Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.520/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_520/2008 /hum

Urteil vom 28. Oktober 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari,
Gerichtsschreiber Thommen.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Dr. Urs Oswald,

gegen

Aa.________, Ab.________, Ac.________,
B.________,
Beschwerdegegner,
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Becker,
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Fahrlässige Tötung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 24. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, am 2. November 2005 den Tod von
Ad.________ (Jahrgang 1991) fahrlässig verursacht zu haben. Um zirka 17.45h
fuhr er mit übersetzter Geschwindigkeit auf der Farnstrasse in Wohlen in
Richtung Muri. Er kollidierte mit Ad.________, welche im Begriff war mit ihrem
Fahrrad die Farnstrasse zu überqueren. Diese erlag ihren Verletzungen noch auf
der Unfallstelle. Im Bereich der Unfallstelle beträgt die zulässige
Höchstgeschwindigkeit 80 km/h.

B.
Mit Urteil vom 24. April 2008 befand das Obergericht des Kantons Aargau den
Beschwerdeführer in zweiter Instanz der fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB) für
schuldig. Es bestrafte ihn mit neun Monaten Gefängnis. Als Folge einer
Vorstrafe wegen grober Verkehrsregelverletzung und des Umstands, dass ihm der
Führerausweis bereits sieben Mal wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen
entzogen worden war, stellte die Vorinstanz eine ungünstige Legalprognose. Die
Gefängnisstrafe wurde daher unbedingt ausgefällt.

C.
Der Beschwerdeführer führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die
Aufhebung des obergerichtlichen Urteils sowie einen Freispruch.

D.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer bestreitet, die Höchstgeschwindigkeit überschritten zu
haben. Die diesbezüglichen Feststellungen der Vorinstanz seien willkürlich.

1.1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem
Recht sowie behauptete Mängel in der Sachverhaltsfeststellung prüft das
Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht
und substantiiert begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 IV 286 E.
1).

1.2 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor,
wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem
offenkundigen Fehler beruhen (BGE 134 I 140 E. 5.4; 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86
E. 2a m.H.).

1.3 Die Vorinstanz stützt sich bei der Beurteilung der Geschwindigkeit auf das
amtliche Gutachten vom 15. Februar 2007 des Experten E.________ vom
Wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei Zürich. Die Fahrradfahrerin wurde
durch die Kollision rund 36 Meter ("Längs-Wurfweite") in das neben der Strasse
liegende Feld geschleudert. Die "Quer-Wurfweite" betrug rund 10 Meter (amtl.
Gutachten S. 12 f.; kant. act. 214 f.). Daraus liess sich eine
Kollisionsgeschwindigkeit von mindestens 90 km/h errechnen. Diese
Temposchätzung entspricht auch dem Geständnis des Beschwerdeführers, wonach er
"wohl etwa 10 km/h zuviel drauf gehabt habe" (angefochtenes Urteil S. 15). Im
erstinstanzlichen Verfahren anerkannte er zudem den Vorwurf der Missachtung der
Höchstgeschwindigkeit (Gerichtsakten erste Instanz act. 52 und 56). Vor diesem
Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern die vorinstanzlichen
Feststellungen zur Höchstgeschwindigkeit willkürlich sein resp. die
Unschuldsvermutung verletzen sollten.

1.4 Auch die übrigen tatsächlichen Beanstandungen (z.B. "Medienecho",
Beschwerde S. 4; Obergutachten; 'Auslaufort', Beschwerde S. 8 f.) erweisen sich
als rein appellatorische Kritik. Der Beschwerdeführer legt damit lediglich
seine Sicht des Unfallgeschehens resp. seine Interpretation der Gutachten dar,
ohne aufzuzeigen, welche verfassungsmässigen Rechte des Beschwerdeführers damit
verletzt worden sein sollen. Darauf ist nicht weiter einzugehen. Auf die
Ausführungen zur unterbliebenen Verurteilung wegen Überschreitens der
Höchstgeschwindigkeit ist mangels Beschwer nicht einzutreten (Beschwerde S. 10
f., angefochtenes Urteil S. 27 unten).

2.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Vorwurf der
Sorgfaltspflichtverletzung im Zusammenhang mit der
Geschwindigkeitsüberschreitung.

2.1 Nach Art. 32 Abs. 1 SVG ist die Geschwindigkeit stets den Umständen
anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den
Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Nach Art. 4 der der
Verkehrsregelverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) darf der
Fahrzeugführer nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überblickbaren
Strecke halten kann (Abs. 1). Er muss die Geschwindigkeit mässigen und
nötigenfalls halten, wenn Kinder im Strassenbereich nicht auf den Verkehr
achten (Abs. 3). Gemäss Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV beträgt die allgemeine
Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge unter günstigen Strassen-, Verkehrs- und
Sichtverhältnissen ausserhalb von Ortschaften 80 km/h.

2.2 Die Einschätzung der Sorgfaltspflichten durch die Vorinstanz verletzt kein
Bundesrecht (vgl. angefochtenes Urteil S. 22 ff.). Abgesehen davon, dass die
festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung von 10 km/h schon für sich
betrachtet eine Pflichtwidrigkeit darstellt, konnte von ihm - entgegen seinen
Vorbringen - angesichts der Sichtverhältnisse in der einsetzenden Dämmerung und
dem herrschenden regen Verkehr sehr wohl verlangt werden, langsamer als die
maximal erlaubten 80 km/h zu fahren. Die Beschwerde ist insoweit abzuweisen.

3.
Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Oktober 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Thommen