Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.636/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_636/2008/sst

Urteil vom 26. Dezember 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg, Rue de Zaehringen 1, 1700 Freiburg,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Clerc,

Gegenstand
Angriff, Nötigung; Vergehen gegen das Waffengesetz,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, Strafappellationshof,
vom 22. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ half Y.________ und Z.________ bei der Bewachung ihrer Hanffelder,
die sie im Sommer 2004 bewirtschafteten. Am 29. September 2004 gegen 01.30 Uhr
informierte Y.________ X.________ telefonisch, dass sich im Hanffeld Brünisried
fünf bis sechs Personen aufhielten. Zusammen mit Z.________ fuhren sie in
Richtung Brünisried. Y.________ hatte sein Repetiergewehr mit Gummigeschossen,
Z.________ seine Pistole und X.________ seinen Revolver bei sich. Unterwegs
holten sie den Hanffeldbewacher A.________ ab. Danach waren sie in zwei
Fahrzeugen unterwegs, wobei Y.________ das eine und X.________ das andere
lenkte. Gegen 04.00 Uhr fuhren B.________ und C.________ in einem Chevrolet von
Brünisried in Richtung der beiden Fahrzeuge von X.________ und Y.________.
Y.________ stellte sein Fahrzeug auf die Wiese, während X.________ mit seinem
Fahrzeug auf der Strasse wartete. Als der Chevrolet an Y.________ vorbeifuhr,
fuhr dieser von hinten an den Chevrolet heran. X.________ und A.________
begaben sich auf die Beifahrerseite und Y.________ und Z.________ auf die
Fahrerseite. B.________ und C.________ stiegen beide aus und Letzterer ergriff
die Flucht. X.________ holte ihn ein, warf ihm einen Stock zwischen die Beine,
so dass C.________ zu Fall kam, und schlug ihm mehrmals mit der Faust ins
Gesicht. A.________ kam dazu und stiess C.________ den Stock in den Bauch,
während X.________ auf C.________ sass. In der Folge hielt A.________ den am
Boden liegenden C.________ fest, während X.________ ihm mit dem Stock mehrere
Male mit voller Kraft auf den Unterkörper schlug. Zugleich mit der Attacke auf
A.________ erfolgte jene durch Y.________ und Z.________ auf B.________,
welcher ebenfalls verletzt wurde.

B.
Das Bezirksstrafgericht Sense verurteilte X.________ am 6. Juli 2007 zu einer
bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten sowie zu einer Busse von Fr. 2'000.--
wegen Angriffs, Vergehens gegen das Waffengesetz und Nötigung. Die von
X.________ dagegen erhobene Berufung hiess das Kantonsgericht Freiburg,
Strafappellationshof, mit Urteil vom 22. Juli 2008 teilweise gut. Es sprach
X.________ wegen qualifizierter einfacher Körperverletzung und Vergehens gegen
das Waffengesetz, begangen in einem Notwehrhilfeexzess, schuldig. Es
verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 100.--
sowie zu einer Busse von Fr. 2'000.--. Im Übrigen sprach es ihn frei bzw.
stellte es das Verfahren ein.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons
Freiburg, das Urteil des Strafappellationshofes sei aufzuheben. X.________ sei
schuldig zu sprechen des Angriffs, der Nötigung sowie des Vergehens gegen das
Waffengesetz und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten sowie zu
einer Busse von Fr. 2'000.-- zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache an die
Vorinstanz zwecks Neubeurteilung im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen
zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin rügt den Freispruch vom Vorwurf des Angriffs.

1.1 Wer sich an einem Angriff auf einen oder mehrere Menschen beteiligt, der
den Tod oder die Körperverletzung eines Angegriffenen oder eines Dritten zur
Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft
(Art. 134 StGB).
Beim Angriff geht es wie auch beim Raufhandel darum, Beweisschwierigkeiten zu
vermeiden, weil im Nachhinein oft nicht mehr festgestellt werden kann, wer
welchen Beitrag geleistet resp. welchen Erfolg bewirkt hat. Art. 134 StGB
bestraft nur die im Angriff liegende abstrakte Gefährdung (Peter Aebersold,
Basler Kommentar Strafrecht I, 2. Aufl. 2007, Art. 134, N 1). Der Vorsatz
richtet sich auf die Beteiligung am Angriff, nicht aber auf die Todes- oder
Verletzungsfolge. Ist die vorsätzliche oder fahrlässige Tötung oder
Körperverletzung eines Teilnehmers durch einen bestimmten anderen Beteiligten
an der tätlichen Auseinandersetzung nachgewiesen, ist dieser neben Art. 134
StGB auch nach Art. 111 ff. bzw. Art. 122 ff. StGB zu verurteilen. War jedoch
der Verletzte die einzige angegriffene Person, wird Art. 134 StGB durch den
Verletzungstatbestand konsumiert (BGE 118 IV 227 E. 5b S. 229 mit Hinweisen).

1.2 Die Vorinstanz würdigt die Faust- und Stockschläge gegenüber C.________als
qualifizierte einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Weil
C.________ der einzige Angegriffene gewesen sei, werde der Angriff durch die
Körperverletzung konsumiert (angefochtenes Urteil E. 4d S. 9).

1.3 Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die Vorinstanz habe verbindlich
festgestellt, dass beide Insassen des Chevrolets tätlich angegriffen und
verletzt wurden. Die Angreifer seien nicht nur darauf bedacht gewesen, ihr
Eigentum an den Hanfpflanzen zu schützen und Diebstähle zu verhindern, sondern
hätten in vollzogener Selbstjustiz Sachbeschädigungen und Körperverletzungen
begangen. Die Attacke auf die Insassen des Chevrolets sei als ein Angriff auf
zwei Opfer zu würdigen und nicht als zwei getrennt und unabhängig voneinander
durchgeführte Angriffe auf je ein Opfer. Darüber hinaus widerspreche es dem
Rechtsempfinden, die Bestrafung einer Attacke, welche bloss einem Opfer galt,
bei einer einfachen Körperverletzung von einem Strafantrag abhängig zu machen
und hingegen den Angriff auf mehrere Opfer stets von Amtes wegen zu verfolgen.
Entscheidend müsse sein, ob dem Täter ein Vorsatz bezüglich der vom Opfer
erlittenen Verletzungen nachgewiesen werden könne. Aus all diesen Gründen sei
der Beschwerdegegner in Idealkonkurrenz sowohl der Körperverletzung als auch
des Angriffs schuldig zu sprechen.

1.4 Die zwei Insassen des Chevrolets wurden nicht gemeinsam, sondern von zwei
verschiedenen Gruppen angegriffen. Durch diese Aufteilung erschienen die
Angriffe bereits äusserlich nicht als ein einheitliches Geschehen. Folglich ist
unbeachtlich, ob die Angriffe auf einem einheitlichen Willensakt beruhten oder
nicht. Durch die zwei räumlich voneinander getrennten Gruppen ergaben sich
keine Beweisschwierigkeiten, da C.________ in der einen Gruppe die einzige
angegriffene Person war. Der Beschwerdegegner hat bewusst mehrmals mit der
Faust und einem Stock auf diesen eingeschlagen, so dass sein Vorsatz bezüglich
der erlittenen Verletzungen nachweisbar ist. Somit ist die Vorinstanz zu Recht
davon ausgegangen, dass der Tatbestand des Angriffs durch jenen der
Körperverletzung konsumiert wird.

2.
Weiter rügt die Beschwerdeführerin den Freispruch vom Vorwurf der Nötigung.

2.1 Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch
andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu
unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe bestraft (Art. 181 StGB).
Die weite Umschreibung des Nötigungstatbestands hat zur Folge, dass nicht jedes
tatbestandsmässige Verhalten bei Fehlen von Rechtfertigungsgründen auch
rechtswidrig ist. Vielmehr bedarf die Rechtswidrigkeit bei Art. 181 StGB einer
zusätzlichen, besonderen Begründung. Eine Nötigung ist unrechtmässig, wenn das
Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum angestrebten Zweck
nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an
sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder
sittenwidrig ist (BGE 134 IV 216 E. 4.1 S. 218 mit Hinweisen).

2.2 Die Vorinstanz begründet den Freispruch vom Vorwurf der Nötigung mit der
fehlenden Rechtswidrigkeit. Der Beschwerdegegner habe die Insassen des
Chevrolets an der Weiterfahrt gehindert, um vermeintliche Hanfdiebe zu stellen.
Dieser Zweck sei nicht unerlaubt und auch die Relation zwischen dem Mittel (in
die Zange nehmen des Fahrzeugs) und dem Zweck (Aufhalten bzw. Stellen von
Hanfdieben) sei verhältnismässig (angefochtenes Urteil E. 5 S. 9).

2.3 Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz stelle die Vorgehensweise
des Beschwerdegegners faktisch als rechtskonforme vorläufige Festnahme im Sinne
von Art. 104 StPO FR dar. Entgegen der Darstellung der Vorinstanz habe sich
aber der vom Beschwerdegegner erstrebte Zweck keinesfalls darin erschöpft,
vermeintliche Hanfdiebe zu stellen. Der Beschwerdegegner habe den aus dem
Chevrolet aussteigenden C.________ nicht nur bis zur Ankunft der Polizei
festgehalten, sondern mit der Faust und einem Stock auf ihn eingeschlagen und
ihm dabei Körperverletzungen zugefügt. Die Durchsetzung der privaten
Selbstjustiz sei ein unerlaubter und rechtswidriger Zweck. In diesem Sinne habe
die Vorinstanz beim Vorwurf der Körperverletzung und des Vergehens gegen das
Waffengesetz das für die Notwehr geforderte mildeste Mittel verneint. Die
Vorinstanz hätte diesen Umstand auch bei der Nötigung berücksichtigen und den
verfolgten Zweck als rechtswidrig und unverhältnismässig werten müssen. Der
Beschwerdegegner sei deshalb der Nötigung schuldig zu sprechen.

2.4 Den vorinstanzlichen Ausführungen ist zu entnehmen, dass sich die Nötigung
auf die Hinderung des Geschädigten an der Weiterfahrt bezieht. Die Vorbringen
der Beschwerdeführerin beziehen sich demgegenüber auf die anschliessende
zugefügte Körperverletzung. Dass der Beschwerdegegner das Opfer während den
Schlägen festgehalten hat, wird als blosse Begleiterscheinung der
Körperverletzung konsumiert (vgl. BGE 104 IV 170 E. 2 S. 173 mit Hinweis).
Demgemäss hat die Vorinstanz die verabreichten Schläge zutreffend als
Körperverletzung und nicht als Nötigung gewürdigt. Auch diese Rüge erweist sich
als unbegründet, so dass sich die Prüfung der Einwände der Beschwerdeführerin
gegen die Strafzumessung erübrigt.

3.
Somit ist die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdeführerin sind keine
Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg,
Strafappellationshof, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Dezember 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz