Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.51/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_51/2008 /hum

Urteil vom 2. Mai 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Yves Abelin,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Nichtzulassung einer Anklage (Ehrverletzungen),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 30. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 1. März 2007 reichte X.________ beim Bezirksgericht Zürich gegen A.________
Privatstrafklage wegen Ehrverletzung ein. Dabei ging es um einen Leserbrief in
einer international erscheinenden galizischen Zeitung. Darin wurde die
Arbeitsqualität von X.________ kritisiert, die bei der Vereinigung "Y.________"
angestellt war.

B.
Mit Verfügung vom 11. Mai 2007 liess der Einzelrichter in Strafsachen des
Bezirkes Zürich die Anklage betreffend Ehrverletzung nicht zu. Ein von
X.________ dagegen erhobener Rekurs wurde vom Obergericht des Kantons Zürich,
III. Strafkammer, am 30. November 2007 abgewiesen.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, der Beschluss des
Obergerichtes sei aufzuheben und die Anklage vom 1. März 2007 sei zuzulassen.
Im Eventualfall sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Im Kanton Zürich sind Ehrverletzungsklagen auf dem Weg der Privatstrafklage zu
betreiben (§ 287 StPO/ZH). Das Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass der
Verletzte anstelle der sonst mit dieser Aufgabe betrauten staatlichen Organe
die Rolle des Anklägers übernimmt und eine Verurteilung des Beschuldigten
anstrebt (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage 2004, N. 871 S. 339).
Die Beschwerdeführerin ist somit, weil sie nach dem kantonalen Recht die
Anklage ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft zu vertreten hat, zur
Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG).

2.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, folgende Passagen des inkriminierten
Leserbriefes seien im Sinne von Art. 173 ff. StGB ehrverletzend:
"(...) Ich habe nur 10 Minuten, um Ihnen zu helfen, nehmen Sie also Platz (sie
geht drei Stunden früher als vorgesehen und ohne vorher Bescheid zu geben) und
Sie kann ich nicht mehr bedienen."
"Wenn man versucht, ihr zu widersprechen, ist es einfach zu sagen, ich bin
ausreichend informiert, ich habe ein Lizentiat, einen Master und arbeite beim
SECO oder wenn wir hier fertig sind, geht ihr alle in die Bar und habt
garantiert überhaupt nichts von dem kapiert, was ich euch gesagt habe. Wenn sie
aus irgendeinem Grund sich bei einem Verein entschuldigen muss, dann gibt sie
letztendlich diesem die Schuld. Kurz, die Bescheidenheit und gute Kinderstube
dieses Mädchens ist klar."
"Und dann verletzt sie den Arbeitsvertrag und geht drei Stunden früher, ohne
zuvor Bescheid zu sagen, und lässt die Leute verblüfft sitzen, ohne sich in
irgendeiner Weise zu entschuldigen."
"Das Schlimmste dabei ist, dass sie sich selbst niemals die Schuld gibt. Immer
ist es die Ignoranz der Leute, sind es Missverständnisse oder der Tratsch in
der Bar, schliesslich gibt es nichts Schriftliches."

2.1 Gemäss den Ausführungen im erstinstanzlichen Entscheid, auf den die
Vorinstanz verweist, war die Beschwerdeführerin von der Vereinigung
"Y.________" auf Teilzeitbasis als Mitarbeiterin und Betreuerin von in der
Schweiz wohnhaften galizischen Immigranten angestellt. Die Vereinigung
untersteht dem Patronat der galizischen Regierung und bezweckt unter anderem,
den Zusammenhalt und den Informationsaustausch zwischen Ausland-Galiziern zu
erhalten und zu stärken. Aufgabe der Beschwerdeführerin war es, den regionalen
Vereinen für Referate und individuelle Beratung im Zusammenhang mit der
Organisation der Rückkehr zur Verfügung zu stehen.

2.2 Die Vorinstanz erachtet die eingeklagten Textstellen im Leserbrief einzig
als Angriff auf die Berufsehre und nicht zugleich auf die sittliche Ehre der
Beschwerdeführerin. So werde der Beschwerdeführerin zunächst Unerfahrenheit und
"Mangel an ausreichenden Informationen" vorgeworfen und in der Folge
ausdrücklich auf ihre angeblich mangelnde berufliche Qualifikation hingewiesen.
Dies werde anhand von Beispielen ausgeführt, die sich - auch wenn in einem
relativ persönlichen Ton gehalten - wie die übrigen Vorwürfe ausschliesslich
auf die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin beziehen würden. Im Kontext
werde ihre sittliche Ehre nicht tangiert. Im erstinstanzlichen Entscheid wird
zudem darauf hingewiesen, dass es nicht von Belang sei, ob die
Beschwerdeführerin die im Leserbrief aufgeführten Antworten in den Beratungen
tatsächlich so oder anders gegeben habe und ob tatsächlich häufig entsprechende
Beschwerden laut geworden seien. Auch die Vorwürfe der fehlenden Bescheidenheit
und guten Kinderstube wie auch der Überwälzung der Schuld an andere hätten bei
der gebotenen objektiven Leseart einen klaren Bezug zur beruflichen
Aufgabenerfüllung. Sie würden allenfalls die subjektiven Eindrücke aufgrund des
Verhaltens bei der Beratungstätigkeit wiedergeben, was bei der Frage, ob
dadurch die sittliche Ehre massgeblich mitbeeinträchtigt werde, mitzubedenken
sei. Unbescheiden zu sein, die Schuld bei anderen zu suchen und über keine gute
Kinderstube zu verfügen seien nun aber - zumal in Verbindung mit beruflichem
Verhalten geäussert - keine Kritiken, welche in relevanter Weise geeignet
seien, die Beschwerdeführerin als auch allgemein unanständigen und
verachtenswürdigen Menschen abzuqualifizieren und insofern die sittliche Ehre
mit zu beeinträchtigen. Unbescheidenheit, Unfähigkeit zur Schuldanerkennung und
fehlende gute Erziehung würden den Menschen - soweit es nicht ohnehin vom
Betreffenden persönlich nicht zu verantwortende Eigenschaften seien und daher
keine moralisch verwerfliche Tat darstellten - unter dem Gesichtswinkel der
"Durchschnittsmoral" nicht generell zu einem unehrbaren, charakterlich
unanständigen Menschen machen.

3.
3.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung umfasst die Ehre im
strafrechtlichen Sinne insbesondere die Wertschätzung eines Menschen, die er
bei seinen Mitmenschen tatsächlich geniesst, bzw. seinen Ruf, ein ehrbarer
Mensch zu sein. Der strafrechtliche Schutz beschränkt sich damit grundsätzlich
auf den menschlich-sittlichen Bereich (BGE 119 IV 44 E. 2a S. 46 f. mit
Hinweisen). Äusserungen, die sich lediglich eignen, jemanden in anderer
Hinsicht, zum Beispiel als Geschäfts- oder Berufsmann, als Politiker oder
Künstler in der gesellschaftlichen Geltung herabzusetzen, gelten nicht als
ehrverletzend. Voraussetzung ist aber, dass die Kritik an den strafrechtlich
nicht geschützten Seiten des Ansehens nicht zugleich die Geltung der Person als
ehrbarer Mensch trifft (BGE 117 IV 27 E. 2c S. 28 f. mit Hinweisen). Für die
Beurteilung der Frage, ob eine Äusserung ehrverletzend sei, ist massgebend,
welchen Sinn ihr der unbefangene Hörer oder Leser nach den Umständen beilegen
musste (BGE 118 IV 248 E. 2b S. 251 mit Hinweisen).

3.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat sich die Vorinstanz an
diese Rechtsprechung gehalten, wenn sie zum Schluss gelangt, die eingeklagten
Äusserungen im Leserbrief seien nicht ehrverletzend. Die Einwände in der
Beschwerdeschrift sind nicht geeignet, die durchaus überzeugenden Erwägungen
der kantonalen Instanzen in Frage zu stellen. Weshalb die Vorinstanz den
Sachverhalt unvollständig festgestellt haben soll, wie geltend gemacht wird,
ist nicht einsichtig. Dass die Zeitung "Galicia en el Mundo" wöchentlich
erscheint und von galizischen Immigranten mit starkem Heimatgefühl gelesen
wird, welche von einer eigens für sie ausgewählten Beraterin ein verstärktes
Mass an Verständnis erwarten, kann an der vorinstanzlichen Beurteilung nichts
ändern. Selbst wenn die Leserschaft als Empfänger des in Frage stehenden
Leserbriefes für Angriffe auf Eigenschaften der persönlichen Ehre besonders
sensibel sein sollte, bleibt es dabei, dass sich die Kritik im Einzelnen wie
auch gesamthaft auf die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin bezieht. Es
liegt in der Natur der Sache, dass entsprechende herabsetzende Äusserungen
nicht völlig losgelöst von der persönlichen Wertschätzung in Erscheinung
treten. Darauf kann es jedoch noch nicht ankommen. Entscheidend ist, ob eine
Äusserung für den unbefangenen Leser oder Hörer eindeutig über die Kritik an
den beruflichen Fähigkeiten und Leistungen hinausgeht, um als Angriff auf die
persönliche Ehre angesehen zu werden. Nur dann lässt sich sagen, es werde
zugleich die Geltung der Person als ehrbarer Mensch getroffen. Der vorliegende
Fall unterscheidet sich von den BGE 92 IV 94 und BGE 99 IV 148 zugrunde
liegenden Sachverhalten. Es ging dort einerseits um einen Apotheker, von dem
gesagt wurde, er sei unzuverlässig und man gebe den Leuten gerade was man
wolle. Anderseits betraf es einen Rechtsanwalt, den der Vorwurf traf, er bringe
einen Prozess nur deshalb in Gang, weil er allein daraus einen Nutzen ziehen
werde. In beiden Fällen war nicht nur das berufliche Ansehen, sondern auch die
Geltung als ehrbarer Mensch beeinträchtigt worden. Massgebend war letztlich,
dass mit den eingeklagten Äusserungen beiden Betroffenen das für ihren Beruf
wesentliche Vertrauen abgesprochen und ihnen gleichzeitig eine Verletzung ihrer
Standespflichten vorgeworfen wurde. Dies ging über die blosse Beeinträchtigung
des Ansehens als Apotheker bzw. Anwalt hinaus. Solches lässt sich im
vorliegenden Fall nicht sagen. Im beanstandeten Leserbrief wird die
Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Angestellte der
erwähnten Vereinigung kritisiert. Es werden ihr dabei Eigenschaften
abgesprochen, die für die spezifische Ausübung ihrer Tätigkeit unabdingbar
sind. Die Beschwerdeführerin weist selbst darauf hin, dass von ihr
Unterstützungsbereitschaft, Einfühlungsvermögen und Verständnis erwartet wurde.
Wenn sie im Leserbrief gerade in diesem Zusammenhang kritisiert wird, so wird
damit für den Aussenstehenden ihre berufliche Qualifikation und nicht ihre
Stellung als ehrbarer Mensch angesprochen. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin lässt sich nicht sagen, die Äusserungen würden beim
Durchschnittsleser der Zeitung das Gesamtbild einer unzuverlässigen und
verantwortungslosen Person vermitteln, welche sich über alle und alles in einer
charakterlosen Weise hinwegsetzt.

4.
Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, was zur Abweisung der
Beschwerde führt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. Mai 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz