Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.673/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_673/2008 /hum

Urteil vom 8. Oktober 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Favre,
Gerichtsschreiber Briw.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Bruno Beeler,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Archivgasse 1, 6430 Schwyz,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Art. 1 Abs. 1 SVG; Sachverhalts- und Rechtsirrtum,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz vom 4. März
2008.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksamt Schwyz warf X.________ mit Anklageschrift vom 10. Mai 2007
Nichtbeherrschen des Fahrzeugs und Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung
der Fahrunfähigkeit vor. Er sei am 27. Juni 2005 um 22.30 Uhr auf dem
Parkplatzareal eines Restaurants infolge ungenügender Aufmerksamkeit beim
Rückwärtsfahren aus dem Parkfeld mit dem Heck seines Fahrzeugs mit einem auf
dem gegenüberliegenden Parkfeld eines Betonwerks abgestellten Personenwagen
kollidiert. Nachdem er sich mit dem Geschädigten nicht habe einigen können,
habe dieser die Polizei gerufen. Er habe die polizeilich angeordnete
Atemalkoholprobe und die untersuchungsrichterlich angeordnete Blutprobe
verweigert. Zuvor habe er im Restaurant "einen Kübel Bier konsumiert".

B.
Das Bezirksgericht Schwyz beurteilte am 22. August 2007 nach einem Augenschein
die fragliche Verkehrsfläche zwischen Betonwerk und Restaurant zwar als
öffentliche Strasse im Sinne von Art. 1 Abs. 1 SVG, stellte aber fest,
X.________ habe von der Polierschule her gewusst, dass auf Baustellen und
Werkarealen das SVG nicht anwendbar sei, weshalb er das Areal als privat
eingeschätzt habe. Die seitlich entlang der Zufahrtsstrasse an der
Betonmischanlage angebrachten Tafeln "Parkverbot", "Privat-Areal" und
"Unbefugten ist das Betreten verboten" seien der Grund für seine Auffassung
gewesen. Es billigte ihm einen Sachverhaltsirrtum zu und sprach ihn von Schuld
und Strafe frei.

Das Kantonsgericht Schwyz fand ihn am 4. März 2008 in teilweiser Gutheissung
der staatsanwaltschaftlichen Berufung der Vereitelung von Massnahmen zur
Feststellung der Fahrunfähigkeit (Art. 91a Abs. 1 SVG) und des
Nichtbeherrschens des Fahrzeugs (Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 90 Ziff. 1 SVG)
schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 21 Tagessätzen zu Fr. 50.--
und Fr. 1'000.-- Busse. Den Vollzug der Geldstrafe von Fr. 1'050.-- schob es
bedingt mit einer Probezeit von 2 Jahren auf. Für den Fall der schuldhaften
Nichtbezahlung der Busse setzte es eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen
fest.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das
kantonsgerichtliche Urteil vollumfänglich aufzuheben und das
bezirksgerichtliche zu bestätigen, eventuell das kantonsgerichtliche Urteil
aufzuheben und ihn vom Vorwurf der Vereitelung der Blutprobe freizusprechen,
die Sache zur Festsetzung des Strafmasses für die Verletzung von Verkehrsregeln
sowie der Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen,
mit Kostenfolgen für das vorliegende wie das kantonale Verfahren zu Lasten des
Kantons.

Das Kantonsgericht beantragt Abweisung der Beschwerde soweit Eintreten. Das
Bundesgericht holt keine Vernehmlassung ein.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, das Strassenverkehrsgesetz sei auf dem
fraglichen Areal nicht anwendbar. Sollte das nicht zutreffen, sei er wegen
Sachverhalts- und Rechtsirrtums von Schuld und Strafe freizusprechen.

1.1 Das Strassenverkehrsgesetz ordnet nach seinem Art. 1 Abs. 1 den Verkehr auf
den öffentlichen Strassen. Strassen sind die von Motorfahrzeugen, motorlosen
Fahrzeugen oder Fussgängern benützten Verkehrsflächen. Öffentlich sind
Strassen, die nicht ausschliesslich privatem Gebrauch dienen (Art. 1 Abs. 1 und
2 Verkehrsregelnverordnung). Massgeblich ist dabei nicht, ob die Strasse in
privatem oder öffentlichem Eigentum steht, sondern ob sie dem allgemeinen
Verkehr dient. Dies trifft zu, wenn sie einem unbestimmten Personenkreis zur
Verfügung steht, selbst wenn die Benutzung nach Art oder Zweck eingeschränkt
ist (BGE 104 IV 105 E. 3). Die Begründung für diesen weiten Strassenbegriff,
welcher auch rein tatsächlich dem allgemeinen Verkehr offenstehende Strassen
mitumfasst und sich insofern nicht vollumfänglich mit dem Begriff der
öffentlichen Strasse im Gemeingebrauch nach öffentlich-sachenrechtlicher
Terminologie deckt, liegt in der polizeirechtlichen Zielsetzung der
Strassenverkehrsgesetzgebung, welche den Schutz der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit im Strassenverkehr bezweckt und aus Gründen der Gefahrenabwehr nach
einer umfassenden Geltung der diesbezüglichen Verbots- und Gebotsnormen
(Verkehrsregeln) ruft (Urteil 6B_87/2008 vom 31. Juli 2008, E. 2.2 mit
Hinweisen).

Die Vorinstanzen nehmen zutreffend an, dass es sich bei der umstrittenen
Verkehrsfläche um eine "öffentliche Strasse" im dargestellten Sinne handelt und
das SVG gilt. Das Areal oder die Vorplätze des Betonwerks und des Restaurants
werden von der Kantonsstrasse her über eine gemeinsame Zufahrtsstrasse
erschlossen, welche entlang der Betonmischanlage führt und auch weitere
Gewerbebetriebe bedient. Seitlich der Betonmischanlage, entlang dieser
Zufahrtsstrasse, ist eine Tafel "Privat-Areal" mit "Parkverbot" angebracht.
Ebenfalls am Betonmischwerk befindet sich ein Schild mit der Aufschrift
"Unbefugten ist das Betreten verboten". Eine klare und offensichtliche Trennung
zwischen dem behaupteten Privatareal und dem Restaurant ist nicht vorhanden.
Der Unfall ereignete sich in der Winkelfläche zwischen Betonwerk und Restaurant
(bezirksgerichtliches Urteil S. 5 mit Feststellungen der Ortsschau, worauf die
Vorinstanz verweist).

Will eine Firma ein während der Arbeitszeit dem öffentlichen Verkehr
offenstehendes Areal (einen "Vorplatz") nachts oder feiertags auf einen
ausschliesslich privaten Gebrauch einschränken, muss dieser Wille Dritten durch
ein signalisiertes Verbot oder durch eine Abschrankung kenntlich gemacht sein
(Art. 5 Abs. 1 SVG). Fehlen solche eindeutigen Vorkehren, bleibt der
öffentliche Charakter erhalten (vgl. BGE 104 IV 105 E. 3). Diese Überlegungen
sind auf den vorliegenden Fall übertragbar. Das Areal erweist sich
grundsätzlich als allgemein zugänglich. Es wird nach den vorinstanzlichen
Feststellungen von Restaurantbesuchern benutzt, auch wenn das Restaurant noch
über (andere) Parkplätze verfügt. So parkierten Beschwerdeführer und
Geschädigter, die sich beide im Restaurant aufhielten, ihre Fahrzeuge in
selbstverständlicher Art und Weise auf diesem Areal. Eine solche Nutzung
erweist sich damit weder als "mit nichts belegt" noch ist die diesbezügliche
vorinstanzliche Annahme "völlig verfehlt, ja unhaltbar und realitätsfremd"
(Beschwerde S. 23). Vielmehr widerspricht der Beschwerdeführer mit seinem
tatsächlichen Verhalten (stundenlanges Parkieren während des
Restaurantaufenthalts) selber seiner diesbezüglichen Argumentation. Das
Betonwerk dürfte zudem einen regen Verkehr während der Arbeitszeit bewirken. Es
ist unerfindlich, weshalb hier das SVG nicht gelten sollte. Die erwähnten
Signalisationen grenzen diese Verkehrsfläche nicht von der Zufahrtsstrasse ab.
Schranken oder Barrieren fehlen. Nach Polizeifoto und Skizze des
Beschwerdeführers (act. 1.1.4 und 1.1.5) liesse sich der Vorplatz jedenfalls
zum Teil auch dem Restaurant zuordnen. So spricht die Anklageschrift vom
"Parkplatzareal des Restaurants".

1.2 Der Beschwerdeführer wurde im Anklagepunkt wegen Nichtbeherrschens des
Fahrzeugs nicht wegen eines Vorsatzdelikts (wie Sachbeschädigung gemäss Art.
144 StGB), sondern wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen das SVG schuldig
gesprochen, dessen Geltung er allerdings bestreitet bzw. über dessen
Anwendbarkeit er geirrt haben will. Es ist aber nicht ersichtlich, in welcher
Form er einem Irrtum unterlegen sein sollte. Er kollidierte wegen
unaufmerksamen Rückwärtsfahrens und nicht wegen eines Sachverhalts- oder
Rechtsirrtums. Es ist ihm zwar unbenommen die Strafbarkeit zu bestreiten. Das
ist aber keine Irrtumsfrage.

1.3 Die Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit will er verweigert
haben, weil er die Anlasstat seiner Meinung nach auf einem Areal beging, auf
dem das SVG nicht gilt.

Er wurde indessen vor der Tat (den Vereitelungshandlungen) durch die durch die
Anordnungen der zuständigen Behörden manifestierte Rechtsauffassung über die
Rechtslage hinreichend aufgeklärt. Das dies angesichts des nicht kooperativen
Verhaltens des Beschwerdeführers nichts fruchtete, ändert daran nichts. Er
handelte somit in Kenntnis der Sachlage und nicht "in einer irrigen Vorstellung
über den Sachverhalt" (Art. 13 StGB). Es ist zudem nicht ersichtlich, wie er
sich in dieser Situation mit Erfolg auf einen Irrtum über die Rechtswidrigkeit
berufen will. Das kann nur, "wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht
wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält" (Art. 21 StGB), d.h.
zureichende Gründe zur Annahme hatte, er tue überhaupt nichts Unrechtes (BGE
128 IV 201 E. 2). Er hat sich nicht geirrt, sondern sich schlicht den
Anordnungen widersetzt.

2.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist auf die Beschwerde im Übrigen nicht mehr
einzutreten (oben E. C). Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Der Beschwerdeführer unterliegt in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht und wird entsprechend kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Oktober 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Briw