Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.546/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_546/2008/bri

Urteil vom 27. November 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 9001 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwältin Karin Meyer,

Gegenstand
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Verweisungsbruch; gemeinnützige
Arbeit, Kosten und Entschädigung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom
14. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 9. Mai 2007 sprach das Kreisgericht Gaster-See (Gerichtsschreiber mit
einzelrichterlichen Befugnissen) X.________ des Verweisungsbruches und der
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig und bestrafte ihn mit
einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Auf Berufung des Verurteilten änderte
das Kantonsgericht St. Gallen die Strafe mit Entscheid vom 14. April 2008 in
240 Stunden gemeinnützige Arbeit. Es übertrug die Kosten des
Berufungsverfahrens dem Staat und entschädigte X.________ für seine private
Verteidigung mit Fr. 1'100.-- aus der Staatskasse.

B.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen erhebt Beschwerde in Strafsachen
und beantragt, die Ziffern 1, 3 und 4 des Entscheids des Kantonsgerichts St.
Gallen seien aufzuheben. Die Sache sei zur Verurteilung von X.________ zu einer
unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten zurückzuweisen.

C.
Die Vorinstanz und X.________ haben eine Vernehmlassung eingereicht, wobei der
Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz prüfte im Sinne von Art. 41 StGB, ob anstelle der
erstinstanzlich ausgefällten unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten eine
Geldstrafe von 60 Tagessätzen oder gemeinnützige Arbeit im Umfange von 240
Stunden anzuordnen sind. Sie lehnt eine Geldstrafe ab, da diese nicht
vollstreckt werden könne. Demgegenüber erachtet sie die Voraussetzungen für die
gemeinnützige Arbeit als erfüllt.

2.
2.1 Das Gericht kann auf eine vollziehbare Freiheitsstrafe von weniger als
sechs Monaten nur erkennen, wenn die Voraussetzungen für eine bedingte Strafe
(Art. 42) nicht gegeben sind und zu erwarten ist, dass eine Geldstrafe oder
gemeinnützige Arbeit nicht vollzogen werden kann (Art. 41 Abs. 1 StGB). Nach
Art. 37 StGB kann das Gericht mit Zustimmung des Täters an Stelle einer
Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 180
Tagessätzen gemeinnützige Arbeit von höchstens 720 Stunden anordnen (Abs. 1).
Die gemeinnützige Arbeit ist zu Gunsten sozialer Einrichtungen, Werken in
öffentlichem Interesse oder hilfsbedürftiger Personen zu leisten. Sie ist
unentgeltlich (Abs. 2).

2.2 Die Anordnung von gemeinnütziger Arbeit rechtfertigt sich nur, solange
wenigstens Aussicht besteht, dass der Betroffene auch nach einem allfälligen
Strafvollzug für sein Fortkommen in der Schweiz bleiben darf. Denn Sinn der
Arbeitsstrafe ist die Wiedergutmachung zu Gunsten der lokalen Gemeinschaft
sowie die Erhaltung des sozialen Netzes des Verurteilten. Dort, wo ein Verbleib
des Ausländers aber von vornherein ausgeschlossen ist, lässt sich dies nicht
erreichen. Besteht demnach bereits im Urteilszeitpunkt kein Anwesenheitsrecht
oder steht fest, dass über seinen ausländerrechtlichen Status endgültig
entschieden worden ist und er die Schweiz verlassen muss, hat die gemeinnützige
Arbeit als unzweckmässige Sanktion auszuscheiden (BGE 134 IV 97 E. 6.3.3.4 S.
110).

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, der Beschwerdegegner
habe sich weder im Urteilszeitpunkt vor erster noch vor zweiter Instanz legal
in der Schweiz aufgehalten. Mit Entscheid vom 14. Oktober 2002 habe das
Bundesamt für Flüchtlinge seine sofortige Wegweisung aus der Schweiz verfügt.
Die Vorinstanz gehe willkürlich davon aus, der Beschwerdegegner würde im
Zeitpunkt der Wiedereinreise über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen.
Objektiv betrachtet bestehe selbst im heutigen Zeitpunkt nicht ansatzweise eine
einigermassen realistische Aussicht für ein legales Wiedereinreisen bzw. sein
Verbleiben in der Schweiz nach einem allfälligen Strafvollzug. Sodann habe sich
die Vorinstanz bei der Abwägung, ob gemeinnützige Arbeit anzuordnen sei, einzig
damit beschäftigt, ob der Beschwerdegegner im Vollzugszeitpunkt eine
Aufenthaltsbewilligung haben werde. Auf die Aspekte der Zweckmässigkeit, der
Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie der präventiven
Effizienz sei sie mit keinem Wort eingegangen.

3.2 Die Vorinstanz hält fest, der Beschwerdegegner habe schon im Zeitpunkt des
erstinstanzlichen Verfahrens in einer relativ stabilen Situation gelebt, als er
offenbar eine Beziehung zu einer Schweizerin einging, zeitweise bei dieser
wohnte und beabsichtigte, sie zu heiraten. Zum anderen sei zu berücksichtigen,
dass er die Schweiz (freiwillig) verlassen habe. Ein Vollzug des heutigen
Urteils in der Schweiz sei daher auf jeden Fall erst möglich, wenn er über
stabile Verhältnisse verfüge. Denn eine Einreise in die Schweiz (zwecks oder
nach seiner Heirat) werde erst erfolgen können, wenn die Verhältnisse geordnet
seien. Dass dannzumal der Vollzug der gemeinnützigen Arbeit ausgeschlossen
werden könne, sei aus heutiger Sicht nicht anzunehmen.

3.3 Im Lichte der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtes sind
die Voraussetzungen für die gemeinnützige Arbeit im vorliegenden Fall nicht
erfüllt. Der Beschwerdegegner befindet sich im Ausland und ist zum jetzigen
Zeitpunkt nicht berechtigt, in die Schweiz einzureisen. Die blosse Absicht,
seine Schweizer Freundin zu heiraten, vermag daran nichts zu ändern. Ob eine
spätere Einreise in die Schweiz möglich sein wird, ist offen. Noch weniger kann
von einer konkreten Aussicht auf ein Bleiberecht gesprochen werden. Nicht von
Bedeutung ist schliesslich, dass auch eine Freiheitsstrafe im heutigen
Zeitpunkt nicht vollzogen werden könnte.

4.
Die Beschwerde ist damit gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und
die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem
Ausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem unterliegenden Beschwerdegegner
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der obsiegenden Beschwerdeführerin ist
gestützt auf Art. 68 Abs. 3 BGG keine Entschädigung zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutheissen, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom
14. April 2008 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. November 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz