Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.701/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_701/2008/sst

Urteil vom 20. Januar 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Stohner.

Parteien
Y.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz Mattmann,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Qualifizierter Raub (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1
i.V.m. Ziff. 2 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer,
vom 5. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Y.________ und vier andere Mittäter überfielen am Sonntag, 13. Februar 2005, um
23.30 Uhr, die Asylbewerberunterkunft der Caritas in Ebikon und beraubten
alsdann eine dort anwesende Frau und sieben Männer.

B.
Am 5. Mai 2008 sprach das Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer,
Y.________ zweitinstanzlich des qualifizierten Raubes nach Art. 140 Ziff. 1
Abs. 1 i.V.m. Ziff. 4 StGB schuldig. Es bestrafte ihn bei Annahme einer in
leichtem bis mittlerem Grade verminderten Schuldfähigkeit mit fünf Jahren
Freiheitsstrafe.

C.
Dagegen richtet sich die Beschwerde in Strafsachen von Y.________. Er
beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei des
qualifizierten Raubes nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2 StGB schuldig
zu sprechen. Er sei unter Annahme einer in leichtem bis mittlerem Grade
verminderten Schuldfähigkeit zu höchstens drei Jahren Freiheitsstrafe zu
verurteilen, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Staates.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
Erwägungen:

1.
1.1 Zum Schuldspruch wegen qualifizierten Raubes führt die Vorinstanz aus, der
Beschwerdeführer habe die objektiven und subjektiven Tatbestandselemente des
Qualifikationsgrundes des In-Lebensgefahr-Bringens nach Art. 140 Ziff. 4 StGB
in den Phasen I, II und III (erster Teil) erfüllt. In den Phasen III (zweiter
Teil) und IV hingegen könne ihm nicht nachgewiesen werden, dass er für
zumindest ein Opfer eine sehr naheliegende Lebensgefahr geschaffen habe. Da er
aber in den anderen Phasen wegen Raubes nach Art. 140 Ziff. 4 StGB schuldig zu
sprechen sei und damit die Tathandlungen konsumiert wären, die allenfalls eine
Tatbestandsvariante im Sinne von Art. 140 Ziff. 1-3 StGB erfüllen würden,
erübrige sich deren rechtliche Qualifizierung (angefochtenes Urteil S. 21).

1.2 Der Beschwerdeführer anerkennt die Qualifizierung gemäss Art. 140 Ziff. 2
StGB, weil er eine mitgebrachte Schusswaffe auf sich getragen habe. Allerdings
macht er geltend, er habe den qualifizierten Tatbestand von Art. 140 Ziff. 3
Abs. 2 StGB nicht erfüllt, weil er keine besondere Gefährlichkeit offenbart
habe. Die Entschlussfassung sei sowohl von Alkohol geprägt als auch
unkoordiniert, zufällig und führungslos gewesen. Ferner habe er auch nicht den
qualifizierten Tatbestand von Art. 140 Ziff. 4 StGB erfüllt (Beschwerdeschrift
S. 3 - 8).

1.3 Gemäss Art. 140 Ziff. 4 StGB ist die Freiheitsstrafe nicht unter fünf
Jahren, wenn der Räuber das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere
Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. Es wird im Folgenden zu
prüfen sein, ob der Beschwerdeführer den Tatbestand des Art. 140 Ziff. 4 StGB
erfüllt hat. Ist dies der Fall, so wird - wie die Vorinstanz zutreffend
ausführt (angefochtenes Urteil S. 21) - nicht auch noch die Tatbestandsvariante
des Art. 140 Ziff. 3 StGB, die vom Beschwerdeführer ebenfalls erwähnt wird, zu
prüfen sein.

1.4 Der Beschwerdeführer macht nicht etwa geltend, die Vorinstanz sei von einem
bundesrechtswidrigen Begriff des In-Lebensgefahr-Bringens gemäss Art. 140 Ziff.
4 StGB ausgegangen. Er bringt vielmehr vor, sie habe in Verletzung von
Bundesrecht Art. 140 Ziff. 4 StGB als erfüllt betrachtet.

1.5 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 BGG).

1.6 Der Beschwerdeführer erhebt keine Rüge im Sinne von Art. 97 BGG, legt
seiner Beschwerde aber auch nicht den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat. Dies ist im Lichte von Art. 97 und Art. 105 BGG nicht
statthaft, so dass in diesem Punkt auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.
Beispielsweise behauptet der Beschwerdeführer, er habe bloss aus purem Zufall
die Schusswaffe auf sich getragen; er habe im Vorfeld nie eine Pistole verlangt
oder als notwendig erachtet. Dass ausgerechnet er die Waffe bei sich gehabt
habe, sei nicht geplant gewesen (Beschwerdeschrift S. 4).
Abgesehen davon, dass diese Behauptung nicht relevant ist, ist sie dem
angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.
Ebenso wenig ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass der
Beschwerdeführer noch nie mit einer Schusswaffe zu tun gehabt habe und nicht
habe einschätzen können, welche Auswirkungen seine Manipulationen an der Waffe
haben würden (Beschwerdeschrift S. 5). Aus dem angefochtenen Urteil geht
vielmehr einzig hervor, dass er die durchgeladene und entsicherte Pistole
"Astra" in einer Distanz von wenigen Metern auf die Opfer gerichtet hat.
Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz verlor der
Beschwerdeführer bei einer Rangelei die Pistole, aus der sich mindestens ein
unkontrollierter Schuss löste (angefochtenes Urteil S. 20 oben). Entgegen
seiner Auffassung wird ihm nicht vorgeworfen, dass er in dieser Phase seinen
Finger am Abzug hielt und diesen betätigte (Beschwerdeschrift S. 6 Mitte). Die
Vorinstanz hat die lebensgefährliche Situation vielmehr darin gesehen, dass der
Beschwerdeführer die durchgeladene und entsicherte Pistole in einer Distanz von
wenigen Metern auf die Opfer gerichtet und dass er mit dem Knauf der geladenen
und entsicherten Waffe mehrmals auf den Kopf des ihn bedrängenden Opfers
geschlagen hat. Zu Recht führt sie auch aus, dass er, wenn er diese
lebensgefährliche Situation nicht hätte aufrechterhalten wollen, die Pistole
sichern oder zumindest hätte beiseite legen können (angefochtenes Urteil S.
20). Der Beschwerdeführer wollte bei der Bedrohung der Opfer die Macht und
Gefährlichkeit einer geladenen und entsicherten Pistole ausnutzen und bei der
Rangelei sich mit den ihm zur Verfügung stehenden Gewaltmitteln aus dem
schmerzhaften Griff des ihn bedrängenden Opfers befreien und die Herrschaft
über die Opfer wiedererlangen (angefochtenes Urteil S. 20).
Schliesslich führt die Vorinstanz zu Recht aus, dass, wenn gemäss BGE 117 IV
419 E. 4c schon ein In-Lebensgefahr-Bringen nach Art. 140 Ziff. 4 StGB gegeben
ist, wenn bei einer geladenen und gesicherten Waffe weitere besondere Umstände
(wie zum Beispiel ein Handgemenge) hinzukommen, müsse dies um so mehr gelten,
wenn sich wie hier bei einer Rangelei zwischen einem Träger einer geladenen und
entsicherten Pistole und einem Opfer schon mindestens ein unkontrollierter
Schuss aus dieser Pistole gelöst hat und der Waffenträger diese immer noch
geladene und entsicherte Pistole als Hilfsmittel verwendet, um damit mehrmals
massiv auf den Kopf des Opfers zu schlagen (angefochtenes Urteil S. 21). Wenn
der Beschwerdeführer dem entgegenhält, die Waffe habe man weder sichern noch
entsichern können, er habe die Asylbewerber vor einer Verfolgung abhalten und
sie einschüchtern wollen und es habe keine, nicht mal eine hypothetische
Lebensgefahr für einen Menschen bestanden (Beschwerdeschrift S. 7), so entfernt
er sich auch hier von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz.

1.7 Auf die Rügen des Beschwerdeführers ist insoweit nicht einzutreten, als sie
zur Hauptsache von einem Schuldspruch gemäss Art. 140 Ziff. 2 (und nicht Ziff.
4) StGB ausgehen. Die Vorinstanz hat der Vermindung der Zurechnungsfähigkeit
wegen Alkoholkonsums in dem vom Beschwerdeführer gewünschten Umfang Rechnung
getragen (in leichtem bis mittlerem Grade). Der Vergleich des Beschwerdeführers
zu den Mittätern A.________ und B.________ geht deshalb nicht an, weil diese
bloss des Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 2 StGB
schuldig gesprochen worden sind. Auch im Zusammenhang mit der Strafzumessung
beruft sich der Beschwerdeführer wieder darauf, dass die Rolle des
"Pistolenträgers" durch Zufall bestimmt und ihm von den übrigen Mittätern quasi
aufgezwungen worden sei, wozu man indessen in den Feststellungen der Vorinstanz
keine Stütze findet. Dass sich der Beschwerdeführer seit der hier zu
beurteilenden Tat nicht mehr strafrechtlich verfehlt hat, hat ihm die
Vorinstanz entgegenkommend leicht strafmindernd angerechnet. Seine übrigen
Ausführungen (Beschwerdeschrift S. 9 Mitte und unten) sind nicht
strafzumessungsrelevant, so dass auch darauf nicht einzutreten ist.
Zusammenfassend ist die Beschwerde auch in diesem Punkt abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist.

2.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Kosten vor
Bundesgericht zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Januar 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Stohner