Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.728/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_728/2008/sst

Urteil vom 16. Januar 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Briw.

Parteien
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amtsleitung, Feldstrasse 42, 8090
Zurich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Abweichende Vollzugsformen (Art. 80 StGB),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
4. Abteilung, Einzelrichter, vom 17. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ wurde vom Bezirksgericht Zürich am 27. Oktober 2000 der mehrfachen
qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig
gesprochen und mit drei Jahren Gefängnis bestraft (unter Anrechnung von 149
Hafttagen). Sie wurde am 15. März 2002 mit einer Probezeit von drei Jahren
bedingt aus dem Strafvollzug entlassen. Während laufender Probezeit begann sie,
anfangs 2004 wieder mit Kokain zu handeln und fuhr damit trotz Verwarnung und
Untersuchungshaft weiter bis zu ihrer Verhaftung Mitte Februar 2005. Das
Obergericht des Kantons Zürich verurteilte sie deshalb am 17. Januar 2007 zu
einer Gesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (unter
Anrechnung von 485 Tagen aus Haft und vorzeitigem Strafvollzug).

B.
X.________ wurde am 29. Oktober 2007 aufgefordert, ihre Freiheitsstrafe am 14.
Januar 2008 anzutreten.
Sie rekurrierte bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich
(Justizdirektion) und beantragte, sie bedingt aus dem Strafvollzug zu
entlassen, eventualiter die Freiheitsstrafe in der Form der Halbgefangenschaft
zu vollziehen. Die Justizdirektion wies den Rekurs am 18. März 2008 ab, soweit
sie darauf eintrat.
X.________ führte mit gleichlautenden Anträgen Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde am 17. Juli
2008 ab.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, den Entscheid des
Verwaltungsgerichts aufzuheben, die Reststrafe in Form der Halbgefangenschaft
vollziehen zu lassen und ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, sie habe den Grundsatz nil
nocere und damit Art. 75 StGB sowie Art. 80 StGB verletzt.

1.2 Die Vorinstanz nimmt an, die bloss vorübergehende Trennung der Mutter von
den Kindern wegen des Vollzugs der Freiheitsstrafe rechtfertige keine Ausnahme
im Sinne von Art. 80 Abs. 1 StGB.

1.3 Gemäss Art. 80 StGB kann von den für den Vollzug geltenden Regeln zu
Gunsten des Gefangenen abgewichen werden:
a. wenn der Gesundheitszustand des Gefangenen dies erfordert;
b. bei Schwangerschaft, Geburt und für die Zeit unmittelbar nach der Geburt;
c. zur gemeinsamen Unterbringung von Mutter und Kleinkind, sofern dies auch im
Interesse des Kindes liegt.
Diese Bestimmung bindet Abweichungen von den gesetzlichen Vollzugsregeln an
präzise und einschränkende Voraussetzungen. Abweichungen haben
Ausnahmecharakter (ANDREA BAECHTOLD, Strafrecht I, Basler Kommentar, 2.
Auflage, Art. 80 N 4). Die Vorinstanz verneint zutreffend solche
Ausnahmegründe. Der hier in Betracht kommenden Betreuung von Jugendlichen und
Kindern der Jahrgänge 1990, 1999 und 2003 (angefochtenes Urteil S. 7) kommt der
gesetzliche Ausnahmecharakter nicht zu. Dabei ist entgegen der
Beschwerdeführerin der vorinstanzliche Hinweis nicht zu beanstanden, dass die
Kinder bereits einmal in einer Pflegefamilie untergebracht waren, um den
Strafvollzug zu ermöglichen.

1.4 Das Prinzip des nil nocere ändert an dieser Rechtslage nichts. Nach den
Vollzugsgrundsätzen von Art. 75 Abs. 1 StGB hat der Strafvollzug "schädlichen
Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken". Beschränkungen der persönlichen
Freiheit im Strafvollzug sind so auszugestalten, dass Haftschädigungen
möglichst vermieden werden (BENJAMIN F. Brägger, Strafrecht I, a.a.O., Art. 75
N 8). Dieses Prinzip erlaubt nicht, entgegen der gesetzlichen Normierung vom
Strafvollzug abzusehen oder ihn in Form der Halbgefangenschaft zu vollziehen
(Art. 80 Abs. 1 bzw. Art. 77b und 79 StGB).

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist
wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 BGG). Der finanziellen Lage der
Beschwerdeführerin wird mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung getragen
(Art. 65 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
4. Abteilung, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Januar 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Briw