Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.677/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_677/2008 /hum

Urteil vom 23. Februar 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Briw.

Parteien
Xa.________,
Beschwerdeführer,
handelnd durch Xb.________ und Xc.________, und diese vertreten durch
Rechtsanwalt Serge Flury,

gegen

Kreisschulpflege Lotten, Sonnhalde 1, 5503 Schafisheim,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Anspruch auf gerichtliche Beurteilung
(Art. 41 Abs. 1 JStG),

Beschwerde gegen den Entscheid des Schulrats des Bezirks Lenzburg vom 21. Mai
2008.

Sachverhalt:

A.
Der Jugendliche Xa.________ wurde beschuldigt, am 29. Oktober 2007 einen Mann
(Jahrgang 1934) angefahren und verletzt zu haben.

Der Schulrat des Bezirks Lenzburg bestätigte am 21. Mai 2008 den
erstinstanzlichen Entscheid der Schulpflege vom 10. März 2008 und bestrafte
Xa.________ wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie pflichtwidrigen
Verhaltens bei Unfall mit Verletzten in Anwendung von Art. 23 JStG mit drei
Tagen Arbeitsleistung, verpflichtete ihn zu einem Entschuldigungsschreiben und
erteilte ihm einen Verweis.

B.
Xa.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, den Entscheid des
Schulrats aufzuheben, ihn von Schuld und Strafe freizusprechen, eventuell die
Sache an den Schulrat zurückzuweisen.

Xa.________ und der Schulrat wurden zur Vernehmlassung in der Verfahrensfrage
eingeladen und nahmen Stellung.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen.

1.1 Gemäss § 13 Abs. 4 StPO/AG in der bis Ende 2008 geltenden Fassung können
Beschlüsse und Urteile der Schulpflege beim Bezirksschulrat angefochten werden,
dessen Entscheid endgültig ist (ferner § 24 Dekret über die
Jugenstrafrechtspflege [DJStP]). Die Vorinstanz hat als Bezirksschulrat
geurteilt.

1.2 Gemäss Art. 41 Abs. 1 JStG haben die Kantone gegen Urteile und Verfügungen,
die gestützt auf dieses Gesetz ergehen, ein Rechtsmittel an eine gerichtliche
Instanz vorzusehen. Diese Bestimmung ist seit dem 1. Januar 2007 unmittelbar
anwendbar (BGE 133 IV 267). In ihrer Vernehmlassung stellt die Vorinstanz klar,
dass sie keine gerichtliche Instanz ist. Sie ist somit keine Vorinstanz im
Sinne von Art. 80 BGG, so dass auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.

1.3 Der Anspruch des Beschwerdeführers gemäss Art. 41 Abs. 1 JStG bestand
ungeachtet der im Urteilszeitpunkt fehlenden bundesrechtskonformen
Ausführungsgesetzgebung. Gemäss der auf den 1. Januar 2009 in Kraft gesetzten
Fassung von § 13 Abs. 4 und § 14 Abs. 1 lit. f StPO/AG können Beschlüsse und
Urteile der Schulpflegen beim Jugendgericht angefochten werden (ebenso § 24
DJStP in der revidierten Fassung). Somit dürfte das Jugendgericht als das
zuständige Gericht zu bestimmen sein (vgl. BGE 133 IV 267 E. 3.4). Dem
Beschwerdeführer darf aus dem bundesrechtswidrigen früheren Verfahrensrecht
kein Rechtsnachteil erwachsen.

2.
Aufgrund der besonderen Umstände werden dem Beschwerdeführer, obwohl er formell
unterliegt, keine Kosten auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Kanton Aargau
können keine Gerichtskosten überbunden werden (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen
hat er dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schulrat des Bezirks Lenzburg
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Februar 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Briw