Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.398/2008
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_398/2008/sst

Urteil vom 9. Oktober 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
A.X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Vincent Augustin,

gegen

Bundesamt für Kommunikation, Zukunftstrasse 44, 2501 Biel/Bienne,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kreisgerichts Werdenberg-Sargans,
Einzelrichter/in in Strafsachen, vom 22. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
A.X.________ erhielt am 7. Januar 2005 in ihrer Wohnung in Walenstadt Besuch
von einem Aussendienstmitarbeiter der Schweizerischen Inkassostelle für Radio-
und Fernsehempfangsgebühren (nachfolgend Billag), welcher feststellte, dass sie
sowohl ein Radio- als auch ein Fernsehempfangsgerät betrieb, ohne dies
vorgängig bei der Billag gemeldet zu haben. In der Folge erstattete die Billag
Anzeige gegen sie, worauf das Bundesamt für Kommunikation (nachfolgend BAKOM)
ein Verwaltungsstrafverfahren einleitete und einen Strafbescheid wegen
Verstosses gegen Art. 70 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 55 Abs. 1 des Bundesgesetzes
über Radio und Fernsehen (nachfolgend aRTVG) erliess. Nach einer von
A.X.________ erfolglos dagegen erhobenen Einsprache wurde sie mit
Strafverfügung des BAKOM vom 16. August 2006 wegen vorsätzlicher Widerhandlung
gegen Art. 70 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 55 Abs. 1 aRTVG zur Bezahlung einer
Busse von Fr. 500.- verurteilt. Daraufhin verlangte A.X.________ die
gerichtliche Beurteilung der Rechtssache.

B.
Der Einzelrichter in Strafsachen des Kreisgerichtes Werdenberg-Sargans erklärte
mit Entscheid vom 18. Januar 2007 A.X.________ der Widerhandlung gegen Art. 70
Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 55 Abs. 1 aRTGV schuldig und verurteilte sie zu einer
Busse von Fr. 500.--. Gegen dieses Urteil liess A.X.________ Beschwerde beim
Bundesgericht erheben, welche teilweise gutgeheissen wurde. Das
erstinstanzliche Urteil wurde aufgehoben und die Sache zur ergänzenden
Sachverhaltsfeststellung und neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen. Der Einzelrichter in Strafsachen des Kreisgerichtes
Werdenberg-Sargans verurteilte sie am 22. Januar 2008 wiederum zu einer Busse
von Fr. 500.--.

C.
A.X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Entscheid des
Kreisgerichtes Werdenberg-Sargans sei aufzuheben, und sie sei von Schuld und
Strafe freizusprechen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid aufzuheben
und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid des Kreisgerichtes Werdenberg-Sargans ist ein
kantonal letztinstanzlicher Entscheid in Strafsachen im Sinne von Art. 78 Abs.
1 in Verbindung mit Art. 80 und Art. 130 Abs. 1 BGG. Auf die Beschwerde ist
somit einzutreten.

2.
Am 1. April 2007 sind das revidierte Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vom
24. März 2006 (nachfolgend nRTVG) und die revidierte Radio- und
Fernsehverordnung vom 9. März 2007 (nachfolgend nRTVV) in Kraft getreten.
Dieses neue Recht gelangt auf Taten, welche noch unter Geltung des alten Rechts
begangen wurden, nur zur Anwendung, wenn es für den Täter das mildere ist (Art.
2 Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 2 VStrR und Art. 333 Abs. 1 StGB). Vorliegend ist
dies nicht der Fall.

3.
Die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen gegen das aRTVG ist dem
BAKOM, einer Verwaltungsbehörde des Bundes, übertragen und fällt daher unter
den Geltungsbereich des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (Art. 73
aRTVG i.V.m. Art. 1 VStrR). Wer Radio- oder Fernsehprogramme empfangen will,
braucht eine Bewilligung der PTT-Betriebe und muss eine Empfangsgebühr bezahlen
(Art. 55 Abs. 1 aRTVG). Die Strafdrohung für eine Widerhandlung gegen die
Meldepflicht beträgt Busse bis zu Fr. 5'000.-- (Art. 70 Abs. 1 aRTVG). Solche
Bussen sind nach der Schwere der Widerhandlung und des Verschuldens zu
bemessen; andere Strafzumessungsgründe müssen nicht berücksichtigt werden (Art.
8 VStrR i.V.m. Art. 2 VStrR und Art. 333 Abs. 1 StGB). In leichten Fällen kann
von einer Bestrafung nach Absatz 1 abgesehen werden (Art. 70 Abs. 4 aRTVG).

4.
Die Beschwerdeführerin rügt sowohl eine unrichtige Feststellung des
Sachverhalts (Art. 97 Abs. 1 BGG) als auch die Verletzung von Bundesrecht (Art.
95 lit. a BGG). Die Strafverfügung gebe den Beginn des Dauerdelikts nicht an
und verletze deshalb das Akusationsprinzip. Ihr Ehemann, mit welchem sie
zusammenwohne, habe ihr versichert, die Empfangsgeräte anzumelden. Es fehle
somit auch am (Eventual-)Vorsatz.

4.1 Die Vorinstanz führt aus, das Bundesgericht habe eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs bejaht, weil der Ehemann der Beschwerdeführerin -
B.X.________ - nicht als Zeuge befragt worden sei. Dies sei damit begründet
worden, falls die Beschwerdeführerin aufgrund der Zusicherung ihres Ehemannes
angenommen habe, dieser sei seiner Meldepflicht nachgekommen, habe sie über den
Sachverhalt geirrt, wobei diese Unkenntnis auf einem Mangel an Sorgfalt beruhen
würde. Daraufhin sei B.X.________ als Zeuge einvernommen worden. Er habe zu
Protokoll gegeben, die Wohnung gehöre nur ihm allein. Die Leute von der Billag
hätten seine Frau geplagt, obschon sie überhaupt nichts mit der Sache zu tun
habe. Daraufhin habe er den zuständigen Mann angerufen, wobei dieser nie
zurückgerufen habe. Seine Frau habe ihn bereits gefragt, ob er eine
rechtsgültige Radio- bzw. Fernsehempfangskonzession gelöst habe, als sie vor
sechs/sieben Jahre umgezogen seien. Er habe ihr gesagt, dies gleich zu
erledigen. Nach dem Besuch des Mitarbeiters der Billag habe er ihr zwar gesagt,
dass er sieben/acht Mal angerufen habe, aber nie, die Konzession sei sicher
gelöst, sondern nur, die Sache in Ordnung zu bringen (angefochtenes Urteil E.
5). Die Vorinstanz geht davon aus, dass der Besuch des Aussendienstmitarbeiters
vom 7. Januar 2005 tatsächlich stattfand, weil dieser sonst keine Anzeige
erstattet hätte. Auf dieser sei vermerkt, dass sich bereits damals Radio und TV
in der Wohnung befanden. Am Tag der Hausdurchsuchung vom 8. Juli 2005 seien
meldepflichtige Empfangsgeräte vorgefunden worden, und damals seien weder Herr
noch Frau Giotto für den Empfang von Radio- und Fernsehprogramm angemeldet
gewesen. Damit habe die Beschwerdeführerin den objektiven Tatbestand in der
Zeit vom 7. Januar 2005 bis am 8. Juli 2005 erfüllt. Wie das BAKOM auf den 1.
April 2004 als Beginn der Widerhandlung komme, sei weder begründet noch
ersichtlich. Betreffend den subjektiven Tatbestand hält die Vorinstanz fest,
die Beschwerdeführerin habe um ihre Anmeldepflicht wissen müssen. Unkenntnis
schütze nicht vor Strafe, und in den Medien würden entsprechende Informations-
und Aufklärungskampagnen laufen. B.X.________ habe ihr zu verstehen gegeben,
dass er der Anmeldepflicht noch nicht nachgekommen sei. Deshalb könne das
Untätigbleiben der Beschwerdeführerin als nichts anderes als Inkaufnahme der
vorgeworfenen Widerhandlung angesehen werden. Ob auch fahrlässige Tatbegehung
strafbar sei, könne bei diesem Verfahrensausgang offen bleiben. Ein leichter
Fall gemäss Art. 70 Abs. 4 aRTVG liege nicht vor, da die Widerhandlungen über
mehrere Monate andauerten und sich der deliktische Wille der Beschwerdeführerin
nicht in der Vorbereitung zum Betrieb erschöpfte, sondern sie zumindest ein
Radiogerät tatsächlich in Betrieb genommen habe (angefochtenes Urteil E. 8).

4.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, gemäss Art. 73 Abs. 2 VStrR gelte die
Überweisung des BAKOM zur gerichtlichen Beurteilung als Anklage. Die
Überweisung verweise auf die Strafverfügung des BAKOM vom 16. August 2006.
Derselben sei aber kein genauer Beginn des Dauerdelikts zu entnehmen.
Rechtsgenüglich festgestellt sei das Vorhandensein eines empfangsbereiten
Gerätes erst ab und einzig am 8. Juli 2005. Gemäss dem Akusationsprinzip sei
der Sachverhalt genau zu umschreiben und auszuführen, ab wann ein Dauerdelikt
tatbeständlich gegeben sei. Das angefochtene Urteil verletze das
Akusationsprinzip als Bestandteil des rechtlichen Gehörs. Die
Sachverhaltsfeststellung, wonach sie von ihrem Ehemann faktisch getrennt in der
gleichen Wohnung lebe, sei aktenwidrig. B.X.________ habe als Zeuge bestätigt,
dass sie die gemeinsamen Haushaltsarbeiten ausführe, weshalb zumindest eine
Tischgemeinschaft geführt werde. Auch die Feststellung, wonach in den Medien
entsprechende Informations- und Aufklärungskampagnen laufen würden, sei
aktenmässig nicht ausgewiesen und somit rechtswidrig. Da weder das RTVG noch
das RTVV den Begriff "Haushalt" näher definiere, sei nicht rechtsgenüglich
ausgewiesen, dass die Beschwerdeführerin um ihre Anmeldepflicht wissen musste.
B.X.________ - welcher alleiniger Eigentümer der Geräte und Mieter der Wohnung
sei - habe ihr gemäss seiner Zeugenaussage mehrfach versichert, die Sache in
Ordnung zu bringen. Die Folgerung, wonach sie untätig gewesen sei und die
vorgeworfene Widerhandlung in Kauf genommen habe, sei nicht ausgewiesen,
weshalb es am (Eventual-)Vorsatz fehle. Die Vorinstanz habe deshalb auch zu
Unrecht nicht geprüft, ob fahrlässige Tatbegehung strafbar wäre. Dem Sinn und
Zweck der Strafnorm sei klar zu entnehmen, dass nur die vorsätzliche Verletzung
der Meldepflicht strafbar sei. Weiter sei ein leichter Fall gemäss Art. 70 Abs.
4 aRTVG zu Unrecht verneint worden. Rechtsgenüglich sei allenfalls nur eine
Widerhandlung am Tage der Hausdurchsuchung nachgewiesen, weshalb klarerweise
ein leichter Fall vorliege.

4.3 Die Strafverfügung des BAKOM vom 16. August 2006 (act. 41 S. 2) nennt als
Beginn der Widerhandlung den 1. April 2004. Gleichzeitig verweist die Verfügung
aber auf die Anzeige der Billag AG vom 1. April 2005 (act. 1). Dort wird
festgestellt, dass die Beschwerdeführerin am 7. Januar 2005 dem
Aussendienstmitarbeiter bestätigte, ein Radio- und Fernsehempfangsgerät zu
besitzen. Das angefochtene Urteil hält deswegen den 7. Januar 2005 anstelle des
1. April 2005 als Beginn der Widerhandlung gegen die Meldepflicht erstellt.
Inwiefern dadurch der Anklagegrundsatz verletzt wird, ist nicht ersichtlich und
wird von der Beschwerdeführerin auch nicht dargelegt. In der Strafverfügung
sind der Lebenssachverhalt detailliert umschrieben und die der
Beschwerdeführerin zur Last gelegte Widerhandlung hinreichend konkretisiert.
Mit der zeitlichen Verkürzung wird der eingeklagte Sachverhalt weder unter eine
schärfere Strafbestimmung gestellt noch zusätzlich unter einen weiteren
Straftatbestand subsumiert. Die Beschwerdeführerin konnte zu allen Aspekten des
objektiven und des subjektiven Tatbestandes Stellung beziehen, so dass auch ihr
Anspruch auf das rechtliche Gehör nicht tangiert wurde (vgl. BGE 126 I 19 E. 2a
S. 21, mit Hinweisen).

4.4 Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, inwiefern die von ihr gerügten
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar sind. Ihre
Vorbringen erschöpfen sich weitgehend in einer unzulässigen appellatorischen
Kritik am angefochtenen Urteil und genügen folglich den
Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nicht (vgl. BGE 133 II 249
E. 1.4.3 S. 254 f., mit Hinweis). Die Vorinstanz konnte, ohne in Willkür zu
verfallen, den Sachverhalt als erstellt ansehen. Die Rügen der
Beschwerdeführerin sind demnach unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. Bei
der rechtlichen Würdigung ist somit der von der Vorinstanz ermittelte
Sachverhalt massgebend (Art. 105 Abs. 2 BGG). Gestützt darauf führt die
Vorinstanz zu Recht aus, der objektive Tatbestand der Widerhandlung gegen die
Meldepflicht sei in zeitlicher Hinsicht vom 7. Januar 2005 bis am 8. Juli 2005
erfüllt. Zutreffend ist auch ihre Schlussfolgerung, B.X.________ habe der
Beschwerdeführerin nicht versichert, die Konzession gelöst zu haben, weshalb
ihr Verhalten nur als Inkaufnahme der vorgeworfenen Widerhandlungen angesehen
werden könne. Demzufolge durfte die Vorinstanz offen lassen, ob die fahrlässige
Tatbegehung strafbar ist. Nach dem Gesagten erübrigt es sich ferner, auf die
Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Verneinung eines leichten
Falles nach Art. 70 Abs. 4 aRTVG einzugehen. Diesbezüglich kann auf das
angefochtene Urteil verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).

5.
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass sich die Rügen der Beschwerdeführerin
allesamt als unbegründet erweisen. Demgemäss ist die Beschwerde abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die
Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kreisgericht Werdenberg-Sargans,
Einzelrichter/in in Strafsachen, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen
und der Schweizerischen Bundesanwaltschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Oktober 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz