Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.64/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_64/2008 /hum

Urteil vom 14. April 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Monika Kocherhans,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Aabachstrasse 1, 6301 Zug,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Einstellungsverfügung (Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission,
vom 5. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
X.________ erlitt am 29. September 2005 einen Arbeitsunfall. Auf einer
Baustelle in Risch verschob er ein Stromkabel, das ihn behinderte. Darauf
setzte sich die von A.________ daran angeschlossene Wandsäge in Gang, bewegte
sich durch das rotierende Sägeblatt auf X.________ zu und verletzte ihn am
linken Oberschenkel und am linken Zeigefinger schwer.

Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen wurden A.________ als Beschuldigter,
X.________ und der Vorgesetzte von A.________, B.________, als
Auskunftspersonen einvernommen. In der Folge konstituierte sich X.________ als
Privatkläger und stellte gegen A.________ Strafantrag wegen Körperverletzung.

Am 30. Mai 2006 übermittelte das Untersuchungsrichteramt des Kantons Zug die
Ermittlungsakten des Strafverfahrens gegen X.________, A.________ und
B.________ zwecks Beurteilung durch Strafbefehl an das Einzelrichteramt des
Kantons Zug. Dieses sandte die Akten zurück mit der Begründung, der Sachverhalt
sei nicht hinreichend abgeklärt, bzw. es sei eine Einstellung des Verfahrens
gegen alle Beteiligten zu prüfen; im Fall von X.________ erscheine dies
gestützt auf Art. 66bis StGB unter jedem Titel angezeigt.

Am 25. Juni 2007 stellte das Untersuchungsrichteramt die Strafuntersuchung
gegen X.________ wegen Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde
sowie jene gegen A.________ und B.________ wegen desselben Vorwurfs sowie
fahrlässiger Körperverletzung ein. Die Kosten nahm es auf die Staatskasse. Die
Einstellung des Verfahrens gegen X.________ begründete es mit dem Hinweis auf
Art. 54 StGB (welcher dem altrechtlichen, bis Ende 2006 in Kraft stehenden Art.
66bis StGB entspricht), wonach von der Strafverfolgung abzusehen ist, wenn der
Täter durch die unmittelbaren Folgen seiner Tat so schwer betroffen ist, dass
eine Strafe unangemessen wäre. Das Verfahren gegen A.________ und B.________
wurde eingestellt mit der Begründung, ihnen könne kein pflichtwidriges
Verhalten vorgeworfen werden, und es würde zudem an einem Kausalzusammenhang
zwischen einer allfälligen Sorgfaltspflichtverletzung und dem
tatbestandsmässigen Erfolg fehlen.
Die Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug hiess die Beschwerde von
X.________ gegen diesen Entscheid am 5. Dezember 2007 teilweise gut und wies
das Untersuchungsrichteramt an, die Strafuntersuchung gegen A.________ und
B.________ fortzusetzen. In Bezug auf die Einstellung des Verfahrens gegen ihn
selber trat sie auf die Beschwerde mit der Begründung nicht ein, mit der
Verfahrenseinstellung liege ein für ihn günstiger Entscheid vor, weshalb er
kein aktuelles Rechtsschutzinteresse an seiner Anfechtung habe. Massgebend für
die Beurteilung der Frage, ob ein günstiger Entscheid vorliege, sei allein das
Dispositiv. Im Übrigen sei zwar die Formulierung des Untersuchungsrichteramts
missverständlich und voreilig, wonach X.________ beim unbestrittenen
Verschieben des Stromkabels auch den Handschalter der Säge betätigt haben
müsse. Es werde indessen auch festgehalten, dass die Gründe für die
Ingangsetzung der Säge letztlich ungeklärt seien, und mit dem Hinweis auf Art.
54 StGB werde keineswegs zum Ausdruck gebracht, er sei strafrechtlich
verantwortlich, sondern nur, eine Bestrafung falle ausser Betracht,
gleichgültig darum, ob ihn ein strafrechtliches Verschulden treffe.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, den Entscheid des
Untersuchungsrichteramts aufzuheben, soweit damit das Strafverfahren gegen ihn
eingestellt wird, und denjenigen der Justizkommission, soweit auf seine
Beschwerde dagegen nicht eingetreten wird. Die Angelegenheit sei ans
Untersuchungsrichteramt zurückzuweisen mit der Anordnung, ihn selber und
weitere Beteiligte einzuvernehmen und nach Abschluss der Untersuchung erneut
über deren Einstellung bzw. Überweisung zu entscheiden.

C.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Anwendung von Art. 54 StGB setze
voraus, dass kein ernsthafter Zweifel an seiner strafrechtlichen Schuld
bestehe. Mit der Einstellung des Verfahrens in Anwendung dieser Bestimmung
stelle die Strafverfolgungsbehörde fest, dass er eine Straftat begangen habe,
welche aber nicht weiter verfolgt werde, da er sich dadurch selbst schwer
beeinträchtigt habe. Er habe ein rechtlich geschütztes Interesse, sich gegen
die der Verfahrenseinstellung nach Art. 54 StGB zu Grunde liegende
Feststellung, er habe den Tatbestand von Art. 229 StGB in objektiver und
subjektiver Hinsicht erfüllt, zur Wehr zu setzen. Die Justizkommission sei
daher auf seine Beschwerde zu Unrecht nicht eingetreten.

1.2 Der Beschwerde in Strafsachen unterliegt entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers allein das Urteil der Justizkommission (Art. 80 Abs. 1 BGG).
Es ist daher zu prüfen, ob diese mit ihrem Nichteintretensentscheid Bundesrecht
verletzt hat.

Nach dem klaren Wortlaut von Art. 54 StGB ist nicht der Strafrichter allein
befugt, im Fall einer Verurteilung von einer Bestrafung Umgang zu nehmen.
Vielmehr kann bereits die Untersuchungsbehörde in Anwendung dieser Bestimmung
von weiterer Strafverfolgung oder einer Überweisung ans Gericht absehen, in
einem Zeitpunkt also, indem die strafrechtliche Schuld des Angeschuldigten
keineswegs feststeht. Wie die Justizkommission im angefochtenen Entscheid zu
Recht darlegt, hat das Untersuchungsamt das Verfahren entgegen einzelner
zweifelhafter Formulierungen mit der Begründung eingestellt, der
Beschwerdeführer sei durch die erlittenen Verletzungen so schwer betroffen,
dass eine weitere Strafverfolgung in jedem Fall unangemessen sei. Darin liegt
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers offensichtlich kein
Schulderkenntnis, das Untersuchungsamt hat die Frage der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers vielmehr explizit offen gelassen.
Mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen präjudiziert der
Einstellungsentscheid des Untersuchungsrichteramts weder die weiter laufenden
Strafverfahren gegen A.________ und B.________ noch allfällige zivil- oder
opferhilferechtliche Ansprüche des Beschwerdeführers gegen diese beiden. Die
Justizkommission konnte damit dem Beschwerdeführer ohne Bundesrechtsverletzung
ein rechtlich geschütztes Anfechtungsinteresse absprechen und auf die
Beschwerde nicht eintreten. Die Rüge ist unbegründet.

2.
Somit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Justizkommission, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. April 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Störi