Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.714/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_714/2008 /hum

Urteil vom 6. November 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Favre,
Gerichtsschreiber Stohner.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Bühlmann,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Antigone Schobinger,
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfacher Raub, Vergewaltigung, Hausfriedensbruch etc.,

Beschwerde gegen den Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons
Zürich vom 23. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 31. Mai 2007 sprach die I. Strafkammer des Obergerichts des
Kantons Zürich als erste Instanz X.________ des mehrfachen Raubes (Art. 140
Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 4 StGB), des mehrfachen Missbrauchs einer
Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 Abs. 1 StGB teilweise i.V.m. Art. 22 Abs. 1
StGB), der Vergewaltigung (Art. 190 Ziff. 1 StGB), des Hausfriedensbruchs (Art.
186 StGB) sowie des Vergehens gegen das Waffengesetz schuldig. Auf die Anklage
betreffend geringfügigen Diebstahls trat es nicht ein. Das Gericht erklärte
weiter die mit Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirkes Zürich vom
6. März 2003 ausgefällte Freiheitsstrafe von 21 Tagen Gefängnis als vollziehbar
und bestrafte X.________ unter Einbezug dieser Strafe mit einer Freiheitsstrafe
von neun Jahren und 21 Tagen als Gesamtstrafe.

Gegen dieses Urteil erhob X.________ Nichtigkeitsbeschwerde an das
Kassationsgericht des Kantons Zürich, mit welcher er die Schuldsprüche wegen
Vergewaltigung und Hausfriedensbruch anfocht. Das Kassationsgericht wies die
Beschwerde mit Zirkulationsbeschluss vom 23. Juli 2008 ab.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, der
Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Juli
2008 sei aufzuheben, und die Sache sei zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Des Weiteren ersucht X.________ um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
1.1 Auf die Beschwerde ist einzutreten, da sie unter Einhaltung der
gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von der in
ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff.
1 BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten kantonalen
Instanz (Art. 80 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 und 95 BGG) in
Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG) richtet.

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhaltes durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Verletzung von schweizerischem
Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105
Abs. 2 BGG). Die Wendung "offensichtlich unrichtig" entspricht dem
Willkürbegriff im Sinne von Art. 9 BV (Botschaft des Bundesrates vom 28.
Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4338). Die Rüge
der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts, mithin der
Verletzung des Willkürverbots, prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2
BGG nur insoweit, als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und
substantiiert begründet worden ist (BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 IV 286 E.
1.4).

2.
Der Beschwerdeführer ficht seine Verurteilungen wegen Vergewaltigung und
Hausfriedensbruch an. Er rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und als Folge
daraus eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Im Ergebnis
verletze das angefochtene Urteil den aus der Unschuldsvermutung abgeleiteten
Grundsatz "in dubio pro reo", denn er sei schuldig gesprochen worden, obwohl
bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses erhebliche bzw. schlechterdings
nicht zu unterdrückende Zweifel an seiner Schuld bestünden.

2.1 Den Verurteilungen liegt folgender, von der Vorinstanz als erwiesen
erachteter Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer stieg am 17. August 2003 zwischen 04.15 und 05.10 Uhr über
den Balkon in die im Hochparterre liegende Wohnung von A.________ ein und begab
sich ins Schlafzimmer. Dort drückte er der schlafenden A.________ die Decke auf
das Gesicht. Als diese darob erwachte und sich mit den Händen zur Wehr setzte,
hielt sie der Beschwerdeführer fest. Anschliessend zog er ein Messer und hielt
dessen Klinge an den Hals von A.________. Diese unterliess in der Folge
jegliche Gegenwehr. Während er A.________ mit seiner linken Hand fixierte,
entfernte er die Decke und zog A.________ die Unterhose und sich seine Hose
hinunter. Alsdann drang er mit seinem Penis in ihre Scheide ein und vollzog
gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss. Nach einem
kurzen Gespräch, während welchem er A.________ nach wie vor mit dem Messer in
der Hand an ihrer Hand festhielt, vollzog er ein zweites Mal gewaltsam den
Geschlechtsverkehr.
2.2
2.2.1 Die Vorinstanz hat unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil
erwogen, die wenige Stunden nach dem Vorfall ausgerückten Funktionäre des
Wissenschaftlichen Diensts und des Erkennungsdiensts hätten trotz intensiver
Suche am Tatort keinerlei Spuren gefunden. Dieser Umstand spreche weder für
noch gegen die Täterschaft des Beschwerdeführers, sondern könne höchstens die
Frage aufwerfen, ob die Darstellung von A.________ als solches zutreffe.
2.2.2 Die Vorinstanz hat weiter ausgeführt, die Aussagen von A.________, wonach
sie in der fraglichen Nacht von einem ihr unbekannten Mann vergewaltigt worden
sei, seien im Kernbereich konstant und damit glaubhaft. Hinweise darauf, dass
sie die ganze Geschichte erfunden haben könnte, ergäben sich keine, und auch
die Tatsache, dass sie eine gynäkologische Untersuchung abgelehnt habe, ändere
an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nichts. Ihre Weigerung sei
nachvollziehbar, zumal sie sich gemäss eigenen Angaben nach dem Vorfall
geduscht und mit Seife gereinigt habe, und der Täter ein Kondom benutzt habe.
2.2.3 In Bezug auf die durchgeführten Sprachwahlkonfrontationen hat die
Vorinstanz festgehalten, dass bei der ersten Konfrontation vom 30. April 2004,
anlässlich welcher A.________ den Beschwerdeführer als Täter bezeichnet habe,
dieser der einzige der vier Teilnehmer mit einem fremdländischen Akzent gewesen
sei. Aufgrund der offensichtlichen Unterschiede in Sprache und Artikulation der
Teilnehmenden habe die Bezirksanwältin eine zweite Sprachwahlkonfrontation
angeordnet, bei welcher als Vergleichspersonen drei Ausländer eingesetzt worden
seien. Auch bei dieser zweiten Konfrontation vom 22. Juni 2005 habe A.________
angegeben, den Beschwerdeführer eindeutig als Täter zu erkennen.

Während die erste Wahlkonfrontation als Folge der ungeeigneten Auswahl der
Vergleichspersonen per se nicht aussagekräftig sei, könne bei der zweiten
Konfrontation nicht ausgeschlossen werden, dass A.________ "vorbefasst" gewesen
sei. Eine Falschidentifikation könne daher im Rahmen einer zweiten
Wahlkonfrontation generell kaum korrigiert werden, weil die Gefahr der
zumindest unbewussten Selbstbindung des Zeugen an das bereits Gesagte bzw.
Erkannte bestehe. Bei einer derartigen Konstellation müsse deshalb dem Ergebnis
der zweiten Konfrontation im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung
mit grosser Zurückhaltung begegnet werden.
2.2.4 Die Vorinstanz hat weiter betont, entscheidend ins Gewicht falle, dass
die Beschwerdeführerin am Tag nach der mutmasslichen Tat beim Reinigen der
Wohnung unter dem Sofakissen eine aufgebrochene, leere Kondomverpackung
gefunden habe, auf welcher DNA-Spuren des Beschwerdeführers sichergestellt
worden seien. Der Umstand, dass dieses Beweisstück zunächst übersehen worden
sei, lasse zwar das Vorgehen der Ermittlungsbehörde in einem nicht ganz
lupenreinen Licht erscheinen, beeinflusse aber letztlich den Beweiswert als
solchen nicht, zumal nicht davon auszugehen sei und vom Beschwerdeführer auch
nicht geltend gemacht werde, dass die Kondomverpackung erst nachträglich in der
Wohnung deponiert worden sei.

2.3 Was der Beschwerdeführer gegen diese Beweiswürdigung der Vorinstanz
vorbringt, ist nicht geeignet, Willkür darzutun.
2.3.1 Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger bundesgerichtlicher
Rechtsprechung einzig vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer
schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht bzw.
im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 129 I 173 E. 3.1 mit Hinweisen). Dass das angefochtene Urteil mit der
Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung
oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt
praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (127 I 54 E. 2b mit
Hinweisen).
2.3.2 Der Beschwerdeführer wiederholt über weite Strecken einzig seine bereits
im kantonalen Verfahren erhobenen Tatsachenbehauptungen und stellt der
vorinstanzlichen Begründung lediglich seine eigene Sicht der Dinge gegenüber,
ohne näher zu erörtern, inwiefern der Entscheid (auch) im Ergebnis
schlechterdings unhaltbar sein sollte. Seine Ausführungen erschöpfen sich
mithin insoweit in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen
Urteil und genügen den Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG
nicht (vgl. E. 1.2 hiervor).

Dies gilt insbesondere für sein Vorbringen, es sei äusserst ungewöhnlich, dass
der Wissenschaftliche Dienst trotz akribischer Suche am Tatort weder
verwertbare Spuren noch die Kondomverpackung habe sicherstellen können, wie
auch für seine Behauptung, die Beschreibung der körperlichen Merkmale und des
Akzents des Täters durch A.________ muteten widersprüchlich an.
2.3.3 Soweit auf seine Rügen überhaupt eingetreten werden kann, sind diese
nicht stichhaltig.

Die Vorinstanz konnte vorliegend willkürfrei den Schluss ziehen, es sei
nachvollziehbar, dass sich A.________ keiner gynäkologischen Untersuchung habe
unterziehen wollen, zumal diese aufgrund der konkreten Umstände (Verwendung
eines Kondoms durch den Täter, intensives Duschen des Opfers unmittelbar nach
der Vergewaltigung) mutmasslich keine relevanten Ergebnisse in Bezug auf die
Täterschaft gezeigt hätte.

Des Weiteren ist es nicht unhaltbar, dass die Vorinstanz das Ergebnis der
zweiten Sprachwahlkonfrontation mit grosser Zurückhaltung in die
Beweiswürdigung einbezogen und ganz entscheidend auf das objektive Beweismittel
der DNA-Spur des Beschwerdeführers auf der in der Wohnung von A.________
aufgefundenen leeren Kondomverpackung abgestellt hat. Zudem konnte die
Vorinstanz die Argumentation des Beschwerdeführers, das Auffinden der
Kondomverpackung lasse höchstens Rückschlüsse auf sexuelle Kontakte zwischen
ihm und A.________, nicht aber darauf zu, dass diese Kontakte in der Tatnacht
gegen den Willen von A.________ stattgefunden hätten, im Ergebnis willkürfrei
als wenig überzeugend einstufen.

Gestützt auf diese nicht zu beanstandende Beweiswürdigung konnte die Vorinstanz
daher, ohne in Willkür zu verfallen, folgern, es bestünden bei objektiver
Betrachtung keine offensichtlich erheblichen bzw. schlechterdings nicht zu
unterdrückenden Zweifel an der Schuld des Beschwerdeführers. Die Vorinstanz hat
somit zusammenfassend weder gegen Art. 9 BV verstossen noch den aus der
Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK) abgeleiteten
Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt.

3.
Die Schuldsprüche des Beschwerdeführers wegen Vergewaltigung und
Hausfriedensbruch verletzen kein Bundesrecht, und die Beschwerde ist folglich
vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Da
das Rechtsmittel von vornherein aussichtslos war, kann dem Gesuch nicht
entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG).
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung der
Gerichtsgebühr ist seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. November 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Stohner