Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.488/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_488/2008 /hum

Urteil vom 1. Oktober 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Zünd,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Parteien
A.X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Dr. Peter Hollinger,

gegen

Generalprokurator des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Mehrfache Vergewaltigung, mehrfache einfache Körperverletzung etc.,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 3. Strafkammer,
vom 16. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Bern befand A.X.________ mit Urteil vom 16. Januar
2008 zweitinstanzlich schuldig, seine Ehefrau B.X.________ mehrfach
vergewaltigt (Art. 190 Abs. 1 und 3 StGB), mehrfach verletzt (Art. 123 Ziff. 1
Abs. 1 und Ziff. 2 StGB) und mehrfach bedroht (Art. 180 Abs. 1 und 2 lit. a
StGB) zu haben. Es erklärte ihn ausserdem schuldig der mehrfachen Tätlichkeiten
im Sinne von Art. 126 Abs. 1 und 2 lit. a StGB zum Nachteil seiner Kinder
C.X.________, geboren 8. Januar 2004, und D.X.________, geboren 13. April 2005.
Soweit A.X.________ erstinstanzlich vom Vorwurf der Tätlichkeiten zum Nachteil
seiner Kinder von circa Sommer 2003 bis Anfangs 2005 freigesprochen und dem
Verfahren gegen ihn wegen Drohung und einfacher Körperverletzung zum Nachteil
seiner Ehefrau von circa Sommer 2003 bis Ende März 2004 zufolge fehlenden
Strafantrags keine weitere Folge gegeben wurde, stellte das Obergericht die
Rechtskraft des Urteils des Kreisgerichts X Thun vom 7. Juni 2007 fest. Es
verurteilte A.X.________ zu 4 1/2 Jahren Freiheitsstrafe, unter Anrechnung der
erstandenen Untersuchungshaft, und zu einer Busse von Fr. 1'000.--.

B.
Dagegen führt A.X.________ Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die
Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine vollumfängliche Freisprechung. Im
Weiteren verlangt er die Ausrichtung einer Entschädigung für die erstandene
Polizei- und Untersuchungshaft und die Zusprechung einer solchen unter
Einschluss der Verteidigungskosten. Schliesslich ersucht er um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.

C.
Vernehmlassungen wurde keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung wegen Vergewaltigung,
Körperverletzung, Drohung und Tätlichkeiten. Nach seinem Dafürhalten verletzt
die Beweiswürdigung der Vorinstanz, insbesondere was die Würdigung der Aussagen
seiner Ehefrau anbelangt, das Willkürverbot (Art. 9 BV) und den Grundsatz "in
dubio pro reo" (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK). Überdies sei der
Tatsache, dass er seit dem 15. Mai 2007 wieder mit seiner Ehefrau zusammenlebe,
im angefochtenen Entscheid nur untergeordnete Bedeutung beigemessen worden, so
dass nicht von einer willkürfreien Beweiswürdigung durch die Vorinstanz
ausgegangen werden könne.

1.1 Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn das Gericht in seinem
Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 127 I 38 E.
2a S. 41; 125 I 166 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je mit Hinweisen).

1.2 Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten
Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet. Als
Beweiswürdigungsregel besagt sie, dass sich der Strafrichter nicht von einem
für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei
objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so
verwirklicht hat (vgl. BGE 127 I 38 E. 2a).

1.3 Die Vorinstanz geht im Rahmen ihrer sehr eingehenden und sorgfältigen
Beweiswürdigung von der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Ehefrau des
Beschwerdeführers aus, welche anlässlich ihrer Befragungen durch die Polizei
und die Untersuchungsrichterin Gewalttätigkeiten ihres Mannes gegenüber ihr und
in geringerem Ausmass gegenüber den gemeinsamen Kindern, Drohungen und
ungewollten Geschlechtsverkehr durch Körpergewalt und (in drei Fällen) unter
Einsatz eines Küchenmessers schilderte. Für die Vorinstanz sind die Aussagen
der Ehefrau des Beschwerdeführers detailliert, lebendig, originell, in sich
stimmig und konstant, ohne stereotyp zu sein. Eine Aggravierungstendenz sei
nicht auszumachen. Insgesamt lägen zahlreiche Realitätskriterien vor, weshalb
davon auszugehen sei, dass den Schilderungen der Ehefrau tatsächlich Erlebtes
zu Grunde liege (vgl. angefochtenes Urteil, S. 25 ff., insbesondere S. 28-35).

Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, ist nicht geeignet, die
Verfassungsmässigkeit der vorinstanzlichen Beweiswürdigung in Frage zu stellen.
So macht er etwa geltend, die Aussagen seiner Ehefrau zum Beginn der
angeblichen Schläge seien widersprüchlich und ungenau. Gemäss Befragung vom 3.
November 2006 habe sie zu Protokoll gegeben, er hätte sie circa sechs Monate
nach der Heirat zu schlagen begonnen; gemäss Meldeformular "Häusliche Gewalt"
vom 19. Oktober 2006 sollen die Schläge demgegenüber bereits vor circa 3 1/2
Jahren angefangen haben. Aus diesen unterschiedlichen Angaben resultiere eine
zeitliche Abweichung von rund 5-6 Monaten. Mit dieser Kritik verliert sich der
Beschwerdeführer in Nebensächlichkeiten, die das vorinstanzliche
Beweisergebnis, selbst wenn sie zuträfen, nicht zu erschüttern vermöchten.
Nicht anders verhält es sich, soweit der Beschwerdeführer einwendet, die
Aussagen seiner Ehefrau zur Häufigkeit und Heftigkeit der körperlichen
Übergriffe seien unglaubhaft. So sei doch erstaunlich, dass es in Anbetracht
der von ihr geschilderten körperlichen Übergriffe, die auch während der
Schwangerschaften stattgefunden hätten, nicht zu diesbezüglichen Komplikationen
gekommen sei. Der Beschwerdeführer verkennt, dass sich aus dem offenbar
unproblematischen Verlauf beider Schwangerschaften nicht ableiten lässt, er
habe seine Ehefrau nicht wie von ihr geschildert geschlagen. Entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers begründet sodann auch das rechtsmedizinische
Gutachten vom 10. November 2006 keine Zweifel am gewonnenen vorinstanzlichen
Beweisergebnis. Im Gegenteil. Die gutachtlich erhobenen Befunde (mehrere
Hautunterblutungen am Körper, Schwellungen am Hinterkopf rechts und am Kopf
seitlich, Rötung und Schwellung am hinteren Scheideneingang verbunden mit
starken Schmerzen) stimmen vielmehr mit den Schilderungen der Ehefrau überein
und lassen sich auch nach Auffassung der Gutachter mit gewalttätigen
Übergriffen und einem gewaltsam vollzogenen Geschlechtsverkehr ohne weiteres
vereinbaren (kantonale Akten, S. 181 ff., 185). Diese Einwände des
Beschwerdeführers und weitere, mit denen er anhand von Unwesentlichem (wie etwa
inkohärente Erinnerung in Bezug auf den Auslöser der Streitereien, Verhalten im
Rahmen der Verhütung und bei sexuellen Kontakten, Auswirkung ihrer
Vergewaltigung im Kosovo etc.) die Glaubwürdigkeit der Ehefrau und die
Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen in Frage zu ziehen sucht, sind nicht geeignet,
die vorinstanzliche Beweiswürdigung als willkürlich erscheinen zu lassen. Seine
Vorbringen sind insgesamt vielmehr als rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid einzustufen. Dies gilt auch, soweit er geltend macht,
dem erneuten Zusammenleben der Ehegatten sei im Rahmen der vorinstanzlichen
Beweiswürdigung nur untergeordnete Bedeutung beigemessen worden. Die
Willkürrügen sind somit nicht gehörig begründet (Art. 106 Abs. 2 BGG), weshalb
darauf nicht einzutreten ist. Dasselbe gilt auch für den Vorwurf, die
Vorinstanz habe den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt. Bei diesem Ergebnis
ist auf die restlichen Rechtsbegehren ebenfalls nicht einzutreten.
1.4
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann infolge Aussichtslosigkeit der
Begehren nicht stattgegeben werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen
Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu
tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 3.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Arquint Hill