Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.496/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_496/2008/sst

Urteil vom 10. Oktober 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Zünd,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Pius Huber, Weisses Schloss,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner, vertreten
durch Rechtsanwalt François Bernath.

Gegenstand
Kosten und Entschädigung,

Beschwerde gegen den Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich,
III. Strafkammer, vom 29. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 16. Mai 2001 reichte Y.________ beim Bezirksgericht Zürich Klage wegen
Verleumdung im Sinne von Art. 174 StGB, allenfalls wegen übler Nachrede im
Sinne von Art. 175 StGB gegen X.________ ein. Dabei ging es um das von diesem
an die Patienten des A.________Center versandte Rundschreiben vom 7. März 2001.
Darin wurden diverse Vorwürfe gegen Y.________ erhoben, so unter anderem, dass
eine Zusammenarbeit im A.________Center mit ihm nicht mehr möglich sei, weil er
sich Unregelmässigkeiten habe zuschulden kommen lassen und unter dem dringenden
Verdacht des gewerbsmässigen Betrugs und der massiven Überarztung stehe. Im
Übrigen sei ein Verfahren von Seiten der Krankenkasse wegen massiver
Überarztung gegen Y.________ bereits im Gang.

B.
Mit Verfügung vom 3. August 2006 trat der Präsident des Bezirksgerichts Zürich
auf die Anklage betreffend Verleumdung und übler Nachrede wegen
Verjährungseintritts nicht ein. Die Verfahrenskosten auferlegte er zu einem
Drittel Y.________ und zu zwei Dritteln X.________, wobei er letzteren überdies
zur Bezahlung einer reduzierten Prozessentschädigung in der Höhe von Fr.
6'000.-- verpflichtete. Dagegen gelangte X.________ an das Obergericht des
Kantons Zürich, welches den erhobenen Rekurs mit Beschluss vom 29. April 2008
abwies.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen wendet sich X.________ an das Bundesgericht. Er
verlangt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, eventuell dessen
Rückweisung an die Vorinstanz.

D.
Vernehmlassungen wurde keine eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beschwerde in Strafsachen kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG
erhoben werden. Ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 95 lit. c bis e BGG
bilden Verletzungen des kantonalen Rechts einen zulässigen Beschwerdegrund,
wenn sie einen Verstoss gegen Bundesrecht einschliesslich des Verfassungsrechts
oder gegen Völkerrecht darstellen (Art. 95 lit. a und b BGG; vgl. BGE 133 II
249 E. 1.2.1). Die Anwendung des kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht nur
auf Willkür hin (Art. 9 BV). Es hebt einen Entscheid auf, wenn er
schlechterdings unhaltbar ist, d.h. mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, auf einem offenkundigen Versehen beruht oder sich sachlich
in keiner Weise rechtfertigen lässt (BGE 133 III 589 E. 4.1; 131 I 217 E. 2.1,
467 E. 3.1).

2.
Nach dem Dafürhalten des Beschwerdeführers verstösst die vorinstanzliche
Kostenregelung (unter Einschluss der Entschädigungsfolgen) in verschiedener
Hinsicht gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV in Verbindung mit § 293 StPO/ZH)
und den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Seine
verfassungsmässigen Rechte seien insbesondere deshalb verletzt, weil ihm die
Vorinstanz die Verfahrenskosten mit einer wesentlich neuen Begründung auferlegt
habe, zu der er sich vorgängig nicht habe äussern können (E. 4.1), sie in ihren
Erwägungen fälschlicherweise davon ausgehe, das angehobene Strafverfahren wegen
gewerbsmässigen Betrugs sei unter "Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten
des Anzeigeerstatters", also zu seinen Lasten, eingestellt worden (E. 4.2), sie
im Weiteren ohne triftige Gründe von den Erkenntnissen des Gutachters diametral
abweiche (E. 4.3) und schliesslich die für die Bestimmung der Rechtswidrigkeit
erforderliche Interessenabwägung nicht vornehme (E. 4.4).

3.
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf die Zürcher Praxis erwogen, dass
vorliegend insbesondere zu prüfen sei, ob der Beschwerdeführer sich einerseits
die Einleitung des Ehrverletzungsverfahren durch die Verletzung rechtlicher
Pflichten (beispielsweise die aus Art. 28 ZGB folgende Pflicht, die
Persönlichkeitsrechte anderer nicht zu verletzen) vorwerfen lassen müsse, und
ob und in welchem Mass er andererseits durch sein Verhalten im Verfahren den
Eintritt der absoluten Verjährung der ihm zum Vorwurf gemachten Ehrverletzung
zu vertreten und die (Kosten)-Folgen zu tragen habe. Die Äusserungen im
Rundschreiben des Beschwerdeführers vom 7. März 2001 seien zweifellos
per-sönlichkeitsverletzend und damit unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten
widerrechtlich. Dass diese Persönlichkeitsverletzung durch ein überwiegendes
privates oder öffentliches Interesse gerechtfertigt werden könnte, sei nicht
ersichtlich. Zwar möge hinsichtlich der beruflichen Qualitäten eines Hausarztes
und seiner ärztlichen Tätigkeit oder etwa an der Meldung des Austritts eines
Arztes aus einer Gemeinschaftspraxis ein gesteigertes Informationsinteresse
seitens der Patienten bestehen. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, was der
Beschwerdeführer mit seinem Schreiben an die Patienten für die
Auseinandersetzung mit dem Beschwerdegegner über die Praxisauflösung hätte
erreichen wollen. Ein öffentliches oder privates Interesse an den (behaupteten)
Hintergründen, die zum Ausschied des Beschwerdegegners aus der Praxis geführt
haben sollen, sei nicht ersichtlich. Einziges Ziel des besagten Schreibens habe
deshalb nur sein können, das Vertrauen der Patienten in den Beschwerdegegner
als Arzt und Mensch zu zerstören und dadurch dessen berufliches Fortkommen zu
behindern. Ein solches Interesse sei nicht schützenswert. Auch aus der
fachärztlichen Begutachtung ergebe sich im Übrigen keine Bestätigung der durch
den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe. Zwar treffe auch nicht direkt das
Gegenteil zu. Die in den fachärztlich begutachteten Abrechnungen festgestellten
Mängel seien durch den Sachverständigen aber doch stark relativiert worden und
ein Grossteil der Beanstandungen auf das im A.________Center angewendete
(Block)-Abrechnungssystem zurückgeführt worden. Das gegen den Beschwerdegegner
angehobene Strafverfahren wegen gewerbsmässigen Betrugs sei denn auch
eingestellt worden. Damit ergebe sich, dass der Beschwerdeführer in
zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen Art. 28 ZGB und Art. 23 der
Standesregeln FMH verstossen und dadurch das Ehrverletzungsverfahren veranlasst
habe. Er müsse deshalb auch bei der Verfahrenseinstellung zufolge Verjährung
für die finanziellen Folgen seines Verhaltens einstehen.

4.
Die Vorbringen des Beschwerdeführers erweisen sich als nicht begründet. Im
Einzelnen ist dazu Folgendes festzuhalten:

4.1 Die Vorinstanz hat ihren Kostenentscheid ausführlich begründet. In ihren
Ausführungen hat sie auf die Begründung im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.
Dass ihre rechtlichen Erwägungen von denjenigen der ersten Instanz (teilweise)
abweichen, gibt dem Beschwerdeführer entgegen seiner Auffassung keinen Anspruch
auf eine diesbezügliche vorgängige Anhörung. Ein solcher Anspruch bestünde nur,
wenn die Vorinstanz ihren Entscheid mit einer rechtlichen Würdigung zu
begründen beabsichtigt hätte, die für ihn völlig überraschend gekommen wäre
(BGE 128 V 273 E. 5b/bb; 126 I 19 E. 2c/aa; Reinhold Hotz, St. Galler
Kommentar, Art. 29 BV N. 27 und 28). Davon kann hier aber nicht die Rede sein,
zumal es sowohl im erst- als auch im zweitinstanzlichen Verfahren erkennbar um
die Frage ging, ob er das Strafverfahren in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise
verursacht hat. Im Übrigen hätte sich der Beschwerdeführer mit einem Blick in
die kantonale Entscheidsammlung über die seit Jahren gefestigte Rechtsprechung
der Zürcher Gerichte zur Kostenauflage bei eingestellten
Ehrverletzungsverfahren Klarheit verschaffen können (vgl. Blätter für
zürcherische Rechtsprechung [ZR] 104 [2005] Nr. 51; 91/92 [1991/92] Nr. 21).
Die Beschwerde erweist sich insofern als unbegründet.

4.2 Wie sich aus den Akten ergibt, führen die beiden Ärzte ihre
Auseinandersetzung mit Vehemenz. So erstattete der Beschwerdeführer am 3. März
2001 gegen den Beschwerdegegner Strafanzeige wegen gewerbsmässigen Betrugs. Im
angefochtenen Entscheid weist die Vorinstanz darauf hin, dass dieses
Strafverfahren gemäss Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 28.
September 2007 eingestellt worden ist, und fügt an, die Einstellung sei unter
Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten des Beschwerdeführers erfolgt, was so
indes nicht stimmt. Das Bezirksgericht Zürich hat nämlich am 18. Januar 2008,
im Rahmen der gerichtlichen Beurteilung, die Kosten und Entschädigungen der
eingestellten Strafuntersuchung wegen gewerbsmässigen Betrugs auf die
Staatskasse genommen, weil es im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft davon
ausging, dass die Anzeigeerstattung des Beschwerdeführers gegen den
Beschwerdegegner wegen gewerbsmässigen Betrugs weder leichtfertig noch
verwerflich erfolgte. Die Vorinstanz hat das fragliche Urteil des
Bezirksgerichts in ihre Entscheidfindung zu Unrecht nicht mit einbezogen. Für
eine Aufhebung des Entscheids reicht das alleine aber nicht aus, weil der
Hinweis auf die Kostenauflage gemäss Einstellungsverfügung vom 28. September
2007 im angefochtenen Entscheid kein tragendes Element der vorinstanzlichen
Entscheidbegründung bildet. Im Übrigen ist bzw. war die Vorinstanz entgegen der
in der Beschwerde vertretenen Auffassung nicht an das bezirksgerichtliche
Urteil vom 18. Januar 2008 bzw. an die darin vorgenommene Würdigung zum
Anzeigeverhalten des Beschwerdeführers gebunden. Dieser verkennt bei seiner
Kritik, dass auch insoweit die Maxime der freien richterlichen Beweiswürdigung
(Art. 249 BStP) spielt.

4.3 Die Vorinstanz setzt sich im angefochtenen Entscheid mit den Gutachten von
B.________, dem Vertrauensarzt der C.________ Krankenversicherungen AG, vom 30.
September 2005 bzw. 18. Juli 2006 auseinander. In diesen Berichten kommt die
Besorgnis des Gutachters zur Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und
Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Arbeit des Beschwerdegegners zwar klar zum
Ausdruck, die festgestellten Mängel bei den Abrechnungen werden allerdings zum
Grossteil mit dem im A.________Center verwendeten fehleranfälligen (Block)
-Abrechnungssystem in Verbindung gebracht (Gutachten 2005, S. 7, 15, 17, 20,
Gutachten 2006, S. 10). Daraus hat die Vorinstanz im Wesentlichen abgeleitet,
dass es sich bei den gutachterlichen Beanstandungen im Grunde um systembedingte
Abrechnungsfehler des Beschwerdegegners handle, die höchstens im Grenzbereich
zur Überarztung einzustufen seien. Wie jedes andere Beweismittel sind auch
Gutachten von den Gerichten frei zu würdigen (Art. 249 BStP). Diese dürfen in
Fachfragen davon nicht ohne triftige Gründe abweichen. Umgekehrt kann das
Abstellen auf nicht schlüssige Gutachten gegen Art. 9 BV verstossen (BGE 134 IV
193 E. 2.3; 129 I 49 E. 4; 128 I 81 E. 2). Dass und inwiefern die Vorinstanz
mit ihrer Gutachtensbeurteilung diametral von den Erkenntnissen des
Sachverständigen abgewichen sein sollte, namentlich indem sie weite Teile der
Sachdarstellung des Beschwerdeführers als unwahr bezeichnet habe, ist nicht
ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer nicht hinreichend aufgezeigt. Er legt
nur dar, wie die fraglichen Gutachten aus seiner Sicht richtigerweise zu
würdigen gewesen wären, was für die Begründung von Willkür praxisgemäss nicht
genügt (BGE 133 II 249 E. 1.4.2; 130 I 258 E. 1.3). Dass die Vorinstanz
überdies von einem bundesrechtswidrigen Begriff der Überarztung ausgegangen
sein soll, ist ebenfalls nicht erkennbar. Die Beschwerde ist insofern
abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann.

4.4 Davon, dass die Äusserungen des Beschwerdeführers im Rundschreiben vom 7.
März 2001 geeignet waren, den Beschwerdegegner in seinen Persönlichkeitsrechten
gemäss Art. 28 ZGB zu verletzen, konnte die Vorinstanz ohne Willkür ausgehen.
Insoweit durfte sie die Widerrechtlichkeit der Äusserungen ohne weiteres
annehmen. Weiter wird im angefochtenen Entscheid zutreffend darauf hingewiesen,
dass eine Persönlichkeitsverletzung durch ein überwiegendes privates oder
öffentliches Recht gerechtfertigt werden kann. Das bedingt eine Abwägung der
auf dem Spiele stehenden Interessen. Dabei hat das Gericht insbesondere zu
prüfen, ob sowohl die Ziele, die der Urheber verfolgt, als auch die Mittel,
deren er sich bedient, schutzwürdig sind. Damit verbunden ist ein gewisses
Ermessen (BGE 126 III 305 E. 4a; siehe auch Urteil des Bundesgerichts vom 22.
Juni 2005, 1P.65/2005 E. 4.5). Die Vorinstanz hat entgegen dem in der
Beschwerde erhobenen Vorwurf eine solche Interessenabwägung im angefochtenen
Entscheid vorgenommen (vgl. vorne E. 3, S.4). Daran ändern die Vorbringen und
Einwände des Beschwerdeführers nichts. Insbesondere zielt die Kritik, die
Vorinstanz habe das öffentliche Interesse an der Einhaltung des KVG bzw. des
Tarifvertrags in willkürlicher Weise nicht in die Waagschale geworfen, ins
Leere, zumal sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Zusammenhang
(Praxisauflösung) auf ein solches Interesse mangels eines dahingehenden
Informationsbedürfnisses der Patienten des A.________Centers nicht berufen
kann. Die vorinstanzliche Würdigung lässt sich demnach unter
Willkürgesichtspunkten nicht beanstanden.

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf überhaupt
eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Oktober 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Arquint Hill