Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.650/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_650/2008/sst

Urteil vom 6. Februar 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Stohner.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Bezirksgericht Dielsdorf, II. Abteilung, Spitalstrasse 5, 8157 Dielsdorf,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Entschädigung als amtlicher Verteidiger,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich,
Verwaltungskommission, vom 21. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügungen vom 15. August und 15. September 2006 bestellte der Präsident
des Bezirksgerichts Dielsdorf Rechtsanwalt X.________ zum amtlichen Verteidiger
von A.________.
A.________ wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Dielsdorf vom 20. September
2007 wegen diverser Delikte schuldig gesprochen (Urteilsdispositiv-Ziffer 1).
Die Gerichtsgebühr setzte das Bezirksgericht auf Fr. 34'093.-- fest
(Urteilsdispositiv-Ziffer 8). Diese Kosten, einschliesslich derjenigen der
amtlichen Verteidigung, auferlegte es A.________, wobei es die Kosten
einstweilen auf die Staatskasse nahm (Urteilsdispositiv-Ziffer 9). In der
Rechtsmittelbelehrung wurde bestimmt, dass gegen dieses Urteil binnen 10 Tagen
ab Zustellung des Urteilsdispositivs beim Bezirksgericht Dielsdorf schriftlich
Berufung angemeldet werden könne (Urteilsdispositiv-Ziffer 11). Würden nur die
Kosten- und Entschädigungsregelungen des Urteils beanstandet, so sei dagegen
Rekurs zu erheben. Dieser sei binnen 20 Tagen nach Zustellung des begründeten
Entscheids schriftlich unter Angabe der Gründe und Beilage des Entscheids sowie
allfälliger Belege beim Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer,
einzureichen (Urteilsdispositiv-Ziffer 12).
Mit Eingabe vom 23. Oktober 2007 stellte X.________ dem Bezirksgericht
Dielsdorf seine Honorarnote über Fr. 28'545.20 zu. Mit Beschluss vom 6.
Dezember 2007 kürzte das Bezirksgericht Dielsdorf diese Honorarnote und sprach
dem Beschwerdeführer eine Entschädigung von Fr. 19'270.10 zu. Dieser Beschluss
enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.

B.
Mit Rekurs an die III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6.
Februar 2008 beantragte X.________, der Beschluss des Bezirksgerichts Dielsdorf
vom 6. Dezember 2007 (zugestellt am 17. Januar 2008) sei aufzuheben, und seine
Honorarnote vom 23. Oktober 2007 sei zu genehmigen. Diese Eingabe erfolgte am
letzten Tag der 20-tägigen Rekursfrist.
Am 7. Februar 2008 überwies die III. Strafkammer die Eingabe von X.________
mangels Zuständigkeit an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons
Zürich. Diese erwog mit Beschluss vom 21. Juni 2008, ein Rekurs sei vorliegend
ausgeschlossen, zulässig sei hingegen die Beschwerde. Da die 10-tägige
Beschwerdefrist jedoch nicht gewahrt worden sei, sei auf die Beschwerde nicht
einzutreten.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, der Entscheid der
Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Juni 2008 sei
aufzuheben, und die Sache sei zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.
Das Bezirksgericht Dielsdorf und die Verwaltungskommission des Obergerichts des
Kantons Zürich haben auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Gemäss § 402 Ziff. 9 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich (StPO/ZH)
kann gegen Urteile der Einzelrichter, der Bezirksgerichte und der
Jugendgerichte beim Obergericht Rekurs erhoben werden, wenn sich dieser nur auf
die Kostenauflage und die Entschädigung bezieht.
Nach § 206 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG/ZH) mit der Marginalie
"Kostenbeschwerde" kann gegen die Kostenansätze der Gerichte entsprechend § 108
ff. Beschwerde geführt werden.

1.2 Die Vorinstanz hat ausgeführt, der Rekurs gemäss § 402 Ziff. 9 StPO/ZH sei
ausgeschlossen, weil er als strafprozessuales Rechtsmittel nur gegen die
Auflage und Verteilung der Gerichtskosten zulässig sei. Soweit der amtliche
Verteidiger hingegen die Höhe der zugesprochenen Entschädigung anfechte, sei
die Kostenbeschwerde nach § 206 i.V.m. § 108 ff. GVG/ZH gegeben. Die
Beschwerdefrist von 10 Tagen gemäss § 109 Abs. 1 GVG/ZH sei vorliegend jedoch
nicht gewahrt worden.
Allerdings habe der Beschluss des Bezirksgerichts Dielsdorf vom 6. Dezember
2007 keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, und einer Partei dürfe aus einer
unrichtigen, unvollständigen oder fehlenden Rechtsmittelbelehrung kein
Rechtsnachteil erwachsen. Wer aber die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung
erkenne oder bei zumutbarer Sorgfalt habe erkennen müssen, könne sich nicht auf
diesen Grundsatz berufen. Auch bei fehlender Rechtsmittelbelehrung sei es dem
Adressaten zuzumuten, sich nach den in Frage kommenden Rechtsmitteln zu
erkundigen.
Beim angefochtenen Entscheid handle es sich nicht um ein Urteil, sondern um
einen nachträglichen Beschluss betreffend die Höhe der festzusetzenden
Entschädigung des amtlichen Verteidigers. Das Strafurteil des Bezirksgerichts
Dielsdorf vom 20. September 2007 habe in Urteilsdispositiv-Ziffer 9 lediglich
die Verteilung der Kosten einschliesslich derjenigen der amtliche Verteidigung
geregelt und sei nach dem Rückzug der Berufung vom 12. November 2007 in
Rechtskraft erwachsen. Dementsprechend sei für den Beschwerdeführer im
Zeitpunkt seiner Eingabe vom 6. Februar 2008 erkennbar gewesen, dass der
strafprozessuale Rekurs nicht mehr habe zulässig sein können. Zudem habe ihm
als amtlich bestellter Verteidiger klar sein müssen, dass sich sein Anspruch
auf Entschädigung auf ein öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis stütze und
sich damit direkt gegen den Staat richte, weshalb es auf der Hand gelegen habe,
dass nicht ein strafprozessuales Rechtsmittel, sondern die
verwaltungsrechtliche Beschwerde gemäss § 206 i.V.m. § 108 ff. GVG zu ergreifen
gewesen wäre (angefochtenes Urteil S. 3 - 5).
1.3
1.3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, aufgrund der Rechtsmittelbelehrung im
Urteil des Bezirksgerichts Dielsdorf vom 20. September 2007
(Urteilsdispositiv-Ziffer 12) und angesichts der Tatsache, dass die
Parteikosten untrennbar mit dem Strafverfahren verbunden seien, habe er davon
ausgehen dürfen, dass nicht ein anderes Rechtsmittel als die in der
Strafprozessordnung geregelten ergriffen werden müsse, sondern dass gegen die
Festsetzung der Entschädigung für die amtliche Verteidigung Rekurs zu erheben
sei. Dass der Entscheid über seine Entschädigung vom Strafurteil abgekoppelt
worden und mit separatem Beschluss vom 6. Dezember 2007 entschieden worden sei,
könne hieran nichts ändern.
Auch eine Konsultation des Gerichtsverfassungsgesetzes lasse nicht erkennen,
dass vorliegend hätte Beschwerde eingereicht werden müssen. Gemäss § 206 GVG/ZH
könne gegen die Kostenansätze der Gerichte Beschwerde geführt werden, woraus zu
schliessen sei, dass gegen die Höhe der Gerichtskosten, nicht aber gegen die
Festsetzung der Entschädigung des amtlichen Verteidigers Beschwerde erhoben
werden könne. Zudem handle es sich bei der Beschwerde nach GVG/ZH um einen
Rechtsbehelf, also um gar kein förmliches Rechtsmittel. Selbst wenn eine
Aufsichtsbeschwerde möglich sei, werde damit die Frage nicht beantwortet, ob
nicht auch der Rekurs offenstehe. Zusammenfassend könne ihm jedenfalls keine
grobe prozessuale Unsorgfalt vorgeworfen werden, dass er von der Zulässigkeit
des Rekurses ausgegangen sei (Beschwerde S. 7 - 12).
1.3.2 Der Beschwerdeführer führt weiter aus, gestützt auf § 207 GVG/ZH würden
Gerichtsgebühren, welche die untere Instanz zu niedrig angesetzt habe, von
Amtes wegen erhöht, wenn das Verfahren an eine obere Instanz weitergezogen
werde. Soweit daher tatsächlich Beschwerde statt Rekurs hätte eingereicht
werden müssen, hätte die Vorinstanz von Amtes wegen prüfen müssen, ob die
Entschädigung vom Bezirksgericht nicht zu tief festgesetzt worden sei
(Beschwerde S. 13).
1.3.3 Schliesslich habe die Vorinstanz seinen Anspruch auf rechtliches Gehör
verletzt, da sie ihn vor der Beschlussfassung nicht angehört habe (Beschwerde
S. 13 f.).

1.4 Den Parteien darf aus einer fehlerhaften behördlichen Rechtsmittelbelehrung
kein Nachteil erwachsen. Wer allerdings die Unrichtigkeit der
Rechtsmittelbelehrung erkannte oder bei zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen
müssen, kann sich nicht auf den genannten Grundsatz berufen. Rechtssuchende
geniessen keinen Vertrauensschutz, wenn sie bzw. ihr Rechtsvertreter den Mangel
allein schon durch Konsultierung der massgeblichen Verfahrensbestimmung hätten
erkennen können. Allerdings vermag nur eine grobe prozessuale Unsorgfalt der
betroffenen Partei oder ihres Anwaltes eine falsche Rechtsmittelbelehrung
aufzuwiegen. Nicht verlangt wird insbesondere, dass neben dem Gesetzestext auch
noch die einschlägige Rechtsprechung oder Literatur nachgeschlagen wird (vgl.
zum Ganzen BGE 124 I 255). Fehlt eine Rechtsmittelbelehrung, so ist der
Empfänger gehalten, sich nach den in Frage kommenden Rechtsmitteln zu
erkundigen (vgl. BGE 119 IV 330 E. 1c; Kathrin Amstutz/Peter Arnold, Basler
Kommentar BGG, 2008, Art. 49 N. 12).
1.5
1.5.1 Der Rekurs nach § 402 Ziff. 9 StPO/ZH wird von der Kostenbeschwerde
gemäss § 206 i.V.m. § 108 ff. GVG/ZH nach der Lehre wie folgt abgegrenzt:
Rekurs ist zu führen, wenn es um die Beantwortung der Fragen geht, ob und in
welchem Mass eine Partei im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens Kosten zu
tragen hat, und ob die Kosten zu erlassen oder abzuschreiben sind. Die
Beschwerde hat dagegen zum Gegenstand, ob überhaupt Gebühren und Kosten und in
welcher Höhe sie erhoben werden dürfen (Robert Hauser/Erhard Schweri, Kommentar
zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, 2002, § 206 N. 2). Beschwerde ist
namentlich zu erheben bezüglich der Berechnung bzw. Festsetzung der
Entschädigungen der amtlichen Verteidigung durch das Gericht (Niklaus Schmid,
in: Andreas Donatsch/Niklaus Schmid [Hrsg.], Kommentar zur Strafprozessordnung
des Kantons Zürich, 1996, § 402 N. 33; Hauser/Schweri, a.a.O., § 108 N. 24;
Adrian Meili, Der Rekurs im Strafprozess nach zürcherischem Recht, Diss. Zürich
1968, S. 19).
Der Beschwerdeführer, welcher die Höhe der zugesprochenen amtlichen
Entschädigung beanstandet, hätte folglich den Beschluss des Bezirksgerichts
Dielsdorf vom 6. Dezember 2007 innert 10 Tagen mit Beschwerde statt innert 20
Tagen mit Rekurs anfechten müssen. Entscheidend ist jedoch insoweit, ob dies
für ihn bei Aufwendung der zumutbaren Sorgfalt - d.h. bei Konsultation der
massgeblichen Gesetzesbestimmungen, nicht aber der zitierten Literaturstellen -
erkennbar gewesen wäre.
Diese Frage ist - wie die Vorinstanz eingehend und überzeugend be-gründet hat -
zu bejahen. Aus der Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Bezirksgerichts
Dielsdorf vom 20. September 2007 kann in Bezug auf das zulässige Rechtsmittel
gegen den Beschluss vom 6. Dezember 2007 nichts abgeleitet werden. Nach dem
Wortlaut von § 402 Ziff. 9 StPO/ZH ist der Rekurs zwar unter gewissen
Voraussetzungen gegen Urteile, nicht aber gegen nachträgliche Beschlüsse von
Bezirksgerichten zulässig. Der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt konnte mithin
gestützt auf die Regelung in der StPO/ZH nicht mit guten Gründen davon
ausgehen, er könne den fraglichen Beschluss betreffend die Höhe der
festzusetzenden Entschädigung der amtlichen Verteidigung mittels Rekurs
anfechten. Wie die Vorinstanz zudem zutreffend erwogen hat, stützt sich der
Entschädigungsanspruch des Beschwerdeführers als amtlich bestellter Verteidiger
auf ein öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis und richtet sich damit direkt
gegen den Staat, weshalb es dem Beschwerdeführer als naheliegend hätte
erscheinen müssen, dass er kein strafprozessuales Rechtsmittel, sondern die
Beschwerde gemäss § 206 i.V.m. § 108 ff. GVG erheben musste. Zumindest aber
wäre er in dieser Konstellation gehalten gewesen, sich beim Bezirksgericht
Dielsdorf umgehend nach den in Frage kommenden Rechtsmitteln zu erkundigen, und
hätte nicht auf die Zulässigkeit des Rekurses vertrauen dürfen.
1.5.2 Gemäss § 207 GVG/ZH werden Gerichtsgebühren, welche die untere Instanz zu
niedrig angesetzt hat, von Amtes wegen erhöht, wenn das Verfahren an eine obere
Instanz weitergezogen, mithin dort anhängig gemacht wird. Diese Bestimmung
bildet einzig die Rechtsgrundlage für eine Erhöhung der (erstinstanzlichen)
Gerichtsgebühren, nicht aber für eine Erhöhung der Parteientschädigung. Im
Übrigen hat die Vorinstanz, wie dargelegt, die Eingabe des Beschwerdeführers
zutreffend als verspätet eingestuft und zu Recht einen Nichteintretensentscheid
gefällt, so dass sie sich nicht in materieller Hinsicht mit der Sache befassen
und sich auch die Frage der Erhöhung der Parteientschädigung nicht stellen
musste.
1.5.3 Schliesslich hat die Vorinstanz auch den Anspruch des Beschwerdeführers
auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 1 und 2 BV nicht missachtet. Eine
Gehörsverletzung im Sinne einer formellen Rechtsverweigerung liegt nach der
Praxis des Bundesgerichts vor, wenn eine Behörde auf eine ihr frist- und
formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber entscheiden
müsste (vgl. BGE 134 I 229 E. 2.3). Hingegen lässt sich aus dem Grundsatz des
rechtlichen Gehörs kein Anspruch ableiten, im Falle einer verspätet
eingereichten Eingabe vor Erlass eines Nichteintretensentscheids angehört zu
werden.

2.
Die Beschwerde ist folglich vollumfänglich abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich,
Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Februar 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Stohner