Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.671/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_671/2008/sst

Urteil vom 5. Januar 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Josef Flury,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Versuchte eventualvorsätzliche Tötung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer,
vom 17. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach X.________ mit Urteil vom 13.
Juni 2007 des vollendeten Versuchs der (eventual-)vorsätzlichen Tötung schuldig
und verurteilte ihn bei Annahme einer in leichtem Grade verminderten
Schuldfähigkeit zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren. Die von X.________
dagegen erhobene Appellation wies das Obergericht des Kantons Luzern, II.
Kammer, mit Urteil vom 17. April 2008 ab.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das Urteil des Obergerichts
sei aufzuheben, und er sei wegen (eventual-)vorsätzlicher einfacher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten zu verurteilen.
Eventualiter sei er wegen versuchter eventualvorsätzlicher Tötung zu einer
teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten zu verurteilen.
Zudem ersucht X.________um unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
Das Kriminalgericht hielt folgenden Sachverhalt als erwiesen:
Der Beschwerdeführer verfolgte am 27. März 2004 auf der Baselstrasse in Luzern
den Wagen von Y.________. Als beim Kreisel Kreuzstutz beide verkehrsbedingt
anhalten mussten, stieg der Beschwerdeführer aus und versuchte, Y.________ aus
dem Auto zu zerren. Dabei führte er einen Tessiner Gertel mit sich. Nachdem
Y.________ die Autotüre schliessen und wegfahren konnte, setzte der
Beschwerdeführer die Verfolgung fort. Während der Fahrt nahm Y.________
telefonisch Kontakt mit Z.________ auf und bat diesen um Hilfe. Am Reusszopfweg
beendete er die Fahrt und verliess das Fahrzeug. Danach verliessen auch der
Beschwerdeführer und dessen Ehefrau ihren Wagen. In der Folge diskutierten
Y.________, Z.________ sowie der Beschwerdeführer und dessen Ehefrau
miteinander. Plötzlich holte der Beschwerdeführer mit dem - bewusst
mitgeführten - Gertel zu einem Schlag auf den Kopf von Y.________ aus. Dieser
erlitt eine 4 cm lange Schnittwunde im Bereich der Kopfhaut bis auf die
Kalotte, eine Abtrennung der Ohrmuschel im kranialen Bereich mit
Knorpelverletzung und eine ca. 10 cm lange oberflächliche Schnittwunde im
Bereich des Halses (s. erstinstanzliches Urteil E. 2.2.1 S. 19 und E. 2.2.5 S.
29).

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch
Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Er habe mit dem Gertel nur
leicht ausgeholt und dem Opfer nicht tödliche Verletzungen zufügen wollen.

2.1 Die Vorinstanz verweist bezüglich der Aussagen des Beschwerdeführers, des
Opfers und der am Tatort anwesenden Zeugen sowie des gestützt darauf
ermittelten Beweisergebnisses, auf das erstinstanzliche Urteil. Danach habe der
Beschwerdeführer im Streit mit dem Opfer mit dem absichtlich mitgeführten
Gertel zu einem Schlag auf dessen Kopf ausgeholt und ihm die beschriebenen
Verletzungen zugefügt. Es bestünden keine Hinweise darauf, dass es zu
Absprachen betreffend das Aussageverhalten gekommen sei und ein Motiv für eine
Falschaussage sei bei keiner der befragten Person ersichtlich. Die Aussagen des
Beschwerdeführers, wonach er sich wegen der Menschenansammlung in einer
subjektiv empfundenen Bedrohungssituation befunden habe, seien in sich
widersprüchlich (angefochtenes Urteil E. 2 S. 5 f.). Gemäss den
erstinstanzlichen Feststellungen habe der Beschwerdeführer einen einzigen
Schlag mit dem Gertel ausgeführt, danach sei es dem Opfer gelungen, ihm das
Messer wegzunehmen. Ob der Beschwerdeführer beabsichtigte, mehrere Schläge
auszuführen, sei nicht bekannt. Zu seinen Gunsten sei davon auszugehen, dass er
nach dem ersten Schlag keine weiteren Schläge ausgeführt hätte (angefochtenes
Urteil E. 3.4 S. 6 f.).

2.2 Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten
Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet. Als
Beweiswürdigungsregel besagt sie, dass sich der Strafrichter nicht von einem
für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei
objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so
verwirklicht hat. Bei der Frage, ob angesichts des willkürfreien
Beweisergebnisses erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel hätten bejaht
werden müssen und sich der Sachrichter von dem für den Angeklagten ungünstigen
Sachverhalt nicht hätte überzeugt erklären dürfen, steht der Vorinstanz ein
weiter Ermessensspielraum zu. Willkür liegt einzig vor, wenn die Behörde in
ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei
genügt es nicht, wenn sich der angefochtene Entscheid lediglich in der
Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn
er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 173 E. 3.1 S. 178; BGE 127
I 38 E. 2a S. 40 f.; je mit Hinweisen).

2.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe das Opfer nur leicht verletzen
und sich mit ihm aussprechen wollen. Dazu stellt er in weiten Teilen der
Beweiswürdigung der Vorinstanz seine eigenen Tatsachenbehauptungen gegenüber,
ohne zu erörtern, inwiefern der Entscheid (auch) im Ergebnis schlechterdings
unhaltbar sein sollte. Seine Vorbringen erschöpfen sich in einer unzulässigen
appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil und genügen folglich den
Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nicht (vgl. BGE 133 II 249
E. 1.4.3 S. 254 f. mit Hinweis).
Gleiches gilt für den Einwand des Beschwerdeführers, die Verletzungen im
Bereich des Halses seien nicht erwiesen. Die Vorinstanz hält die Schnittwunde
im Bereich des Halses als erstellt (vgl. E. 2.1 hiervor). Der Beschwerdeführer
legt nicht dar, inwiefern diese Feststellung willkürlich ist. Auch sein
Einwand, er sei vom Opfer derart provoziert worden, dass er keinesfalls darüber
nachgedacht habe, ob der Schlag möglicherweise eine lebensgefährliche
Verletzung herbeiführen könne, erschöpft sich in appellatorischer Kritik.

2.4 Schliesslich betrifft die Rüge, die Subsumtion des Tatgeschehens als
versuchte eventualvorsätzliche Tötung sei willkürlich, nicht eine Tat-, sondern
eine Rechtsfrage (vgl. BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 17 mit Hinweisen).
Die Vorinstanz hat zutreffend die Bestimmungen des alten Rechts angewendet
(Art. 2 Abs. 2 StGB). Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die
Tat mit Wissen und Willen ausführt (Art. 18 Abs. 2 aStGB). Nach ständiger
Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des
Erfolgs beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber
dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf
nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein. Für den
Nachweis des Vorsatzes kann sich das Gericht - soweit der Täter nicht geständig
ist - regelmässig nur auf äusserlich feststellbare Indizien und auf
Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse von den äusseren Umständen auf
die innere Einstellung des Täters erlauben. Zu den äusseren Umständen, aus
denen der Schluss gezogen werden kann, der Täter habe die
Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, zählt auch die Grösse des dem Täter
bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der
Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser dieses Risiko ist und je schwerer die
Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der Täter
habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 134 IV 26 E. 3.2.2 S.
28 f. mit Hinweisen).
Die Vorinstanz führt in diesem Sinne aus, der Tessiner Gertel sei zweifellos
geeignet, den Tod eines Opfers herbeizuführen. Nur dank glücklicher Umstände
und der Drehbewegung des Kopfes sei das Opfer nicht mit der Spitze des Gertels
auf den Kopf getroffen worden, und es sei nicht zu einer Verletzung der
Halsschlagader gekommen. Der Beschwerdeführer habe unter den konkreten
Umständen mit einer lebensgefährlichen Verletzung am Hals mit Todesfolge
rechnen müssen. Es dränge sich der Schluss auf, dass er im Moment des heftigen
aggressiven Impulses den Tod des Opfers in Kauf genommen habe. Der subjektive
Tatbestand sei deshalb erfüllt (angefochtenes Urteil E. 3.3 und 3.4 S. 7 ff.).
Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz durch den Schluss auf
Eventualvorsatz Bundesrecht verletzt. Im Übrigen wird dies vom Beschwerdeführer
auch nicht dargelegt.

3.
Der Beschwerdeführer wendet sich weiter gegen die Strafzumessung. Er beantragt
eine teilbedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

3.1 Der Richter misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu; er
berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse
des Schuldigen (Art. 63 aStGB). Das Bundesgericht hat die
Strafzumessungsgrundsätze und die an sie gestellten Anforderungen wiederholt
dargelegt. Darauf kann hier verwiesen werden (BGE 134 IV 17 E. 2.1 S. 19 f. mit
Hinweisen).

3.2 Die Vorinstanz hat sich in ihren Erwägungen mit den wesentlichen
Strafzumessungsfaktoren auseinandergesetzt und diese in nicht zu beanstandender
Weise gewichtet. Auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid kann deshalb
verwiesen werden (s. angefochtenes Urteil E. 4 S. 13 ff.). Die Vorinstanz hat
insbesondere die Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers
strafmindernd berücksichtigt. Sie legt ausführlich dar, wieso sie das
Verschulden des Beschwerdeführers als schwer würdigt. Die diesbezüglichen
Vorbringen des Beschwerdeführers sind nicht überzeugend und erschöpfen sich
zudem in appellatorischer Kritik, soweit sie sich gegen tatsächliche
Feststellungen der Vorinstanz richten (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.
mit Hinweis sowie E. 2.3 hiervor). Betreffend das Strafmass verweist der
Beschwerdeführer auf mehrere Urteile des Bundesgerichts mit ähnlichen zugrunde
liegenden Sachverhalten. In Anbetracht des weiten Ermessens der Vorinstanz
erweist sich dieser Vergleich als unbehelflich. Die ausgesprochene
Freiheitsstrafe von vier Jahren liegt durchaus im Rahmen des vorinstanzlichen
Ermessens. Ausgehend von diesem Strafmass hat die Vorinstanz zu Recht die
Gewährung des bedingten oder teilbedingten Strafvollzugs bereits aus objektiven
Gründen ausgeschlossen und das neue Recht nicht als milder beurteilt.
Zusammengefasst verletzt die Strafzumessung der Vorinstanz kein Bundesrecht.

4.
Demgemäss ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers
erschienen von vornherein aussichtslos, weshalb sein Ersuchen um unentgeltliche
Rechtspflege abzuweisen ist. Seiner finanziellen Lage ist mit herabgesetzten
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Januar 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz