Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.687/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_687/2008 /hum

Urteil vom 26. Dezember 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Favre,
Gerichtsschreiber Stohner.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Adolf Spörri,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 26. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Zürich befand X.________ am 26. Juni 2008
zweitinstanzlich der Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) schuldig und
verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à Fr. 50.--, unter
Aufschub des Vollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer Busse
von Fr. 1'500.--.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. Juni 2008 sei aufzuheben, und sie sei
von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur
Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und als Folge
daraus eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Im Ergebnis
verletze das angefochtene Urteil den aus der Unschuldsvermutung abgeleiteten
Grundsatz "in dubio pro reo".

1.2 Die Vorinstanz geht gestützt auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft
Limmattal/Albis vom 9. März 2007 von folgendem Sachverhalt aus (angefochtenes
Urteil S. 6):

Die Beschwerdeführerin ist seit Juni 2002 Leiterin des Ateliers P.________ in
D.________. Das Atelier P.________ ist ein Beschäftigungsprogramm für
erwerbslose Personen. Trägerorganisation ist der Schweizerische Verband
V.________ in B.________. Das Atelier P.________ befasst sich insbesondere mit
dem Aussortieren von Textilien, welche aus Sammlungen stammen, die von der
Firma F.________ durchgeführt werden. Gemäss dem im März 2004 erteilten
Sortierauftrag der Firma F.________ hatte das Atelier P.________ die
vertragliche Verpflichtung, die angelieferten Textilien nach gewissen Kriterien
zu sortieren, wobei es schmutzige oder kaputte Textilien ausscheiden und der
Entsorgung zuführen durfte.
Im März oder April 2004 begann die Beschwerdeführerin im Auftrag ihres
Vorgesetzten, dem Programmleiter Y.________, von der Firma F.________
angelieferte Textilien günstig an Teilnehmende des Beschäftigungsprogramms zu
verkaufen. Die Preise für die einzelnen Kleiderartikel wurden von Y.________
festgesetzt, worauf die Beschwerdeführerin auf dem Computer eine Preisliste
erstellte. Die Beschwerdeführerin übergab die eingenommenen Geldbeträge in der
Regel einmal pro Tag Y.________, ohne dass dieser die Einnahmen quittierte und
verbuchte. Mit den Geldern tätigte er Anschaffungen fürs Atelier P.________
(Computer, Drucker, Beamer). Diese internen Verkäufe dauerten bis zum 13.
Februar 2006, wobei sich der Erlös auf mindestens Fr. 17'170.-- belief.

1.3 Die Vorinstanz hat unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil
erwogen, die Beschwerdeführerin habe ausdrücklich eingeräumt, gewusst zu haben,
dass die Altkleider im Eigentum der Firma F.________ standen. Selbst wenn
Y.________, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, ihr erklärt hätte, die
Firma F.________ sei mit den Direktverkäufen einverstanden gewesen, so hätte
dies die Beschwerdeführerin misstrauisch machen müssen, denn es spreche gegen
jede Vernunft, dass die Firma F.________ bereit gewesen wäre, die nicht
unerheblichen Erlöse aus dem Verkauf der besten Kleidungsstücke ohne
Gegenleistungen dem Atelier P.________ zu überlassen. Dass es der
Beschwerdeführerin bei ihrem Vorgehen nicht recht wohl gewesen sei, zeige auch
die Tatsache, dass sie in Eigenregie die verkaufsbedingten Gewichtsverluste in
der Sammlung der Firma F.________ durch Hinzufügen von Kleidern aus eigenen
Sammlungen des Ateliers komplettierte. Aufschlussreich sei weiter, dass die
Beschwerdeführerin keine internen Kleiderverkäufe durchführte, wenn
Kontrollbesuche der Zentrale in B.________ stattfanden. Trotzdem habe sie auch
nach dem Kontrollbesuch vom 6. Dezember 2005, anlässlich welchem sie die
Kleiderverkäufe noch geleugnet habe, die internen Verkäufe weitergeführt
(angefochtenes Urteil S. 6-9).

1.4 Was die Beschwerdeführerin gegen diese Beweiswürdigung der Vorinstanz
vorbringt, ist nicht geeignet, Willkür darzutun.

Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger bundesgerichtlicher
Rechtsprechung einzig vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer
schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht bzw.
im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 129 I 173 E. 3.1 mit Hinweisen). Dass das angefochtene Urteil mit der
Darstellung der Beschwerdeführerin nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung
oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt
praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (127 I 54 E. 2b mit
Hinweisen).

Die Beschwerdeführerin wiederholt über weite Strecken einzig ihre bereits im
kantonalen Verfahren erhobenen Tatsachenbehauptungen und stellt der
vorinstanzlichen Begründung lediglich ihre eigene Sicht der Dinge gegenüber,
ohne näher zu erörtern, inwiefern der Entscheid (auch) im Ergebnis
schlechterdings unhaltbar sein sollte. Ihre Ausführungen erschöpfen sich mithin
in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil und
genügen den Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nicht (vgl. E.
1 hiervor).

Dies gilt insbesondere für ihre Vorbringen, sie habe nicht um die
missbräuchliche Verwendung der Alttextilien bzw. der Verkaufserlöse gewusst und
entgegen der Behauptung der Vorinstanz nach dem Kontrollbesuch der Zentrale in
B.________ vom 6. Dezember 2005 keine Kleider mehr verkauft.

Gestützt auf die nicht willkürliche Beweiswürdigung konnte die Vorinstanz
folgern, es bestünden bei objektiver Betrachtung keine offensichtlich
erheblichen bzw. schlechterdings nicht zu unterdrückenden Zweifel an der Schuld
der Beschwerdeführerin. Die Vorinstanz hat somit zusammenfassend weder gegen
Art. 9 BV verstossen noch den aus der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV und
Art. 6 Ziff. 2 EMRK) abgeleiteten Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, der objektive Tatbestand von Art.
138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sei nicht erfüllt. Ihr sei im Gegensatz zu Y.________
keine selbständige Entscheidungsbefugnis zugekommen, weshalb ihr weder die
Kleider noch die Einnahmen aus den internen Verkäufen anvertraut gewesen seien
(Beschwerde S. 10-12).

2.2 Die Vorinstanz hat erwogen, in Bezug auf den Tatbestand der Veruntreuung
nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB stelle sich die Frage, unter welchen
Voraussetzungen eine Sache, die dem Arbeitgeber anvertraut sei, auch der
Arbeitnehmerin als anvertraut zu gelten habe. Abzustellen sei insoweit auf den
allgemeinen strafrechtlichen Organbegriff, welcher alle natürlichen Personen
einschliesse, die im Rahmen der Tätigkeit einer juristischen Person eine
selbständige Entscheidungsbefugnis hätten. Dies treffe auch zu, wenn die
natürliche Person diese Befugnis mit einer anderen teile oder wenn sie der
Aufsicht oder Kontrolle unterstellt sei, solange ihr nur ein genügender Bereich
eigener Entscheidung und Verantwortung eingeräumt bleibe. Die
Beschwerdeführerin habe als Atelierleiterin eine solche selbständige
Entscheidungsbefugnis besessen. Folglich seien die dem Arbeitgeber der
Beschwerdeführerin anvertrauten F.________-Kleider zugleich auch dieser selbst
anvertraut gewesen (angefochtenes Urteil S. 16-18).

2.3 Die Ausführungen im angefochtenen Urteil sind nicht zu beanstanden. Die
Vorinstanz hat vorliegend willkürfrei festgestellt, dass die Beschwerdeführerin
als operative Leiterin des Ateliers über eine weitreichende selbständige
Entscheidungskompetenz verfügte. Gestützt hierauf verletzt der Schluss der
Vorinstanz, die Kleider der Firma F.________ seien im Sinne des allgemeinen
strafrechtlichen Organbegriffs (auch) der Beschwerdeführerin anvertraut
gewesen, kein Bundesrecht.

2.4 Die Beschwerdeführerin bestreitet schliesslich auch den subjektiven
Tatbestand. Die Vorinstanz erbringe den erforderlichen Nachweis nicht, dass sie
mit der Tatbestandsverwirklichung gerechnet und diese billigend in Kauf
genommen habe. Vielmehr könne ihr höchstens vorgeworfen werden, pflichtwidrig
unvorsichtig gehandelt zu haben, indem sie die mögliche und erkennbare
Rechtswidrigkeit der Kleiderverkäufe und des Missbrauchs der Verkaufserlöse
nicht einzuschätzen vermocht und leichtsinnig eine Tatbestandsverwirklichung
übersehen habe (Beschwerde S. 8-10).

2.5 Gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB begeht ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich,
wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer
die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. Damit erhebt das
neue Recht den von Lehre und Rechtsprechung auch unter der früheren Fassung der
Bestimmung von Art. 18 Abs. 2 aStGB anerkannten Eventualvorsatz, nach welchem
Vorsatz auch bei demjenigen Täter vorliegt, der den Eintritt des Erfolgs für
möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines
Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht
sein (BGE 134 IV 26 E. 3.2.2), nunmehr ausdrücklich zum Gesetz.
Nach der Rechtsprechung betrifft, was der Täter wusste, wollte und in Kauf
nahm, sogenannte innere Tatsachen, und ist damit Tatfrage. Rechtsfrage ist
demgegenüber, ob im Lichte der von der kantonalen Instanz festgestellten
Tatsachen der Schluss auf Eventualvorsatz berechtigt erscheint. Das gilt
grundsätzlich auch, wenn bei Fehlen eines Geständnisses des Täters aus äusseren
Umständen auf jene inneren Tatsachen geschlossen werden muss (BGE 133 IV 222 E.
5.3; 130 IV 58 E. 8.5).

2.6 Die Vorinstanz hat, wie dargelegt, willkürfrei ausgeführt, die
Beschwerdeführerin habe um das Eigentum der Firma F.________ an den Kleidern
gewusst und daher aufgrund der gesamten Umstände nicht davon ausgehen können,
dass die Firma F.________ ohne Gegenleistung bereit gewesen sei, die nicht
unerheblichen Erlöse aus dem Verkauf der besten Kleidungsstücke dem Atelier
P.________ zu überlassen. Wenn die Beschwerdeführerin bei dieser Sachlage keine
weiteren Erkundigungen getätigt hat, war ihr dieser Umstand offenbar
gleichgültig. Die von der Vorinstanz gestützt darauf gezogenen
Schlussfolgerungen, die Beschwerdeführerin habe die Veruntreuung der
eingenommenen Verkaufserlöse zumindest in Kauf genommen und somit
eventualvorsätzlich gehandelt, verletzen kein Bundesrecht. Denn wem der
Eintritt eines als möglich erkannten Erfolges völlig gleichgültig ist, dem ist
sein Eintreten ebenso recht wie sein Ausbleiben. In einer solchen Einstellung
aber liegt eine Entscheidung für die mögliche Rechtsgüterverletzung (Claus
Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2006, § 12 N. 30), so dass der
Schuldspruch wegen Veruntreuung zu Recht erfolgt ist.

3.
Die Beschwerde ist folglich vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen
Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Dezember 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Stohner