn er behauptet, er habe nicht wissen
können, dass sich vor der zweiten Rangelei ein unkontrollierter Schuss aus der
Pistole gelöst gehabt habe (Beschwerdeschrift S. 13 unten). Ferner richtet sich
der Beschwerdeführer insoweit gegen tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz,
wenn er betont, er habe nicht erkennen können, ob auch jemand anderes eine
Pistole in den Händen gehalten habe, als er Y.________ zu Hilfe eilen musste,
und wenn er hervorhebt, er habe davon ausgehen können, dass die Pistole wie
vereinbart nicht als Schusswaffe eingesetzt werde, weshalb ihm eine für das
Opfer geschaffene lebensgefährliche Situation gar nicht habe bewusst sein
können (Beschwerdeschrift S. 14).

1.4 Gemäss Art. 140 Ziff. 4 StGB ist die Freiheitsstrafe nicht unter fünf
Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere
Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. Es wird im Folgenden zu
prüfen sein, ob der Beschwerdeführer den Tatbestand des Art. 140 Ziff. 4 StGB
erfüllt hat. Ist dies der Fall, so wird - wie die Vorinstanz zutreffend
ausführt (angefochtenes Urteil S. 21 - 23) - nicht auch noch die
Tatbestandsvariante des Art. 140 Ziff. 3 StGB, die vom Beschwerdeführer
ebenfalls erwähnt wird, zu prüfen sein.
Beim In-Lebensgefahr-Bringen gemäss Art. 140 Ziff. 4 StGB ist eine
naheliegende, konkrete, eine unmittelbare, akute, eine hochgradige Lebensgefahr
erforderlich. Ob diese Gefahr erfüllt ist, bestimmt sich nach objektiven
Kriterien, und es ist unerheblich, inwieweit der Täter seine Drohungen auch
verwirklichen würde. In subjektiver Hinsicht muss er aber erkennen, dass er das
Opfer mit seinem Vorgehen in Lebensgefahr bringt. Sein Vorsatz muss sich also
auf die Verwirklichung der Todesgefahr richten. Dabei genügt Eventualvorsatz
(BGE 117 IV 419 E. 4).
Zu Recht führt die Vorinstanz aus, dass wenn gemäss BGE 117 IV 419 E. 4c schon
ein In-Lebensgefahr-Bringen nach Art. 140 Ziff. 4 StGB gegeben sei, wenn bei
einer geladenen und gesicherten oder nicht durchgeladenen oder ungespannten
Schusswaffe weitere besondere Umstände (wie zum Beispiel ein Handgemenge)
hinzukämen, müsse dies um so mehr gelten, wenn sich wie hier bei einer Rangelei
zwischen dem Träger einer geladenen und entsicherten Pistole und einem Opfer
schon mindestens ein unkontrollierter Schuss aus dieser Pistole gelöst habe und
der Waffenträger diese immer noch geladene und entsicherte Pistole als
Hilfsmittel verwende, um damit mehrmals massiv auf den Kopf des Opfers zu
schlagen. Wie leicht hätte, so die Vorinstanz weiter, sich bei einer derart
unkontrollierten und unkontrollierbaren Situation, die Y.________ geschaffen
habe, wieder ein Schuss aus der Pistole lösen und eine im Zimmer anwesende
Person treffen können (angefochtenes Urteil S. 21).

1.5 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers trifft es im weiteren nicht
zu, dass nicht erstellt ist, dass bei mindestens einem Opfer die konkrete
Gefahr einer tödlichen Verletzung sehr nahegelegen habe. Gemäss den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat Y.________ in der Küche und im
Zimmer 2 eine für die anwesenden Opfer lebensgefährliche Situation insofern
geschaffen, als er die durchgeladene und entsicherte Pistole in einer Distanz
von wenigen Metern auf sie gerichtet hat und er bei einer Rangelei die Pistole
verlor, aus der sich mindesten ein unkontrollierter Schuss löste (angefochtenes
Urteil S. 20 oben). Unerheblich ist, ob die Schusswaffe auf den Kopf oder auf
den Rumpf mindestens eines Opfers gerichtet war und ob Y.________ den Finger am
Abzugbügel hielt. Im Weiteren hat die Vorinstanz zu Recht festgehalten, dass
Y.________ den Knauf der geladenen und entsicherten Pistole mehrmals auf den
Kopf des Opfers geschlagen hat, womit er für dessen Leben eine konkrete Gefahr
geschaffen habe, die - wenn nicht noch höher - so zumindest gleich hoch
einzustufen sei wie diejenige beim ersten Schuss (angefochtenes Urteil S. 20).
Es ist reine Spekulation, wenn der Beschwerdeführer dem entgegenhalten will,
dass wenn sich ein unkontrollierter, vom Zufall abhängiger Schuss gelöst hätte,
dieser ein Opfer gar nicht hätte tödlich treffen können, weil in diesem Moment
die Pistole gar nicht mehr gegen die Opfer habe gerichtet sein können. Er kann
auch den Vorsatz auf Verwirklichung einer Todesgefahr mit dem Einwand,
Y.________ habe den Angreifer zuerst mit der Hand und anschliessend mit dem
Pistolenknauf auf den Kopf geschlagen, nicht verneinen.

1.6 Zur weiteren Rüge der fehlenden Mittäterschaft ist festzuhalten, dass es
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht darauf ankommen kann, dass
er sich nicht in Zimmer 2 befand, als Y.________, wie oben beschrieben, das
Opfer in Lebensgefahr brachte. Entscheidend ist vielmehr, dass der
Beschwerdeführer zu Hilfe eilte, als in Zimmer 2 ein oder zwei Schüsse fielen
und Y.________ dort von einem Opfer in eine Rangelei verwickelt worden war.
Gemäss eigenen Aussagen sah der Beschwerdeführer, dass Y.________ von einem
Opfer bedrängt wurde und mit der Pistole mehrmals auf den Kopf dieses Opfers
einschlug. Für den Beschwerdeführer musste klar sein, dass der Schuss oder die
kurz zuvor gefallenen Schüsse nicht von einem der Opfer, sondern von Y.________
abgegeben worden waren. Es musste ihm die von Y.________ für die Opfer
geschaffene lebensgefährliche Situation ebenso bewusst sein wie diesem. Weil er
mit allen Mitteln half, diese Situation aufrecht zu erhalten, schloss sich der
Beschwerdeführer Y.________ entsprechendem Willen an.
Zurecht folgerte die Vorinstanz daraus, dass sämtliche Voraussetzungen des in
Mittäterschaft begangenen Raubes nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 4
StGB erfüllt sind (angefochtenes Urteil S. 22 f.). Unerheblich ist, dass der
Beschwerdeführer genau bei den Handlungen nicht anwesend war, mit welchen die
Vorinstanz im angefochtenen Urteil die qualifizierte Bestrafung nach Art. 140
Ziff. 4 StGB von Y.________ begründete. Die tatbestandsmässige Ausführung von
Handlungen ist keine notwendige Voraussetzung für die Annahme von
Mittäterschaft (BGE 126 IV 84 E. 2c/aa). Damit von Mittäterschaft auszugehen
ist, reicht es, wenn der Beschwerdeführer in für die Tat massgebender Weise mit
dem Täter zusammenwirkte, was der Beschwerdeführer mit seiner Hilfeleistung in
klarer Weise getan hat. Gemäss den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
kann ihm angelastet werden, er habe in Kauf genommen, dass sich ohne Zutun der
Täter wieder ein unkontrollierter Schuss aus der Pistole lösen werde.
Schliesslich hat die Vorinstanz nicht, wie der Beschwerdeführer meint, bloss
aus dem Wissen um das Mitführen einer Waffe einen Eventualvorsatz konstruiert.
Aus der von ihr geschilderten Tatsituation kann vielmehr ohne Verletzung von
Bundesrecht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in Kauf
genommen hat, der Mittäter Y.________ würde eine nahe Lebensgefahr schaffen.

2.
Zusammengefasst erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie ist
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dementsprechend hat der
Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende
Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Januar 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Stohner